Ennepetal/Oldenburg. Nach 18 Jahren im Profigeschäft und diversen Auf- und Abstiegen verändert sich das Leben des Ennepetaler Fußballers nun vollständig.

18 Jahre lang hat sich Marcel Appiah voll und ganz dem Fußball verschrieben. Aus einem Hobby, das er sehr gut beherrscht, war zuvor eine Berufung geworden, die den gebürtigen Ennepetaler in den vergangenen zwei Jahrzehnten um die halbe Welt gebracht hat. Aufstiege, Enttäuschungen wie Abstiege, Verletzungen und zuletzt die Neuausrichtung des eigenen Lebens: Für den 36-jährigen Appiah beginnt mit dem Ende seiner Laufbahn als professioneller Fußballer ein neuer Abschnitt. Im Interview sprich der Verteidiger über sein Karriereende, den Wechsel ins Berufsleben und seine Zeit als Profi.

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Das letzte Spiel der Regionalliga-Saison mit dem VfB Oldenburg liegt jetzt zwei Wochen zurück, die Bilder und Emotionen dürften aber noch ziemlich präsent sein, schließlich war es Ihr letztes Spiel. Wie haben Sie dieses Spiel erlebt?

Marcel Appiah: Es war wirklich sehr emotional. Man hat das zwar schon mehrmals bei anderen Spielern miterlebt, für einen selbst ist das aber immer sehr weit weg gewesen. Wenn man selbst diese Person ist, die ihren Abschied gibt, ist das etwas völlig anderes. Ich bin sehr glücklich darüber, wie alles gelaufen ist und vor allem, dass wir die letzten beiden Spiele gewinnen konnten. Dass ich dabei das Team auch noch als Kapitän auf das Feld führen durfte, bedeutet mir sehr viel. Ich glaube, dass ich gezeigt habe, das man auch mit 36 Jahren ein Ausrufezeichen setzen kann.

Erste Oberliga-Minuten sammelt Marcel Appiah bei der TSG Sprockhövel.
Erste Oberliga-Minuten sammelt Marcel Appiah bei der TSG Sprockhövel. © WAZ | Walter Fischer

Sie waren in dieser Saison vor allem nach dem Trainerwechsel nicht mehr erste Wahl, zudem haben Sie mit dem VfB Oldenburg den angestrebten Wiederaufstieg verpasst. Wie schwer war diese Saison für Sie?

Die Erwartungshaltung war in der Tat riesig, im Verein, im Umfeld und auch bei uns in der Mannschaft. Wir wollten wieder hoch, zumal wir ja in der dritten Liga nicht chancenlos waren und uns am Ende nur wenige Punkte gefehlt haben. Die Überzeugung und der Kader waren dafür ausgelegt, dass wir wieder aufsteigen. Leider hat es zu Saisonbeginn nicht so geklappt, wie wir uns das erhofft haben, aber das passiert im Fußball eben.

Ab Sommer wird der Fußball nicht mehr eine so präsente Rolle in ihrem Leben spielen, wie bisher. Ab wann begannen die Überlegungen bei Ihnen, die Karriere als Profi zu beenden?

Da gab es gar nicht diesen einen Moment. Ende des vergangenen Jahres bin ich mit einem Sponsor des VfB ins Gespräch gekommen, wir haben ganz unverbindlich gesprochen, wie es für mich nach der Karriere weitergehen könnte. Damals war ein Karriereende aber noch gar kein Thema für mich, schließlich bin ich als Stammspieler und Kapitän in die Saison gegangen und wollte mich auch unter dem neuen Trainer beweisen. Als Profi denkst du immer nur an das Hier und Jetzt, du bist voll im Prozess. Deshalb habe ich mein Studium ja auch noch nicht abgeschlossen. Irgendwann wird dir aber trotzdem dein Alter bewusst und das Ende absehbar. Darauf wollte ich vorbereitet sein und ich bin sehr glücklich, dass ich jetzt einen solchen Arbeitgeber gefunden habe.

Düsseldorfs Andreas Lambertz bringt den jungen Marcel Appiah zu Fall.
Düsseldorfs Andreas Lambertz bringt den jungen Marcel Appiah zu Fall. © imago sportfotodienst | imago sportfotodienst

18 Jahre vom Fußball gelebt

1994 begann die Karriere von Marcel Appiah in der Jugend des TuS Ennepetal. Fünf Jahre lang lief er im Bremenstadion auf, ehe er von 1999 bis 2004 im Nachwuchs des FC Schalke 04 spielte. Anschließend spielte er in der Jugend für die TSG Sprockhövel, den VfL Bochum und die SG Wattenscheid.

2007 ging es zurück nach Sprockhövel, wo Appiah seine ersten Einsätze in der Oberliga absolvierte. Es folgte ein Wechsel zu Arminia Bielefeld, wo der Ennepetaler erst mit der zweiten Mannschaft von der NRW-Liga in die Regionalliga aufstieg und im April 2010 sein Profidebüt in der zweiten Liga ab. 2013 gelang Appiah mit Bielefeld der erneute Aufstieg in die zweite Liga.

Nach dem dramatischen Abstieg 2014 in der Relegation gegen Darmstadt ging es für Appiah beim niederländischen Zweitligisten NEC Nijmegen weiter. Gleich im ersten Jahr gelang der Aufstieg in die Eredivise, in der er unter anderem gegen Ajax Amsterdam oder Feyernoord Rotterdam spielte.

2016 folgte der Wechsel zum VfL Osnabrück, ehe er 2019 zum neugegründeten Franchise Birmingham Legion in die USA ging. Nach einer Verletzung beendeten beide Seiten die Zusammenarbeit nach einem halben Jahr.

In Deutschland fand er beim VfR Aalen einen neuen Klub, ehe er 2021 nach Oldenburg wechselte und mit dem VfB in die dritte Liga aufsteigen konnte, aus der der Verein im folgenden Jahr wieder abstieg.

Wie geht es denn für Sie weiter?

Ich bin bereits beim Unternehmen Wema in Oldenburg tätig und soll dort an eine leitende Position herangeführt werden. Mir war wichtig, dass ich das, was ich im Fußball gelernt habe, auch katalysieren kann, deswegen wollte ich einen Job in der Wirtschaft. Während meiner Karriere hatte ich mit so vielen Menschen zu tun, ich habe Menschen mit vielen verschiedenen Biografien kennen- und schätzen gelernt. Mein neuer Job bietet mir ein breites Feld, in dem ich die Kenntnisse und Erfahrungen, die ich im Fußball sammeln durfte, perfekt umsetzen kann.

Wie sehr werden Sie den Profifußball vermissen?

Als jemand, der Ereignisse gerne auch mal Revue passieren lässt, ist das in der Tat nicht so einfach. Ich bin Mannschaftsstrukturen seit meiner Kindheit, seit den ersten Tagen beim TuS Ennepetal gewohnt. Fußball war immer das Gerüst, es gab immer ein Team. Dass das jetzt wegbricht, ist schwierig. Im Berufsleben gibt es zwar auch ähnliche Strukturen, aber der Fußball ist da schon anders. Das wird mir schon sehr fehlen, glaube ich, auch wenn es im Moment noch nicht so schlimm ist. Vielleicht spiele ich auch der Leidenschaft wegen weiter irgendwo, ich brauche das für meinen Kopf und meinen Körper. Aber eben nicht mehr beruflich, da liegt jetzt einfach eindeutig der Fokus drauf.

Der letzte Aufstieg in der langen Karriere von Marcel Appiah: 2022 steigt er mit Oldenburg in die dritte Liga auf.
Der letzte Aufstieg in der langen Karriere von Marcel Appiah: 2022 steigt er mit Oldenburg in die dritte Liga auf. © IMAGO/Fotostand | IMAGO/Fotostand / Weiland

Gibt es oder gab es denn Angebote von Vereinen?

Einige Vereine haben angefragt, es war ja auch kein Geheimnis, dass mein Vertrag ausläuft. Das hat mir natürlich geschmeichelt, aber es wird schwierig, sich da neu auszurichten und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das wirklich machen soll. Ich habe mir 18 Jahre lang das Privileg erarbeitet, Fußball als meinen Job bezeichnen zu können, jetzt habe ich andere Prioritäten. Da habe ich die Verpflichtung gegenüber meinem Arbeitgeber, professionell zu sein, präsent zu sein. Körperlich fühle ich mich schon noch in der Lage, aber irgendwann ist es auch eine Sinn-Frage. Ob es jetzt noch weitergeht, ist eine Kapazitätsfrage. Kann ich drei- oder viermal trainieren, kann ich weite Reisen zu Auswärtsspielen machen am Wochenende? Wenn ich etwas mache, dann richtig.

Wie schauen Sie auf ihre Karriere zurück? Gibt es Stationen, die Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben sind?

Oldenburg jetzt zuletzt war wirklich besonders, aber auch bei den anderen Vereinen habe ich viele tolle Menschen kennengelernt und durfte mit außergewöhnlichen Gruppen spielen. Bielefeld war schon eine besondere Station, auch weil es für mich das erste Mal weg von Daheim war. Da bin ich erwachsen geworden, letztlich war natürlich auch der Erfolg da. Und natürlich Nijmegen, das war etwas ganz anderes. Ein anderes Land, eine neue Sprache, die ich da gelernt habe und natürlich der Aufstieg in die erste Liga. Am Ende konnte ich aber von jeder Station etwas mitnehmen und habe sehr viele Freundschaften geschlossen, die auch heute noch halten.

Unerwähnt bleibt in dieser Aufzählung Ihre Zeit in den USA. Warum?

Das war auch eine Erfahrung, die sehr wertvoll war. Am Ende hat es aber einfach nicht gepasst, so ehrlich muss man sein. In den USA gibt es keinen Auf- und Abstieg wie bei uns, da fehlte mir ein wenig der sportliche Anreiz. Ich habe, auch bedingt durch eine Verletzung gleich zu Beginn, in den USA viel Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, wie meine weitere Zukunft aussehen könnte. Zu dieser Zeit hatte ich auch durch die Zeitverschiebung wenig Kontakt nach Deutschland gehabt, das hat es nicht einfacher gemacht für mich und hat in mir den Gedanken reifen lassen, dass ich nicht die nächsten Jahre in den USA verbringen möchte. Ich bin einfach gerne in der Heimat oder zumindest in Anbindung an die Heimat und konnte mir nicht vorstellen, für den Fußball über Jahre so weit weg davon zu sein.

Kurzes Abenteuer: Marcel Appiah beim US-amerikanischen Zweitligisten Birmingham Legion FC.
Kurzes Abenteuer: Marcel Appiah beim US-amerikanischen Zweitligisten Birmingham Legion FC. © Privat | Privat

Und wie war es sportlich in den USA?

Das hat eben auch einen Teil dazu beigetragen, dass ich dort wegwollte. Wäre es damals mit der Verletzung nicht so gelaufen, hätte es auch anders laufen können. Ich war halt da, um Fußball zu spielen und das konnte ich nicht.

Haben Sie denn auch mal mit dem Gedanken gespielt, wieder nach Ennepetal zurückzukommen?

Immer wieder einmal, zumal ich hier auch große Teile meiner freien Zeit verbracht habe. Einen konkreten Kontakt gab es aber nie.

Was wird Ihnen am meisten am Fußball fehlen?

Extrem viel, glaube ich. Vor allem aber, so viel Zeit mit den Jungs zu verbringen. Das Zusammenleben in einer Profimannschaft ist anders, als das beispielsweise im Beruf ist, du bist ständig in einem Zweckbündnis mit vielen Menschen, die dort sind, wo sie sind, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dafür bist du ganz eng beieinander. Vielleicht wird mir auch die lautstarke und emotionale Ansage der Trainer fehlen, vor allem aber sich täglich auf dem Platz mit anderen zu messen. Du arbeitest schließlich Woche für Woche darauf hin, am Wochenende deine beste Leistung abzurufen und das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, das habe ich immer geliebt.

Und was wird Ihnen nicht fehlen?

Die fehlende Verlässlich- und Verbindlichkeit. Ich war, egal wo ich auch war, nie der 1-A-Wunschspieler, habe mich aber immer durchgebissen, auch mal auf der Bank gesessen und meine Rolle akzeptiert. Am Ende habe ich aber immer viel gespielt, was ich weniger meinen Fähigkeiten als meinem Commitment, der Hingabe und meiner Mentalität zuschreibe. Letztlich ist dein Weiterkommen im Profifußball aber immer von anderen abhängig. Ich hoffe sehr, dass das in Zukunft anders ist in meinem neuen Job, dass die Fähigkeiten hier mehr im Vordergrund stehen.