Wetter. . Neue Serienfolge: Der Sportplatz Oberwengern bleibt als Resultat der kommunalen Gebietsreform „ein ungeliebtes Kind“.

  • Seit Januar 1970 gehören Volmarstein, Wengern und Esborn zu Wetter
  • In Oberwengern sollte ein neues Zentrum entstehen, auch für den Sport
  • Neben Ascheplatz und Schule entstanden Sporthalle und Schwimmbad

Der Sportplatz Oberwengern ist das Produkt einer großen Vision. Zugegeben, das sieht man dem krautbewachsenen Aschenplatz heute nicht mehr an. Und doch entspricht es der Wahrheit. Denn als sich die Stadt Wetter Anfang der Siebziger Jahre entschied, den Platz südlich der Ruhr in Oberwengern zu bauen, herrschte Aufbruchstimmung – zumindest in der Politik.

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Die Zauberwörter lauteten: Kommunale Gebietsreform Nordrhein-Westfalen. Das klang schon damals nicht besonders mitreißend, doch es sollte das Leben in der Region für Jahrzehnte prägen. Per Gesetz wurden damals die Grenzen der Kreise und Städte neu geregelt, kleinere Gemeinden wurden zusammengefasst. Auch im Ennepe-Ruhr-Kreis: Hier wurden Städte wie Gevelsberg oder Hattingen neu aufgestellt – und auch eine neue Stadt Wetter (Ruhr) gegründet. Seit dem 1. Januar 1970 gehören die ehemaligen Gemeinden Volmarstein, Wengern und Esborn dazu.

Anlaufstelle für über 1200 Schüler

So eine neue Stadt brauchte auch ein neues Zentrum. Orientiert man sich bei der Suche danach an der geographischen Lage, landet man ziemlich genau in Oberwengern. „Man dachte damals, mit Oberwengern könnte man allen Bewohnern des Stadtgebietes gerecht werden“, sagt Dietrich Thier. Der promovierte Historiker leitet bei der Stadt Wetter den Fachbereich Schule, Kultur und Sport, ist Kreisarchivar und führt den Verein für Orts- und Heimatkunde. Somit ist ihm die Geschichte des Sportplatzes Oberwengern vertraut. „Um das neue Zentrum in Oberwengern zu etablieren, wurde dort kräftig investiert“, erzählt Thier.

Insgesamt 20 Millionen D-Mark wollte die Stadt ausgeben, um ein Schul- und Freizeitzentrum zu errichten. Im Jahr 1973 wurde deshalb ein Architektenwettbewerb ausgerufen, und innerhalb weniger Jahre wuchs in Oberwengern tatsächlich ein richtiges Zentrum aus dem Boden. Mehr als 1200 Schülerinnen und Schüler fuhren jeden Morgen dorthin, allein die damalige Hauptschule zählte etwa 930 Schüler. Die brauchten natürlich einen Sportplatz. So entstand ein großer Aschenplatz, mit sechs Laufbahnen und Kugelstoßanlage. Daneben befinden sich bis heute die Sporthalle und das Schwimmbad. „Die Aula der Schule war außerdem in der Anfangszeit ein kulturelles Zentrum, die gesamte Theaterprominenz der Region trat dort auf“, so Thier.

Doch die Vision der großen, vereinten Stadt Wetter wollte nicht so recht aufgehen. Denn was in der Verwaltung längst vollzogen war, setzte sich in den Leben der Menschen nie wirklich durch: das Verständnis Wetters als eine gemeinsame Stadt, eine gemeinsame Heimat. „Wenn Sie heute jemanden fragen, wo er herkommt, sagt er eher Volmarstein als Wetter“, sagt Thier. Das Zentrum in Oberwengern erreichte deshalb nie seine richtige Blüte, und der Sportplatz blieb „ein ungeliebtes Kind“, wie Thier es ausdrückt. Nie spielte dort ein höherklassiger Fußballverein, auch größere Sportfeste fanden dort selten statt. Meist nutzte die Schule den Platz, oder die TGH Wetter führte dort Sportabzeichenprüfungen durch. Und weil der Platz nie so richtig intensiv genutzt und phasenweise vielleicht auch etwas nachlässig gepflegt wurde, setzte irgendwann ein Prozess ein, den der Stadtbetrieb Wetter vor einigen Jahren mit dem schönen Ausdruck „starke Verunkrautung“ umschrieb.

Bis 2015 war der Platz in so einem schlechten Zustand, dass die Stadt dringend handeln musste. Sie entschloss sich für eine sparsame Variante: Acht 100-Meter-Bahnen, zwei innenliegende Laufbahnen, die Weitsprunganlage und der Kugelstoßbereich wurden Ende 2016 vom Unkraut befreit – und werden seitdem intensiver gepflegt. Der Rest des Platzes bleibt weitgehend der Natur überlassen.

Vision aus den Siebzigern

Doch ein bisschen Hoffnung gibt es, dass der Sportplatz Oberwengern nicht für immer ein ungeliebtes Kind bleibt. In den Gedankenspielen des TuS Wengern könnte der Platz eines Tages wieder wichtiger für den Sport in Wetter werden. Denn die demographische Entwicklung zwingt Vereine zum Umdenken. Weniger Einwohner, mehr Mobilität – da käme ein funktionstüchtiger Sport Sportplatz in zentraler Lage gerade recht. „Vielleicht zeigt sich in ein paar Jahren ja, dass die Ideen der Siebziger Jahre gar nicht so abwegig waren”, sagt Thier. Und vielleicht wird dann die Vision, die sich schon vor 40 Jahren hinter dem Sportplatz Oberwengern verbarg, doch noch Wirklichkeit. Die Vision „von einer Stadt, die zusammenrückt, räumlich und emotional“.