Hagen. . Seit 100 Tagen ist Kevin Magdowski als Trainer bei Phoenix Hagen im Amt. Im Interview spricht er über Start, Play-offs und Zukunftsplanungen.
Seine Verpflichtung als Chefcoach von Phoenix Hagen im letzten Dezember überraschte, Kevin Magdowski hatte als Kandidat niemand auf der Rechnung. Heute ist der 40-jährige Berliner, zuvor zehn Jahre in Luxemburg aktiv, beim Basketball-Zweitligisten 100 Tage im Amt, startet nach schwerem Start mit dem Team in der nächsten Woche in die Play-offs. „Ich habe keinerlei Zweifel, dass wir damals eine gute Wahl getroffen haben“, sagt Geschäftsführer Patrick Seidel, der den gebürtigen Berliner als detailversessenen, akribischen Arbeiter mit großem Faible für Jugendarbeit charakterisiert. Vor dem Hauptrundenfinale am Samstag gegen die RheinStars Köln sprach die WP mit Magdowski über seinen Start in Hagen, Aussichten für die Play-offs und die Planungen für die Zukunft.
Hallo Herr Magdowski, vor 100 Tagen haben Sie das Traineramt in Hagen angetreten - als Nachfolger des verstorbenen Matthias Grothe. Wie fällt Ihre Auftaktbilanz aus?
Kevin Magdowski: Es war und ist die intensivste Saison, die ich bisher gehabt habe, mit allen Ups and Downs. Natürlich auch mit der Vorgeschichte. Es war eine ganz besondere Situation, dass ich die Mannschaft in diesem emotionalen Tief übernommen habe. Die Hauptarbeit lag natürlich bei Dietmar Günther, der die Mannschaft nach dem tragischen Tod von Matthias Grothe gecoacht hat. Da kann man sich gar nicht tief genug vor verneigen, was Dietmar da geleistet haben muss. Aber auch jetzt wirkt das noch nach.
Und das Auftaktprogramm war nicht ohne . . .
Mein Start war schon speziell, weil ich die Mannschaft in einem komplett ermüdeten Zustand übernommen habe, weil Weihnachten war, wir nach Crailsheim fuhren und auf dubiose Weise verloren und sich Dominik Spohr drei Tage später schwer verletzt hat. Da war die Unsicherheit, wann er zurückkommt, es stand ja die Befürchtung eines Kreuzbandrisses im Raum. Und dann hatten wir ein wildes Programm in Karlsruhe, Heidelberg und wieder gegen Crailsheim, das wir ohne Spohr spielen mussten. Einige Male waren wir da früh chancenlos. Da muss man die Mannschaft abholen und ihr einbläuen, dass sie trotzdem gut ist und um die Play-offs spielt.
Zur Person Kevin Alexander Magdowski
Kevin Alexander Magdowski stammt aus Berlin, kurz nach seinem Einstieg am 18. Dezember bei Phoenix Hagen feierte er seinen 40. Geburtstag. Von 2002-2007 war er Trainer bei Basketball-Regionalligist BG Rotenburg/Scheeßel und im Niedersächsischen Basketballverband, danach wechselte er für zehn Jahre nach Luxemburg. Dort coachte er Teams bei BBC Résidence Walferdange, Avanti Mondorf, Sparta Bertrange, AS Zolver und Kordall Steelers sowie Luxemburgs U16-Auswahl.
Im Sommer 2017 war er als erster deutscher Trainer in Südamerika, betreute das kolumbianische Team Águilas de Tunja. Nach seiner Rückkehr nach Luxemburg fungierte der A-Lizenzinhaber als Sportdirektor in Walferdange und coachte die Damenmannschaft.
Umso toller ist es, dass wir mit der Playoff-Teilnahme auf dem richtigen Weg sind. Der Sieg im Chemnitz-Spiel war wichtig, ein Opener. Wir haben ja nicht nur gewonnen, sondern im richtigen Moment tollen Basketball geboten. Da waren wir zur richtigen Zeit wieder komplett. Und es war ein unglaublich schöner Moment, als Dominik wieder in die Halle eingelaufen ist, frenetisch gefeierte wurde und im Stile eines Superstars im ersten Viertel 18 Punkte gemacht hat. Das hat uns das Selbstbewusstsein gegeben, das wir gebraucht haben, um auch die nächsten Spiele erfolgreich zu gestalten.
Wenn man mitten in der Saison kommt, übernimmt man eine Mannschaft, die man nicht selbst zusammengestellt hat. Was wollten und konnten Sie schon ändern?
Man sieht schon statistisch, dass wir in den Angriffsmechanismen deutlich schneller sind, ein bisschen unkomplizierter und freier. Wir haben es noch nicht hinbekommen, auch unsere Verteidigung an dieses Tempo anzupassen. Das ist jetzt ganz wichtig für die Play-offs, da müssen wir auch die Intensität in der Verteidigung erhöhen. Aber man merkt schon, dass wir ein bisschen unberechenbarer sind im Angriff, häufiger in einer Phase komplett das Spiel an uns reißen und nicht langsam sondern mit einem Hauruck-Element wegziehen. Das bringt den Gegner in Nöte, der an sich zweifelt, das haben wir in ein paar Phasen gut gemacht.
Leider haben wir das Problem, dass es andersherum bei uns auch so ist: Wenn wir verlieren, verlieren wir richtig. Das ist das, was wir für die Play-offs definitiv ändern müssen, daran arbeiten wir, seit die Qualifikation feststeht. Das hatte schon Einfluss auf das Baunach-Spiel. Wir wollten sicher nicht so spielen, wie wir es dann dort getan haben, aber im Hinterkopf ist bei Trainer-Staff und Spielern bestimmt schon das erste Playoff-Spiel - wohl in Crailsheim.
Natürlich wollen wir die Konzentration auch am Samstag beim Heimspiel gegen Köln hochhalten, man startet ja gern mit einem Sieg in die Play-offs. Und Köln ist ein hochklassiger Gegner, da können wir uns schon an das Niveau dort gewöhnen. Wir müssen uns jetzt daran gewöhnen, konstant Leistungen abzuliefern und den Level nach oben schrauben.
Wie ist denn die Zielsetzung für die Play-offs?
Dass die Favoritenrolle klar ist, weiß jeder, wenn der Tabellenzweite gegen den Siebten spielt. Zumal der Zweite personell auch noch nachgelegt hat. Wir haben aber auch im Kopf, dass wir im Weihnachtsspiel in Crailsheim vor großer Kulisse ein bisschen Pech hatten und fast gewonnen hätten. Natürlich gehen wir in das Duell, nicht um ein ehrwürdiger Gegner zu sein sondern um zu punkten. Inwiefern es möglich ist, sogar drei Spiele zu gewinnen, steht natürlich auf einem anderen Blatt, aber da hängt auch viel vom ersten Spiel ab.
Die Verunsicherung kann auch bei den Crailsheimern liegen, die im Vorjahr als Zweiter in der ersten Runde ausgeschieden sind. Wenn man die ins Nachdenken bringt, kann das zum Bumerang für sie werden, das wollen wir auch. Und unsere Spieler wissen, dass alle Partien vor großer Kulisse laufen, dass sie das emotionale Highlight sind, dass die ganze Saison nach den Play-offs beurteilt wird. Wir werden mit vollster Energie daran gehen und dann hoffentlich so agieren, dass wir Spaß haben. Den hat man, wenn man gewinnt.
Was bei Ihnen auffällt ist, dass Sie am Spielfeldrand sehr aktiv sind und dort fast mehr laufen als mancher Spieler. Ist das Ihre Art zu coachen?
Das ist auch die Art und Weise unseres Spiels, da muss ich als Trainer aktiv Anweisungen geben - und gehe natürlich auch emotional mit. Wir trainieren unter der Woche sehr individuell, wollen Spieler besser machen, da fehlt manchmal die Zeit, um voll taktisch zu arbeiten. Mit dem Trainer-Team - Kai Schulze und Alex Nolte machen da einen tollen Job - erarbeiten wir eine Konzeption, wie wir am Wochenende coachen wollen, wer welche Aufgaben übernimmt. Dazu gehören Kommunikation und Interaktion an der Seitenlinie.
Die Co-Trainer geben mir Hinweise, die ich weitergebe, dazu muss ich nah an der Mannschaft sein und mich aktiv an der Linie mitbewegen. Ich lasse mich da auch vom Publikum in Hagen anstecken. Die Fans sind von der ersten Minute an so frenetisch dabei, das haut mich vom Stuhl und treibt mich an, ich lebe die Atmosphäre in der Halle intensiv mit. Und wir haben eine sehr junge Mannschaft, die sich emotional anstecken lässt, in dem Alter vergisst man aber manche Anweisung schon mal. Ich weiß, dass die Mannschaft da meine Hilfe braucht.
Nach den Auswärtsspielen in Ehingen und Baunach sind Sie tags darauf zu Auswärtspartien der Juniors nach Gießen bzw. Quakenbrück mitgefahren, Geschäftsführer Seidel bezeichnet das als exemplarisch. Wie wichtig ist Ihnen die Nachwuchsarbeit?
Der Juniors-Sieg am Sonntag war eine Sensation, die man mit einem Playoff-Sieg des ProA-Teams in Crailsheim vergleichen könnte. Dass Marco Hollersbacher und Jasper Günther jetzt in Quakenbrück das Spiel gewonnen haben, ist für uns alle ein großer Erfolg, da habe ich mitgezittert und gejubelt.
Ich habe ja schon vernommen, dass in Hagen die Minuten bei unseren beiden jungen Spielern gezählt werden, die durch meinen technokratischen Ansatz nicht mehr geworden, noch nicht einmal gleich geblieben sind. Ich finde viel wichtiger die Leistung, etwa als Marco dem Spiel gegen Kirchheim seinen Stempel aufgedrückt hat. Meines Erachtens macht gute Jugendarbeit aus, wirkliche Schritte zu machen, es gibt im Basketball mehr als Einsatzminuten.
Ich glaube, dass wir einen kleinen Schritt bei Jasper und Marco gemacht haben, dass beide besser geworden sind. Ein Jonas Grof ist auch jung und hat ein Anrecht, eine dominante Rolle zu übernehmen, auch Joel Aminu klopft da an. Das nimmt den beiden anderen noch Jüngeren natürlich etwas weg, so ist der Zyklus in einer jungen Mannschaft.
Für die nächste Saison sind - bis auf die Entscheidung bei Grof - alle deutschen Positionen schon besetzt. Wie wollen Sie mit Neuzugängen den Kader weiterentwickeln, dass es noch mehr Ihre Mannschaft ist?
Das Team ist toll zusammengestellt und passt, es ist charakterstark. Da gibt es kein Superstar-Gehabe, das ist die klare Maßgabe von Matthias Grothe gewesen. Man muss mit der Mannschaft ja zweimal am Tag arbeiten wollen - und ich bin noch nicht einmal in die Halle gekommen, wo das nicht so war. Die Rekrutierung von Matze war ganz klar, er hatte zwei Einser, zwei Zweier, zwei Dreier und so weiter. Die Hierarchie war klar, wer Backup von wem ist.
Meine Sicht ist ein bisschen anders, ich sehe die einzelnen Positionen variabler und werde meine Ideen zu dieser Liga und dieser Mannschaft einbringen. Etwa, ob wir auf der Position von Aminu aktiv nach einem amerikanischen Spieler suchen müssen. Eine Lücke haben wir auf der Position des großen Flügelspielers, auf der wir noch nicht physisch genug besetzt sind. Da könnte man nachdenken, wie wir durch eine Umbesetzung an Kapital gewinnen können.
Privat ist noch nicht viel über Sie bekannt außer ihrem Geburtsort und zehn Jahren Tätigkeit in Luxemburg. Sind Sie eher Berliner oder Luxemburger?
Eigentlich bin jetzt Hagener, habe die Stadt sehr schätzen gelernt. Der Ruhrpott gefällt mir sehr gut, die Menschen sind sehr ehrlich und offen. Natürlich habe ich eine gewisse Luxemburger Prägung, ich war eine Dekade in dem Land, in Berlin dagegen habe ich seit 20 Jahren nicht gewohnt. Luxemburg steckt da mehr im Blut, aber ich werde gerade richtig warm mit Hagen.
In Luxemburg haben Sie sich offenkundig wohl gefühlt. Warum wollten Sie denn, als die kurzfristige Anfrage kam, Trainer in Hagen werden?
Die Herausforderung, die Intensität des Standorts Hagen, wie hier Basketball gelebt wird, ist ja nicht mit Luxemburg zu vergleichen. Ich hätte nicht krampfhaft jeden Job haben wollen, aber Phoenix Hagen, das ehemalige Brandt Hagen, da musste ich keine zwei Minuten drüber nachdenken. Die Trainer hier waren Identifikationsfiguren, haben sich einen Namen gemacht, das weiß man in Basketballkreisen über die deutschen Grenzen hinaus.