Hagen. . Der Kreuzbandriss, den Thorben Paulsen in Herford erlitt, war für den Kapitän des SV Haspe 70 mehr Segen als Fluch

„Besser konnte es eigentlich nicht laufen.“ Wenn Thorben Paulsen auf die letzten Wochen und Monate zurückblickt, fällt seine Bilanz äußerst positiv aus. Dabei hat der Mannschaftskapitän des Basketball-Erstregionalliga-Teams des SV Haspe 70 weder Siege in Serie gesammelt noch Punkterekorde aufgestellt. Im Gegenteil: Der 27-Jährige erlitt Ende September einen Kreuzbandriss, der ihn seitdem vom Leistungssport fern hält. Doch gerade dies wertet der Hagener in der Rückschau als Glücksfall.

„Seitdem ich wusste, dass ich Vater werde, war meine größte Angst, ich könnte die Geburt meines Sohnes verpassen, weil ich in irgendeiner Sporthalle bin oder im Bus auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel sitze“, berichtet der Hasper Korbjäger. Am 30. September war Paulsen ziemlich weit weg. Er ging an diesem Samstag für die Siebziger in Herford auf Korbjagd, als es passierte. Von seinem Missgeschick, das ihn ohne Fremdeinwirkung ereilte, hat Thorben einen Video-Mitschnitt. „Jetzt kommt mein Fuß falsch auf, jetzt reißt das Kreuzband, jetzt kugelt das Knie aus, jetzt ploppt es wieder rein“, kommentiert der diplomierte Sport- und Gesundheitstrainer fachmännisch die Szene. „Ich wusste gleich, dass es etwas Schwerwiegendes ist, mindestens ein Kreuzbandriss.“

Vorgehen und Diagnose fragwürdig

Per Krankenwagen ging’s in ein Herforder Hospital, das Paulsen in denkbar schlechter Erinnerung hat. „Ich wurde von Feuerwehrmännern in einen Raum geschoben und lag dann mehr als eine Stunde da, ohne dass irgendetwas passierte“, berichtet der SV70-Spielführer. „Wenn Arterien kaputt oder Muskeln abgerissen sind, wäre es schon ganz wichtig, relativ schnell etwas in die Wege zu leiten“, habe er sich damals gedacht. Irgendwann sei eine Ärztin erschienen, deren Vorgehen und Diagnose für den Diplomtrainer alles andere als überzeugend war. „Als sie dann meinte, wir müssen es röntgen, aber das kann dauern, habe ich gesagt: Ich fahre jetzt nach Hause.“

Auf eigene Verantwortung entließ sich Paulsen aus der Ambulanz und fuhr im Mannschaftsbus zurück nach Hagen. „Das waren die schlimmsten zwei Stunden meines Lebens“, erinnert er sich, „Schmerzmittel durfte man mir nicht geben. Ich habe immer gedacht, ich sei relativ schmerzunempfindlich – aber das war schon eine Packung.“

Seine Entscheidung indes erwies sich als goldrichtig. Im Evangelischen Krankenhaus am Mops in Haspe, wo Thorben telefonisch angemeldet worden war, wurde er gegen Mitternacht schon erwartet. „Ich wurde mit einem Rollstuhl abgeholt und sofort versorgt und geröntgt“, berichtet Paulsen. Vier Tage später folgte an gleicher Stelle die Arthroskopie. Das vordere Kreuzband wurde weggeschnitten, ein Knorpel etwas geschliffen, viel Flüssigkeit aus dem Knie herausgezogen. „Eine Kreuzbandplastik wollte ich nicht haben, weil das eine deutlich längere Einschränkungszeit zur Folge gehabt hätte“, begründet der Siebziger, warum er auf die klassische Kreuzband-OP verzichtete.

Stattdessen entschloss er sich, die eigene Reha selbst in die Hand zu nehmen. „Ich hatte noch genügend Muskelspannung, weil das am Mops alles so schnell gegangen war, und hier in der Bechelte die besten Möglichkeiten“, erläutert der Leiter der Kundenberatung des Sport- und Gesundheitszentrums. Beispielsweise ein Vakuumtherapie-Gerät, das den Stoffwechsel anregt und die Selbstheilungsprozesse fördert.

Paulsen nimmt’s mit Humor

„Es war ganz witzig“, denkt Thorben zurück, „kurz zuvor hatte ich für jemanden mit einer Knieverletzung noch einen Trainingsplan gemacht, dem ich zwei Tage später mit Krücken und Schiene über den Weg lief.“ Jetzt kann ich ja deinen Plan trainieren, habe er zu dem Leidensgenossen gesagt, „man muss das auch mit etwas Humor nehmen.“

Mit 16 Jahren hatte der Hagener Korbjäger, der seine Laufbahn bei Brandt Hagen begann (siehe Infobox), das noch anders gesehen. Gerade in den Kader der damals schon von Coach Ingo Freyer trainierten Zweitliga-Basketballer vorgerückt, brach sich Thorben im letzten Vorbereitungsspiel der Phoenix-Juniors den Mittelfuß und zog sich einen Syndesmoseriss zu. „Es hat ein dreiviertel Jahr gedauert, bis ich wieder auf dem alten Leistungsniveau angekommen bin. Damals war ich total frustriert, weil ich so lange auf diese Chance hingearbeitet hatte.“

Mit Beginn seiner Tätigkeit im Bechelte Park verschoben sich bei Thorben Paulsen die Gewichte. Der Beruf trat an die erste Stelle, das Basketball-Engagement wurde zurückgeschraubt. „Anderenfalls hätte ich morgens um halb acht das Haus verlassen und wäre oft erst gegen 23 Uhr zurückgekehrt“, begründet Paulsen, warum er zwischendurch sogar ganz pausierte. „Dann haben mich die Hasper doch zum Weitermachen bequatscht. Es ist ein familiär geführter Verein, in dem ich mich sehr wohl fühle.“ Umso mehr hofft Thorben darauf, dass er noch dieser Saison aufs Feld zurückkehren und beim Projekt „Klassenerhalt“ mithelfen kann.

Schon wieder sporttauglich

Der eigene Reha-Plan schreitet gut voran. „Alltagstauglich“, sei er schon längst wieder, so der 27-Jährige, auch die allgemeine „Sporttauglichkeit“ habe er erreicht. Nur zur „Leistungssporttauglichkeit mit Kontakt“ reicht es noch nicht. Aber das ist wohl eine Frage der Zeit.

„Wenn man mutig ist, Biss hat und sich gut beraten lässt, kann man vieles schaffen“, davon ist Thorben Paulsen überzeugt. Geschafft hat er es schon mal, die Geburt seines Sohnes mitzuerleben - er war ja nicht auf Korbjagd und dank seiner Eigentherapie wieder mobil. Lebensgefährtin Anja, die auch als Trainerin in der Bechelte arbeitet, war im Krankenhaus ganz schnell. „In 45 Minuten war Erik da“, denkt Thorben an den schönsten Moment seines bisherigen Lebens zurück.

„Durch die Geburt meines Sohnes fühle ich so viel Glück, dass ich keine Wünsche mehr habe“, sagt der junge Vater passend zum Weihnachtsfest. „Mehr Glück könnte ich nicht empfinden.“ Ob mit oder ohne Basketball, fügt Thorben an. So ganz möchte er auf die Korbjagd aber doch nicht verzichten.

Ein Erstliga-Spiel für Phoenix Hagen

Thorben Paulsen wurde am 18. Januar 1990 in Hagen geboren. Das Basketballspielen erlernte er beim BBV Hagen. Zweite Station im Jugendbereich war Boele-Kabel, wo der „Combo-Guard“ nach eigener Aussage sehr vom Training unter Mareike Barth profitierte und sich bei den Senioren einiges von Akteuren wie Ex-Nationalspieler „X“ Risse abgucken konnte.

Von Boele aus wechselte Paulsen zu Phoenix Hagen. Hier spielte er für die Juniors und gehörte zum Kader der 1. Mannschaft, mit der er ein Erstliga-Spiel bestritt. Parallel dazu ging er auch noch für die BG Hagen auf Korbjagd. Die Iserlohn Kangaroos und noch einmal die BG waren Thorbens weitere Stationen, bevor er nach einer beruflich bedingten Pause zum aktuellen Klub SV Haspe 70 ging.