Hagen. Er kann es nicht lassen: Andreas Kranzkowski kickt mit 61 Jahren noch für Roten Stern Wehringhausen in der Kreisliga C. Was ihn antreibt:

Wenn der Spieler mit der Rückennummer 62 für den Roten Stern Wehringhausen aufläuft, wundern sich die Gegenspieler häufig. Denn sie haben mit Andreas Kranzkowski einen Fußballer gegenüberstehen, dessen Rückennummer sein Geburtsjahr ist, also 1962. Er läuft mitunter noch für das Team auf, was in der Kreisliga C spielt. Mit fast 62 Jahren.

Kranzkowski ist vor 21 Jahren der Liebe und des Berufs wegen nach Hagen gezogen und schloss sich kurz darauf dem Roten Stern an, als er damals einen Flyer mit der Suche nach Spielern sah. „Es war wie ein Weckruf, ich hatte vorher ein paar Jahre lang keinen Fußball mehr gespielt“, erzählt er. Eigentlich stammt er aus dem Kreis Celle in Niedersachsen, aus Südheide. Der TuS Unterlüß war sein erster Klub, bei dem er kickte, nachdem er bis zur B-Jugend gemeinsam mit Zwillingsbruder Stefan gespielt hatte.

Das Studium zog ihn nach Göttingen, in dessen Umkreis er zehn Jahre lang Fußball spielte, in der Kreisliga (im Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen entspricht sie der Bezirksliga). Dann ging es irgendwann nach Hagen, auf die unterste Ebene. Zu der Zeit war der Niedersachse bereits 40 Jahre alt.

Andreas Kranzkowski spielt mit 61 Jahren noch in der Herrenmannschaft des Roten Sterns Wehringhausen.
Andreas Kranzkowski spielt mit 61 Jahren noch in der Herrenmannschaft des Roten Sterns Wehringhausen. © Roter Stern Wehringhausen | Roter Stern Wehringhausen

Früher waren noch mehr Spieler über 40 Jahre

Er sah sich die letzten Spiele der Saison 2002/2003 an, als Wehringhausen in der Kreisliga B spielte, aber dann abstieg. Danach hörten viele Spieler des Roten Sterns auf und wurden Teil des sich damals neu gegründeten FC Polonia Hagen. Die Überlegung, sich einer Altherren-Mannschaft anzuschließen hatte Kranzkowski nie. Er fühlte sich fit. Beim Roten Stern gab es auch nur die Herrenmannschaft.

Also ging es los. Zu Beginn standen noch ein paar mehr Spieler in der Kreisliga auf dem Feld, die 40 Jahre oder älter waren. „Ich erinnere mich noch an tolle Fights gegen Fortuna Hagen. Aber das gibt es heute nicht mehr“, merkt der Rentner, der sagt: „Es macht mich glücklich, dass ich hier groß geworden und hängen geblieben bin. Ich spüre die Verbundenheit zum Verein. Das ist leider heutzutage auch nicht mehr so bei vielen jungen Fußballern. Sie wechseln häufiger.“

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Junge Gegenspieler denken in der Regel, dass Kranzkowski leichter zu bespielen ist. Er spielt als Libero oder auch mal auf der Sechs, um die Übersicht zu haben. Weiter vorne ist er nicht mehr zu finden. „Da können sich die Jungen austoben“, sagt er lachend. Zu den Zweikämpfen sagt er: „Ich muss ja nicht in Laufduelle mit Stürmern gehen. Ich blocke sie oder ihre Schüsse dann eher ab und drehe mich nicht weg.“ Er fügt mit einem Lachen an: „Der ein oder andere wird sich bestimmt schon mal gewundert haben.“ Er habe das Gefühl, dass seine Gegenspieler bei ihm teilweise körperlich nicht zu hart einsteigen. Ihm sei es wichtig, nicht aufgrund seiner Erfahrung den Chef auf dem Platz zu spielen oder besonders behandelt zu werden. Er ist kein Kapitän, selbst wenn er das Spiel mitlenkt.

Auch als Schiedsrichter springt Kranzkowski ein

Der sehr Erfahrene ist doppelt oder gar dreifach so alt wie manche Gegenspieler. Sätze wie „Respekt, dass du das immer noch machst“ fallen nach Abpfiff manchmal. Und dass Kranzkowski schon über 60 ist, vermuten dabei auch nicht viele. Es gibt außerdem nicht viele Schiedsrichter, die älter sind als er. Wenn mal keiner da ist, erklärt er sich sogar bereit, die Spielleitung zu übernehmen – und nimmt seine Sache ernst. Er verteilt auch Karten und Elfmeter gegen seine Teamkameraden. Er möchte ohnehin der Mannschaft sportliche Werte vermitteln und junge Spieler auf ihrem Weg begleiten.

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Es sind mittlerweile nicht mehr ganz so viele Einsätze, bei denen Kranzkowski dabei ist. Doch er steht immer gerne bereit. Er spielt nun selten über die vollen 90 Minuten. Eher eine Halbzeit oder noch weniger. Diese Saison kam er auf zehn Spiele. „Gelegentlich fordere ich ein, dass ich einen Einsatz bekomme“, sagt er mit einem Zwinkern. Vor einem Jahr gab es nicht genug Leute, also spielte er fast immer. Beim Training ist er fleißig. Er leitete dieses auch mal in den vergangenen Jahren übergangsweise, wenn es keinen Trainer gab. Er übernimmt Verantwortung, möchte aber nicht bestimmen und Trainer sein oder werden. Ans Aufhören denkt er zudem noch nicht. In der Kabine hält er sich bewusst zurück, Ansprachen seien nicht sein Ding.

Viel Anerkennung innerhalb des Vereins und Vorstands

Mike Spenner, der bis zuletzt acht Jahre lang Vorsitzender des Roten Sterns war und zuvor schon dem Vorstand angehörte, schätzt den Einsatz von seinem Kollegen sehr: „Das ist natürlich großartig. Mit ihm haben wir wirklich einen der letzten verbleibenden Alteingesessenen. Er fungiert als Bindeglied zwischen der Mannschaft und den Älteren.“ Der Ex-Vorsitzende spürt bestimmte Erwartungen, die Kranzkowski hat. Gleichzeitig spürt er den Respekt der Spieler ihm gegenüber. Spenner war selbst vor 20 Jahren zum Fußball in Wehringhausen gelangt und spielte in der Vorsaison noch mal mit, mit 47 Jahren. Doch die Belastung schlug zu stark auf seine Kniegelenke.

Wandern und Radfahren neben dem Fußball

Im Gegensatz zu einigen Mannschaftskameraden absolviert Andreas Kranzkowski neben dem Training mit dem Ball rund um den Sportplatz Waldlust viele längere Ausdauereinheiten. Ohnehin fordern er seinen Körper in gewissem Maße neben dem Fußball. Er geht seit über 40 Jahren wandern und hat das Radfahren für sich entdeckt. Fünfmal hat er bereits mit Freunden die Alpen per Rad überquert.

Vor 20 Jahren probierte er sich sogar mal beim Wildwasser-Kajak. Nach seiner Hüft-Operation stieg er mit Laufen ein. Seine damalige Partnerin war Marathonläuferin und so lief auch er mal einen Halbmarathon. Ende Juni nimmt er am 50-Kilometer langen Mammutmarsch in Essen teil.

Er bewundert Kranzkwoski ein Stück weit dafür, dass dieser im Gegensatz zu vielen immer in Bewegung bleibt und somit noch fit ist. Dazu muss man wissen: Vor 17 Jahren bekam der Routinier eine Hüftprothese und wusste erst nicht, wie es weitergehen kann. Nach neun Monaten Pause konnte er wieder vor den Ball treten. Kürzlich hat Milos Tuba das Amt des Vorsitzenden von Spenner übernommen. Als Kassenwart sitzt im Vorstand zudem: Andreas Kranzkowski. Das Engagement der Nummer 62 geht also weit über den Platz hinaus.