Wetter.. Diakon Erich Reinke aus Wetter spricht über das Verhältnis von Sport und Religion, seine Fan-Leidenschaft und den Fußballgott.

Wieviel verbindet Sport und Religion? Welche Gemeinsamkeiten haben ein Gottesdienst und eine Fußball-Partie? Eine ganze Menge, sagt Diakon Erich Reinke aus Wengern. Zu Beginn dieses Interviews hat er noch gefragt: „Bin ich der richtige Gesprächspartner für dieses Thema?“ Und ob er das ist. 16 Jahre lang hat er als Diakon viel bewegt in Wengern, bezeichnet die Evangelische Dorfkirche noch immer als „seine Kirche“. Von den neuen Kollegen in Iserlohn bekam er einen Fußball geschenkt und auf seinem Trikot der Nationalmannschaft prangt sein Name auf der Rückseite. Er ist nicht nur selbst leidenschaftlicher Fan, sondern hat passend zum Weihnachtsfest jede Menge zu erzählen über die Zusammenhänge von Fußball, Religion und die Existenz des Fußballgottes.

Gibt es einen Fußballgott?

Erich Reinke: Manche Fans denken sich vermutlich, ja wo ist er denn? (lacht) Gerade wenn Schalke mal wieder nicht Meister wird. Aber das ist eine unglaublich schwierige Frage. Viele brennen richtig für ihren Verein. Ich denke es geht da in erster Linie um Gerechtigkeit. War das jetzt ein Foul oder nicht? Da spielt viel mit rein, ob gerechte Entscheidungen getroffen werden.

Sind sie selbst Fan?

Ja, ich weiß nicht ob das hier gut ankommt, aber ich bin seit 50 Jahren Fan von Bayern München und fahre mit meinem Sohn gerne zu Spielen. .Außerdem bin ich leidenschaftlicher Fan der Iserlohn Roosters. Gemeinsam mit Kölner Fans schauen wir uns gerne Eishockey-Spiele an, das ist genial. Obwohl wir für unterschiedliche Vereine sind, können wir gemeinsam Spaß haben. Das ist im Fußball manchmal leider anders.

Anhänger von Schalke 04 und Borussia Dortmund feiern vor Derbys gemeinsam Gottesdienst. Was halten Sie davon?

Das finde ich super. Es ist toll, dass sie in Gott trotz der Unterschiede eine gemeinsame Basis finden. Es gibt so viel Gewalt und Exzesse, ich kenne ältere Menschen, die zum Beispiel bei Derbys aus Angst nicht mehr ins Stadion gehen. Darum ist es wichtig, wenn es solche Signale gibt. Allerdings kann man nicht für einen Sieg beten, nach dem Motto Gott wird’s schon richten. Auf dem Platz passiert eine ganze Menge, da gibt es auch unglaublich viel Enttäuschung. Da ist es wichtig, fair und offen miteinander umzugehen.

Verstehen Sie, dass manche Fans den Sport überhöhen?

Das gibt es in der Kirche ja auch, Fromme, die nicht nach links oder rechts gucken. Und so ist das auch bei Fans, manche sehen nichts außer dem eigenen Verein. Ich finde es generell schwierig, wenn Menschen keine Weite haben. Aber Sport lebt auch von Menschen, die sich dafür begeistern. Was in der Halle in Oberwengern bei Handball-Spielen zum Beispiel abgeht, ist ein Traum. Da zeigen sowohl die Spieler als auch die Zuschauer so viel Leidenschaft und gehen seit Jahren treu zu den Partien, das bewundere ich.

Gibt es Parralleln zwischen einem Stadionbesuch und einem Gottesdienst?

Ja, ein ganze Menge. Auf der Bühne wird vor der Partie die Hymne gesungen, das hat etwas von einer Eingangs-Liturgie. Überhaupt das gemeinsame Singen ist bei beiden ein wichtiges Element. Mit einem Segen werden die Gläubigen im Gottesdienst verabschiedet, die Fans werden von den Fußballern abgeklatscht. Die grandiose Stimmung beim Spiel, das Gefühl gemeinsam für etwas einstehen und miteinander etwas erreichen zu wollen, ist wunderschön. So ein Spiel ist insgesamt ein Happening, ein Feeling, das gemeinsam erlebt wird. Das versuchen wir auch in der Jugendarbeit zu vermitteln.

Welche Werte sehen Sie im Fußball verkörpert, die auch im christlichen Glauben eine Rolle spielen?

Der christliche Glaube ist von Nächstenliebe geprägt. Und auch im Fußball geht es darum, seinen Nächsten zu sehen und fair miteinander umzugehen. Viele Vereine sind wie Familien, da kümmert man sich um seine Leute. Das sieht man auch am Beispiel Uli Hoeneß. Er hat sich immer viel um andere gekümmert. Auch beim BVB und bei Schalke ist es sehr familiär. Es geht bei Religion und im Sport darum, gemeinsam unterwegs zu sein, miteinander ein Ziel zu erreichen. Womit ich mich schwer tue: Gewaltbereite Hooligans. Aber es gibt auch religiös motivierte Attentäter, die sich um nichts scheren.

Viele Spieler bekreuzigen sich vor dem Spiel oder zeigen nach einem Tor mit dem Finger Richtung Himmel. Ist das kitschig oder steckt tatsächlich etwas hinter?

Ja das sieht man tatsächlich oft. Man weiß aber nicht, aus welcher Motivation heraus die Spieler das machen. Ich zum Beispiel bete vor jedem Essen, egal wo ich bin. Aber aus einer inneren Haltung heraus. Ich finde es wichtig, so etwas nicht zu machen, um eine Show abzuziehen. Wenn das ein Sportler macht, weil er nach außen zu seinem Glauben steht, finde ich das geil und das hat auch Signalwirkung auf Jugendliche. Gerald Asamoah ist zum Beispiel Christ und hat uns schon bei der Jugendarbeit geholfen.

Was können Sportler wie Gerald Asamoah Jugendlichen vermitteln?

Solche Spieler sind sehr wertvoll, denn sie zeigen den Jugendlichen, dass auch Fußballer und Sportler ihren Glauben leben und dazu stehen. In Gesprächen vermitteln sie dann, wie sie selbst mit ihrem Glauben umgehen, warum sie nicht abheben und das ein von Gott geprägtes Leben auch faszinierend ist. Sie können den jungen Menschen außerdem zeigen, wie man mit Siegen und Niederlagen besser umgehen kann. Denn die Bibel ist voll von Geschichten, in denen Gott die Menschen auch durch Leid trägt.

Die Ablösesummen explodieren derzeit. Können Sie nachvollziehen, dass ein Mensch für mehr als 100 Millionen Euro transferiert wird?

Nein, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Das ist ein Thema, das bei uns in der Familie schon länger intensiv diskutiert wird. Ist ein einzelner Mensch soviel Geld wert? Ich glaube nicht. Ich will diese Entwicklung und die immer teureren Angebote im Fernsehen eigentlich nicht mehr unterstützen, aber so ganz verzichten kann ich auch noch nicht.