Gelsenkirchen. „Lang ist’s her.“ Mit diesen Worten beginnt Witold Ruta seine Erzählungen, wenn er in Erinnerungen an „seinen“ Sportclub Gelsenkirchen 07 kramt.
Der gebürtige Pole ist einer der letzten von mehreren großen Spielern, die der hauptsächlich in Bismarck beheimatete Verein in den 77 Jahren seines Bestehens hervorgebracht hat. Er war ein Vollblutstürmer, ein echter Torjäger, der in engen Spielen oft den Unterschied ausgemacht hat.
Die Begeisterung, mit der der heute 71-Jährige dem runden Leder nachjagte, ist immer noch zu spüren. Wehmütig wird er jedoch, wenn er auf das Ende seines Klubs zurückblickt. „Es ist einfach nur traurig, dass es so traditionsreiche Vereine wie den Sportclub 07 und auch die STV Horst in Gelsenkirchen nicht mehr gibt“, sagt er. „Viele Vereine gehen über den Jordan, wenn kein Geldgeber mehr da ist.“
Ruta verließ den SC vor der Vereinsauflösung
So war es auch beim Sportclub Gelsenkirchen 07, der wegen seiner Vereinsfarben überall als „die gelbe Gefahr“ bekannt war. Auf die Einzelheiten, die im Jahre 1984 zur Auflösung führten, möchte Witold Ruta nicht eingehen, zumal er zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr im Verein war, weil er ein Jahr zuvor ein Angebot von BSG Großmarkt, dem Vorgängerklub von Union Gelsenkirchen, angenommen hatte.
Wie erzählt wird, hatten sich beim Sportclub 07 Verbindlichkeiten von etwa 120.000 DM angehäuft, die keiner bezahlen wollte - auch der inzwischen verstorbene Ernst Wellhausen nicht. Der bekannte Gastronom hatte den Klub jahrelang unterstützt, aber 1984 hatte auch er genug.
„Die finanziellen Ansprüche der Spieler waren immer größer geworden, doch es war kein Geld da“, soll Ernst Wellhausen erklärt haben. „Es war keine Substanz mehr im Verein, ich war allein auf weiter Flur. Nachdem wir lange Jahre auf relativ hohem Niveau gespielt hatten, hatte ich keine Lust, in der Kreisliga weiterzumachen. Da habe ich den Sportclub gleich ganz aufgelöst.“ Der letzte Weg war dann der Gang zum Amtsgericht Gelsenkirchen, um Konkurs anzumelden.
Matthias Herget spielte früher auch für Gelsenkirchen 07
An ein solches Ende hat Witold Ruta sicherlich nicht zu denken gewagt, als er mit 19 Jahren in die erste Mannschaft des SC Gelsenkirchen 07 aufgerückt ist und sich auf Anhieb einen Namen in der Fußball-Landesliga gemacht hat. Einer seiner Mitspieler damals: Matthias Herget, der in seinem letzten A-Junioren-Jahr innerhalb von Bismarck von Rot-Weiß Wacker zum Sportclub 07 gewechselt war und später zum Profi und Nationalspieler wurde.
Sein wohl bestes Jahr hatte Witold Ruta, der mit Karl-Heinz Grezcik ein gefürchtetes Sturmduo bildete, in der Saison 1975/76, als ihm 42 Tore in der Landesliga gelangen. Die höherklassigen Vereine in der Nachbarschaft wurden aufmerksam, auch der Bundesligist VfL Bochum, der ihn und Matthias Herget zum Probetraining einlud.
Beim Probetraining konnte Witold Ruta zumindest den Bochumer Trainer Heinz Höher nicht überzeugen. „Ihm gefiel wohl nicht, wie ich den Ball stoppte - mit dem Spann und nicht mit der Seite“, erzählt der gelernte Industriekaufmann, der im April 1952 in der Nähe Warschaus das Licht der Welt erblickte und im Alter von 28 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft annahm.
Herget wechselte für 35.000 Mark zum VfL Bochum
Für Matthias Hergetlief das Vorspielen in Bochum besser. Er wechselte für eine Ablösesumme von 35.000 DM und fünf Jahreskarten als Profi zum VfL, später spielte er auch noch für RW Essen und für Bayer 05 Uerdingen, wo er Deutscher Pokalsieger wurde und zum Nationalspieler aufstieg. Zum Abschluss seiner Karriere kehrte Matthias Herget in seine Heimatstadt zurück und spielte für den FC Schalke 04 - also ausgerechnet für jenen Klub, in dessen Trikot ihn sein bereits mit 49 Jahren an einer Staublunge verstorbener Vater Alfons als Jugendlicher nie hatte spielen sehen wollen.
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Witold Ruta blieb derweil beim Sportclub 07, machte nach dem Umbau der Sportanlage Trinenkamp den Umzug zur Glückauf-Kampfbahn mit und erzielte weiter fleißig seine Tore. In rund 600 Seniorenspielen netzte er für die Schwarz-Gelben etwa 300-mal ein. Immer mal gab es Versuche, ihn vom Sportclub 07 wegzulocken. „DJK Gütersloh und Arminia Bielefeld hatten großes Interesse an mir“, erzählt der bodenständige Witold Ruta. „Ich hätte mit meiner Familie nach Ostwestfalen umziehen müssen. Aber das wollte ich nicht, weil ich kurz zuvor geheiratet hatte.“
Mit dem Sportclub 07 ging es abwärts
Erst im Alter von 31 Jahren gab er dem Werben eines anderen Klubs nach. Mit dem Sportclub 07 ging es abwärts, und deshalb entschloss sich Witold Ruta zum Wechsel zum aufstrebenden Nachbarklub BSG Großmarkt, der auch dank seiner Treffer von der Kreisliga B in die Bezirksliga durchmarschierte. „Wir haben auf der Alma-Kippe gespielt“, wie er sich gerne erinnert. Ein Jahr in der Bezirksliga machte er noch mit, bevor er mit 35 Jahren die aktive Karriere im Liga-Betrieb beendete.
Danach kickte er noch bis zu seinem 50. Lebensjahr für die Alten Herren von Westfalia 04. Auch das tat er mit großem Vergnügen, aber seine große fußballerische Liebe blieb: der vor fast vier Jahrzehnten aufgelöste Sportclub Gelsenkirchen 07.