Hagen. . Frank Winkelmann vom SV Hagen 94 ist seit drei Jahren sehr erfolgreich als Freiwasserschwimmer unterwegs. Aktuell steht die EM in Slowenien bevor.
Haie und Krokodile gibt es in heimischen Gewässern nicht. Trotzdem ist Freiwasserschwimmen nicht immer ein Spaß. Man kann mit Treibholz kollidieren, im Kaltwasser einen Krampf bekommen oder zeitweise die Orientierung verlieren. Trotz solch potenzieller Widrigkeiten lockt diese Art von Wassersport immer mehr Schwimmer an. Frank Winkelmann zum Beispiel. Aktuell bereitet sich der gebürtige Emster auf seine ersten Europameisterschaften vor.
Deutsche Vizemeisterschaft über 5 km größter Erfolg
Fr ank Winkelmann wurde am 5. März 1972 in Hagen geboren. Dem SV Hagen 94 gehört er seit dem 1. Januar 1980 an. Freiwasserschwimmen betreibt er seit dem Jahr 2015.
Unter Freiwasserschwimmen werden alle Wettkämpfe und Wettkampfvarianten verstanden, die im Freien in Gewässern wie Fluss, See Kanal oder Meer zur Austragung kommen.
Frank Winkelmanns größter nationaler Erfolg im freien Wasser war der zweite Platz über 5 km in der AK 45 bei den deutschen Meisterschaften 2017 in Magdebur g. Seine Silber-Zeit: 1:11,15 Stunden.
„Ich bin ein natürlicher Mensch, liebe die Natur. Wenn ich dann an der frischen Luft bin und keinen Chlorgeruch in der Nase habe, ist es deutlich angenehmer zu schwimmen“, erklärt der Athlet vom SV Hagen 94, was ihm am Freiwasserschwimmen besonders gefällt. „Man hat um sich herum alles Grün und jedes Mal andere Bedingungen. Es ist immer wieder eine andere Umgebung, anderes Wasser mit anderen Strömungen, anderen Winden, anderen Wellen, anderen Temperaturen. Das macht das Freiwasserschwimmen aus.“
Und die langen Distanzen natürlich. Während im Becken normalerweise bei 1500 m Schluss ist, fängt das Freiwasserschwimmen in der Regel mit der 2,5 km-„Kurzstrecke“ an. 5, 7,5 und 10 km sind gängige Distanzen, die 25 Kilometer eher Experten vorbehalten.
Anfänge in der Glörtalsperre
Schon als Beckenschwimmer, der einst für die Startgemeinschaft Hagen in der 2. Bundesliga unterwegs war, reizten den heute 45-Jährigen eher die längeren Rennen. „Er hat die Strecken geschwommen, die kein anderer schwimmen wollte“, erinnert sich Lothar Henn, seit Jahrzehnten Mitglied des SV Hagen 94 und Mitbegründer der Schwimmabteilung des TuS Breckerfeld. „Die Delfinstrecken, 400 m Lagen, 800 und 1500 m Freistil.“ Winkelmann etablierte sich in der südwestfälischen Spitze, an nationalen Titelkämpfen nahm er damals nicht teil.
Das änderte sich im Jahr 2015. Inzwischen hatte Henn eine heimische Freiwasser-Schwimmgruppe ins Leben gerufen, die regelmäßig in der Glörtalsperre trainierte. Frank Winkelmann war dabei, schwamm immer vorne weg und wähnte sich im Juni 2015 gut genug präpariert für seine ersten nationalen Meisterschaften. Vor Lindau im Bodensee ging er über 2,5 und 5 km an den Start - und kam gleich unter die Top Fünf. „Der Spaß und der Erfolg tragen mit dazu bei, dass man den Ehrgeiz entwickelt, daran festzuhalten“, war damit Winkelmanns Vorliebe für diese Art von Schwimmsport angeschoben.
DM-Debüt mit Treibholz-Problem
Wobei das mit dem Spaß so eine Sache ist. „Wir hatten damals im Bodensee viel mit Treibholz zu kämpfen“, erinnert sich Lothar Henn. „Am Tag zuvor hatte es gestürmt. Die großen Stämme hat das Kampfgericht noch vor dem Wettkampf weggeräumt, die kleineren kamen uns entgegen.“ „Ich habe dadurch meine Brille verloren“, das weiß Winkelmann noch wie heute. „Ich habe auf so ein Holz draufgeschlagen, es sprang nach oben und riss mir die Brille weg.“
So etwas kommt nicht häufig vor, kann aber passieren. Genauso wie man einen Krampf bekommen kann, mit dem in einem unbewachten freien Gewässer nicht zu spaßen ist. Deshalb achtet die heimische Trainingsgruppe in der Glör - wenn Wasser in der Talsperre ist - immer auf Zusammenhalt. „Frank Winkelmann schwimmt als Schnellster voran“, berichtet Henn. „Wenn er merkt, dass er sich zu weit entfernt hat, dreht er um und kehrt im Delfin-Stil zu uns zurück.“
Aber es ist schon lange kein Wasser mehr in der Glör und die Sanierungsarbeiten werden sich noch mindestens bis zum nächsten Frühjahr hinziehen. Für die Freiwasserschwimmer ein echter Nachteil, den man durch noch so intensives Beckentraining nicht kompensieren kann. „Weil man dort ja immer die Wenden hat, da kommt der Körper immer in einen kurzen Ruhemodus. Beim Abstoßen und bei der Rollwende“, erläutert Winkelmann. „Und man schwimmt auch kürzere Einheiten in Form von Serien. Deswegen kann man an das Freiwassertraining gar nicht herankommen.“
Vom Orientierungsfaktor, der im Becken keine Rolle spielt, ganz zu schweigen. „Das ist von Veranstaltung zu Veranstaltung völlig unterschiedlich. Bei einigen Wettkämpfen sind Leinen gespannt, bei anderen nicht“, erklärt Frank Winkelmann. „Dann muss man die Bojen suchen und anvisieren, das kann nicht jeder. Es schwimmen viele schon mal verkehrt. Man darf keinem anderen blind folgen.“
Und man sollte sich, gerade beim Start, aus dem Getümmel heraushalten. „Es gibt Fälle, da ist für jemanden der Wettkampf bereits nach 30 Sekunden beendet“, weiß Lothar Henn zu berichten. „Beispielsweise nach einem folgenschweren Tritt.“ Aber auch jenseits der Startphase sind Konflikte nicht selten. „Die Mädels sind besonders schlimm“, hat Henn erfahren, „die verhaken sich manchmal ganz schön.“ Deshalb werden vor Meisterschaften unter anderem die Fingernägel kontrolliert. Transponder und Videokameras am Ziel, die für eine auf Hundertstelsekunden genaue Zeitnahme sorgen, sind ebenfalls heute Standard. „In der Weltspitze kommen oft fünf Leute binnen einer Sekunde ins Ziel“, unterstreicht Henn das, was unlängst bei den European Championchips in Schottland zu sehen war.
Dort standen auch die 10 km auf dem Programm. Auf dieser Distanz gibt es eine „Raubtierfütterung“. Wie man es beispielsweise von der Tour de France kennt, stehen Betreuer an der Strecke und reichen Verpflegung an. Mittels Teleskopstöcken, mit denen den Athleten Gels und Wasser mit Mineralstoffen zugeführt werden.
Eine Garantie, auf diese Weise ohne Probleme ins Ziel zu kommen, ist diese Versorgung nicht. „Es kann passieren, dass der Körper nach acht Kilometern einbricht“, hat Winkelmann am eigenen Leib erfahren. Erst recht, wenn man wie im Halterner See einen „Bananenkurs“ zu absolvieren hat (Winkelmann: „Wer hat schon gelernt, im Kreis zu schwimmen“), in 18 Grad kaltem Wasser fast drei Stunden unterwegs ist (10 km in 2:49) und tags zuvor schon die Fünf-Kilometer-Distanz absolviert hat.
Bei WM drittbester Deutscher
„Ich habe mal folgendes erlebt“, berichtet der Volmestädter. „mir sind immer die Fingerkuppen eingefroren - sozusagen. Das Gefühl fehlte. Dann habe ich immer bei der Bewegung, bei der Schwungphase übers Wasser, die Hand zur Faust gemacht und kurz vorm Eintauchen wieder gestreckt. Durch diese Bewegung habe ich wieder Gefühl in die Fingerkuppen bekommen.“ Bei den Zehen, so der 94er, werde es schwieriger, „da kann man nicht viel machen. Man muss Erfahrung genug sammeln, um sich beim Freiwasserschwimmen richtig zu finden und vorne dabei sein zu können.“
Einen Platz im vorderen Drittel erhofft sich der in Wetter tätige Servicetechniker für Krananlagen auch bei seiner ersten EM-Teilnahme. Das kontinentale Championat findet Anfang September in Slowenien statt. Genauer gesagt im pittoresken Bleder See. Winkelmann startet dort über 3 und 5 km. Bei seiner Freiwasser-WM-Premiere 2017 in Ungarn schwamm der Hagener über drei Kilometer in 45:47,7 Minuten auf Rang 24 - unter 108 gemeldeten Akteuren - und war damit drittbester Deutscher. Merke: „Mit dem Erfolg wächst der Ehrgeiz!“
„Ich wollte mir dadurch neue Grenzen öffnen, dass ich zum Freiwasserschwimmen gegangen bin“, beantwortet der 45-Jährige die Frage nach seiner Triebfeder. „Es war eine neue Herausforderung.“ Vielleicht nicht die letzte seiner Wassersportkarriere. Gibt es doch auch noch so etwas wie Sundschwimmen, Eiswasserschwimmen, Kanalüberquerungen. Doch all das ist Zukunftsmusik. Nächste Woche stehen erst einmal die Mittelrheinmeisterschaften im Fühlinger See an. Als „Einschwimmen“ für Frank Winkelmanns ersten EM-Start.