Boele. Die Reise des Hageners Stefan Besarese (40) führt vom Sofa zum Marathon in wenigen Monaten. Ohne Trainingsplan und angetrieben durch Freude.
Es war März 2023 und Stefan Besarese (40) trieb ein Gedanke um, den wohl so viele Hagener schon tausendmal gehabt haben dürften. Ein bisschen fitter werden, vielleicht ein paar Kilos verlieren, insgesamt einfach in Schuss kommen. Unsportlich war der Boeler nie. Es zog ihn durchaus auch einmal im Monat an den Hengsteysee. Damals fuhr er noch mit dem Auto dorthin, um dann eine Runde zu joggen. 17 Monate später steht der Automobil-Kaufmann, der bei Mercedes Jürgens in Haspe arbeitet, am Sonntag an der Startlinie eines der berühmtesten Marathons der Welt: in New York City.
Besareses Story ist nicht nur eine über einen Mann, der einfach mal loslief, sondern auch über einen, der sich nicht auf dem gewaltigen Markt von Laufberatungen, Trainingsplänen und Ernährungsratgebern verloren hat. Wer das für den Versuch eines 10-Kilometer-Laufs, eines Halbmarathons oder eines ganzen mal versuchweise googelt, wird diesen Dschungel schnell erkennen. Und entscheidend kommt hinzu, dass die Trainingspläne für Marathons alle andeuten, dass man das kaum in seinen Berufs- oder Familienalltag integrieren kann. Insofern ist Stefan Besarese durchaus der Gegenentwurf.
Am THG fing alles an
Im Prinzip fing das mit der „THG-Runde“ in Hagen an, zu der er sich von einem Bekannten mitreißen ließ. „ Vom THG, hinauf zur Ischelandhalle, zum Westfalenbad, zum Teich, zur Boeler Straße, zum Hameckepark, zum Loxbaum, wieder nach Fley, hinauf zum Polizeipräsidium und oben durch den Wald bis zur Bredelle und über die Goebenstraße zurück zum THG. Das sind 9,5 Kilometer. „Am Anfang habe ich geprustet, als ich die Berge hinauf gelaufen bin. Und außerdem bin ich mit dem Auto zum Treffpunkt gefahren“, lacht Stefan Besarese.
Das änderte sich zügig. Denn zum einen wurde der 40-Jährige mit jeder samstäglichen Teilnahme fitter und zum anderen packte es ihn, auch unter der Woche ein- oder zweimal laufen zu gehen. „Dazu habe ich im ersten halben Jahr komplett auf Alkohol und Süßigkeiten verzichtet. In Kombination mit dem regelmäßigen Sport habe ich 30 Kilo abgenommen. Und dadurch fühle ich mich natürlich auch ganz anders und das Laufen macht noch mehr Spaß.“
Plötzlich Richtung Halbmarathon
Irgendwann fuhr Besarese nicht mehr mit dem Auto zur THG-Runde, sondern joggte dorthin. Und ein bisschen später lief er noch einen Schlenker, um für die Familie Brötchen mitzubringen. „Und plötzlich hatte ich schon fast einen Halbmarathon zusammen.“ Er tastete sich weiter ran, lief von Boele zum Hengsteysee, zweimal rum und wieder zurück Richtung nach Hause. „In Bathey musste ich meine Frau anrufen und fragen, ob sie mich abholt.“ Nicht das Laufen an sich hatte ihn in die Knie gezwungen, sondern, dass er unterschätzt hatte, wie wichtig die Ernährung unterwegs ist. „Das muss man lernen, während des Laufens zu essen und genug zu trinken. Wenn man das beachtet, dann kommt man sehr weit.“
Sehr weit hieß bei einem weiteren Versuch: von Boele, zu Kemnade, einmal rum und zurück nach Wetter. „Und da war ich dann plötzlich einen Marathon gelaufen. 42,5 Kilometer. Ich bin oft einfach losgelaufen und habe mich so ganz natürlich gesteigert. Ich war zuvor zum Beispiel noch nie am Phönix-See. Also beschloss ich, einfach daheim loszulaufen, ihn zu umrunden und wieder nach Hause zu laufen. Insgesamt bin ich aber einfach jeden Monat 150 Kilometer weit gelaufen. Das war so mein Pensum.“
Der Traum vom offiziellen Marathon, noch dazu vom größten der Welt, reifte mit der Erkenntnis, dass es ihm gelungen war, diese langen Distanzen hinter sich zu bringen. Nun kann man aber nicht einfach sagen, dass man nach New York fliegt und dort mitläuft. Das geht nur, wenn man sich über eine Marathon-Lotterie qualifiziert, für einen Wohltätigkeitssponsor läuft oder ein Marathon-Paket bei einem internationalen Reiseveranstalter gebucht hat. Da Stefan Besarese die ersten beiden Punkte nicht erfüllt, telefonierte er sich auf gut Glück durch Deutschland und rief viele Reiseveranstalter an. Entweder konnte man gar nichts für ihn tun oder er landete auf Wartelisten. Er ließ sich einfach immer vormerken.
Lauf durch die abgesperrte Stadt
Den Anruf erhielt er dann in diesem Spätsommer. „Da rief mich ein Reisebüro zurück. Es sei jemand abgesprungen und ich könnte ein Ticket für einen Startplatz kaufen. Da habe ich sofort zugesagt.“ Diese Woche Donnerstag stieg Besarese dann mit seiner Frau am Frankfurter Flughafen in eine Maschine nach New York. Am Sonntag, 11.30 Uhr Ortszeit, wird er dann an der Startlinie stehen und durch die abgesperrte Stadt laufen. 42,5 Kilometer Sightseeing in einer der beeindruckendsten Kulissen der Welt. Das Ziel: laufen, gut durchkommen und genießen.
„Das hätte ich vor einem Jahr nicht geglaubt“, sagt Besarese. „Ein Marathon. Ich meine, das ist wirklich richtig lang.“ In New York laufen über 50.000 Menschen mit. Der New-York-Marathon ist kein Rundkurs. Er führt von Fort Wadsworth auf Staten Island über Brooklyn, Queens und die Bronx nach Manhattan, wo sich im Central Park das Ziel befindet. Wenn Stefan Besarese dort ankommt, wird er sich möglicherweise an die ersten Tage im Fleyer Wald erinnern, an denen er prusten und kämpfen musste. Das ist nur 17 Monate her.
„Das hätte ich vor einem Jahr nicht geglaubt. Ein Marathon. Ich meine, das ist wirklich richtig lang.“