Hagen. 2142 Kilometer radelt Michael Schaake insgesamt und sieht dabei diverse Türme. Er lernt die Umgebung besser kennen als einige Anwohner
Was tun, wenn das sportliche Leben aktuell ebenso ruht wie das soziale? Vereinssport? Liegt still. Turnhallen? Sind geschlossen. Erlaubt ist nur Einzelsport an der frischen Luft. Und die Betonung liegt auf „Einzel.“ Um nicht in Frustration zu verfallen, braucht es ein Ziel. Und das setzt sich Michael Schaake immer wieder selbst.
Der Rentner schnappte sich schon während des ersten Lockdowns sein Rennrad und legte innerhalb von 28 Tagen 2186 Kilometer zurück. Mit einem festen Ziel: 28 Talsperren in 28 Tagen lautete sein Credo. Und im zweiten Lockdown mussten dann neue Ziele her. Und die fand Schaake: Er tauschte das Rennrad gegen das Mountainbike und die Talsperren gegen Türme. 35 Türme in der nahen und weiteren Umgebung besuchte er an 35 Tagen.
Nicht zu kleinlich sein
Den Beginn machte der Vincketurm bei der Hohensyburg und in dessen Nähe fand auch die letzte Tour statt. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, ebenfalls auf der Hohensyburg, war die letzte Etappe: „Genau genommen ist es vielleicht kein Turm, sondern ein Denkmal, aber ich glaube, das kann man auch durchgehen lassen“, möchte Schaake nicht zu penibel sein.
Die meisten Türme waren dabei gar nicht so leicht zu finden. „Der Großteil war schon im Wald oder auf Bergen versteckt. Das Rennrad ist deshalb auch die meiste Zeit zuhause geblieben“, musste Schaake auf seine alte Liebe, das Mountainbike, zurückgreifen. Das hatte im Frühjahr noch anders ausgesehen. „Da hab ich noch etwa Dreiviertel mir dem Rennrad erledigen können. Aber zu den Türmen sind die Straßen oftmals einfach nicht gut genug.“
Größere Vorbereitung notwendig
Und die Türme bereiteten ihm auch in der Vorbereitung eine größere Aufgabe. „Bei den Talsperren und Seen konnte ich einfach auf Google Maps gehen und nach blauen Flecken Ausschau halten. Das war relativ einfach. Jetzt musste schon mal ein wenig mehr Zeit investieren. Oft habe ich einfach bei Wikipedia geschaut, was es in den Städten so gibt.“ Was aber nicht immer hieß, dass er den Weg auch auf Anhieb fand. „Einmal war ich in Kierspe wirklich kurz davor einfach umzudrehen, weil im Wald einfach nichts mehr kam. Aber dann habe ich mir gesagt: die Kurve nimmst du noch mit. Und auf einmal stand da ein Turm. Die Neugierde hat sich also ausgezahlt“, erinnert er sich zufrieden zurück.
Bei der Suche nach den Türmen konnten zum Teil aber nicht mal die Anwohner helfen. „Wenn ich mal nicht weiter weiß, frage ich oft einfach die Leute, die dort wohnen“, verrät Schaake. Als er jedoch einen älteren Herren ansprach, welcher der schnellste Weg zum gesuchten Turm sein könnte, erhielt er eine klare Antwort: „Ich wohne hier seit Jahrzehnten und kann Ihnen versichern: Hier gibt es keinen Turm. Da müssen Sie sich vertan haben.“
Navigation mit dem Handy
Aber der Hagener Radfahrer wollte es nicht glauben. „Als ich dann ein wenig weiter gefahren bin, haben ich den Turm doch noch gefunden. Da merkt man mal, dass die Menschen gar keine Ahnung haben, was es eigentlich so um sie herum alles für schöne Sachen zu entdecken gibt.“
Und die Navigation am Handy führte ihn am Ende auch immer zum gewünschten Ziel. Wenn auch über Umwege: „Einige Türme kannte das Gerät noch nicht. Dann habe ich einfach den letzten Straßennamen eingegeben und bin von da aus in den Wald eingebogen. Vorher hab ich mir Pi mal Daumen angeschaut, wo es hingehen soll.“ Geklappt hat es immer.
Gefahren ist Schaake entweder alleine oder mit wechselnden Begleitern. Nur eine Konstante war immer mit dabei: Otto, seine Trinkflasche. Den Namen verdankt der treue Begleiter einem Mitfahrer von Schaake: „Als er dabei war, bin ich sowohl den Bismarckturm in Hattingen als auch in Wuppertal angefahren. Und mit Bezug auf Otto von Bismarck hat er dann meine Flasche getauft“, berichtet Schaake.
Ratespaß für Facebook-Freunde
Aber nicht nur seine Radfahr-Kollegen hatten ihren Spaß mit seiner erneuten Challenge. Wie schon bei den Talsperren ließ der Hagener über Facebook auch andere an seinen Touren teilhaben. „Ich habe schon im Frühjahr immer jeweils ein Bild von meiner Trinkflasche vor der jeweiligen Talsperre gemacht und darunter wurde fleißig geraten, wo ich hingefahren bin“, berichtet Schaake, der dieses Mal aber Tipps geben musste: „Bei den Türmen musste ich doch mindestens den Hinweis geben, in welcher Stadt ich unterwegs war. Die sehen sich dann doch zu ähnlich, gerade wenn sie im Wald stehen und drumherum keine Anhaltspunkte sind.“
Mit wenigen Tipps konnte das Ratespiel dann aber vorangehen. „Einer schrieb mir schon, dass es schade sei, dass es nun vorbei ist“, verrät Schaake, der allerdings auch ergänzt: „Bei den doch zum Teil sehr kalten Temperaturen kann man auch einfach nur noch die Türme hier in der Umgebung anfahren. Stundenlang möchte man dann ja auch nicht auf dem Rad sitzen. Das geht im Sommer oder Frühjahr besser.“ Ein klarer Vorteil war sein Rentner-Dasein: „Würde ich noch arbeiten, hätte ich zudem mit der frühen Dunkelheit zu kämpfen. Aber so konnte ich immer schön die Helligkeit ausnutzen. Allerdings zieht die Kälte einfach irgendwann wirklich durch den ganzen Körper. Nach zwei bis zweieinhalb Stunden war deshalb auch meistens Schluss.“
Viel los auf den bekannten Strecken
Dennoch ist er, wenn es das Wetter zulässt, noch jeden Tag auf dem Rad unterwegs. Und das nicht erst durch den Lockdown, sondern auch schon davor. Allerdings hat der passionierte Sportler gemerkt, dass sich etwas verändert hat im Vergleich zum Shutdown im Frühjahr: „Damals war noch spürbar weniger los auf den Radwegen. Inzwischen sind die gängigen und bekannten Strecken, wie etwa um den Hengsteysee, bei gutem Wetter eigentlich gar nicht mehr zu befahren.“
Und auch an der Mentalität hätte sich etwas geändert: „Gefühlt fand im Frühjahr eine totale Entschleunigung statt, während es jetzt doch wieder so wirkt, als wären die Menschen wieder viel gestresster.“ Auch deshalb hat er sich dieses Mal eher auf die abgelegenen Türme konzentriert: „Auf den Waldwegen ist einfach nicht so viel los. Da hat man noch mehr seine Ruhe. Wobei es durch E-Bikes auch auf den Waldstrecken immer voller wird.“ Ein Trend, den der Hagener gar nicht negativ bewerten möchte. Dass sich mehr Leute für den Radsport begeistern, findet er durchaus positiv.
Hoffnung auf Wettkämpfe
Vor allem hofft er aber, bald wieder bei Wettkämpfen aktiv werden zu können. „Ich hoffe auch, dass im kommenden Jahr wieder Rennen stattfinden können“, blickt Schaake auf 2021. Für dieses Jahr war eine Teilnahme beim Giro delle Dolomiti und Bonn-Eupen-Bonn geplant. Beides musste abgesagt werden.
So entstanden auch erst seine Ideen mit den Talsperren und den Türmen: „Man muss sich ja etwas einfallen lassen.“ Denn mit dem Ende jeder Challenge blickt der Sportler schon darauf, was er als nächstes angehen könnte: „So richtig sind mir die Ideen noch nicht gekommen. Im Winter kann man wie schon erwähnt nicht mehr die großen Strecken angehen. Es sollte also schon etwas sein, was hier in der Umgebung machbar ist. Ich bin da für Ideen und Hinweise auch sehr dankbar“, so Schaake, der allerdings schon wieder erste Pläne ausgetüftelt hat: „Vielleicht schaue ich mir mal an, was die Städte im Umkreis hier für Sehenswürdigkeiten zu bieten haben.“ Eines ist sicher: Egal, wie lange der Lockdown noch dauern wird, an Ideen und Motivation wird es Sportlern wie Michael Schaake auch auf Dauer sicherlich nicht mangeln.