Schwelm. MMA ist eine der brutalsten Sportarten der Welt. WP-Mitarbeiter Lukas Brechtefeld testet diese beim Judoclub Samurai – und zählt blaue Flecke.
Meine Armbeuge drückt immer fester auf die verschwitzte Kehle meines Trainingspartners. Während ich hinter ihm sitze, ziehe ich meinen Griff immer enger und klemme ihm die Luft ab. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, ich muss immer mehr Kraft aufwenden, immer fester würgen. Doch mein Gegner gibt kein Anzeichen, aufgeben zu wollen. Es kann doch gerade nicht wirklich sein, dass ich einem anderen Menschen mit voller Kraft die Luft abdrücke, denke ich mir. Dann klopft er endlich ab und ich löse meinen Griff. Für meinen Trainingspartner eine ganz normale Situation in seinem Sport: Mixed Martial Arts – einem der härtesten Kampfsportarten überhaupt.
Einen kurzen Augenblick frage ich mich, was ich hier gerade eigentlich gemacht habe – wie so oft, als ich zum ersten Mal in meinem Leben Mixed Martial Arts, kurz MMA, beim Judoclub Samurai Schwelm-Ennepetal ausprobiere. Würgen ist ein fester Bestandteil, genauso gehören Schläge und Tritte dazu – eigentlich ist fast alles erlaubt. Es soll, das habe ich in einem Video im Internet erfahren, eine der brutalsten Sportarten der Welt sein, die sich aus Elementen verschiedener Kampfsportarten wie Boxen, Ringen oder Karate bedient. Ich gehe auf dem Hinweg fest davon aus, dass mich Testosteron-Monster vermöbeln werden. Vielleicht ist es keine gute Idee, ein weißes T-Shirt anzuziehen, denke ich mir kurz. Aber: Noch nie sind meine Erwartungen im positiven Sinne mehr von der Realität abgewichen als beim MMA. Doch dazu später mehr.
Ohne Körperkontakt geht es nicht
Erst einmal ist Action in der Halle angesagt: Eine Sache, die mich den ganzen Abend über begleitet, ist intensiver Körperkontakt zu völlig fremden Menschen. „Man schwitzt und kommt sich wirklich nah. An den Geruch von den anderen habe ich mich mittlerweile gewöhnt“, sagt mir Laura Gehrisch, die schon länger mittrainiert. Für mich ist das alles noch völlig ungewohnt und ich fremdle damit anfangs noch.
Als wir am Ende frei auf dem Boden kämpfen, ist mir der Körperkontakt nicht mehr so unangenehm. „Versuch einfach, deine Position zu halten“, gibt mir der MMA-Trainer Daniele Lo Giudice als Tipp mit auf den Weg. Gesagt, aber nicht getan! Wirklich wehren kann ich mich nicht, egal gegen wen ich kämpfe. Mal versuche ich verzweifelt meinen Gegner mit den Armen von mir wegzudrücken. Mal drehe ich mich auf dem Boden hin und her, während ich im Klammergriff festhänge. Doch egal was ich tue – es bringt nichts. Es ist ein klein wenig so, als wäre ich vier Jahre alt und würde mich mit einem Erwachsenen anlegen. Ich bin chancenlos.
Ein Geben und Nehmen
Bis mir gesagt wird, dass ich mich einfach an meinen Gegner klammern soll. Ich liege also auf dem Rücken und umarme mit Beinen und Armen meinen Kontrahenten, so fest ich kann. Ich drücke ihn mit aller Kraft an mich, und ein paar Sekunden kann ich so mal dagegen halten.
Der Bodenkampf am Ende war das Highlight des Tages. Für mich als Fußballer quasi das Abschlussspiel am Ende des Trainings. Es macht viel Spaß, auch wenn ich mich kaum wehren kann. Doch auch die anderen Übungen haben mir eine neue Welt eröffnet. Als wir Wurftechniken üben, weiß ich überhaupt nicht, was ich tun soll. Also zeigt mir mein Trainingspartner, wie ich ihn zu Boden bringen und dort dann weiter bekämpfen soll. Er gibt mir quasi eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit welcher Technik ich ihn fertigmachen kann – zugegeben ein wenig überspitzt formuliert. „Es ist ein Geben und Nehmen. Wir wollen, dass unser Trainingspartner Spaß hat und besser wird“, sagt mir Florian Krause, mit dem ich am Abend immer wieder kämpfe und Übungen absolviere.
Nach ein paar Versuchen gelingt es mir und ich werfe meinen Trainingspartner zu Boden. „Drück mich mit dem Knie auf der Brust runter“, fordert er mich auf. Ich zögere, weil ich Angst habe, ihn zu verletzen, wenn ich mein Gewicht auf seine Rippen drücke. Trotzdem drücke ich ihn mit meinem Knie nach unten. Dann täusche ich einen Schlag gegen sein Gesicht an – so wie es vorher erklärt wurde.
Und spätestens da wird mir klar, wo ich gelandet bin. Das ist kein Haufen von gemeinen Schlägern, die sich gegenseitig verprügeln. Es ist alles ein Miteinander, keiner möchte dem anderen wehtun. „Es ist wie tanzen“, erzählt mir Florian Krause hinterher. So kann man sich täuschen – und zwar gewaltig. Das sind hier alles keine Flegel, die mir die Nase blutig hauen wollen und die auf Gewalt stehen.
Für einen weiteren Teil des Trainings schlüpfe ich in Boxhandschuhe. Zum Reinkommen schlagen wir gegen Medizinbälle. Dann wird es komplexer und es gibt ganze Schlagabfolgen mit dem Trainingspartner. Zwei gerade Schläge, zwei von der Seite, zwei von unten. Als letztes kommen auch Tritte dazu. Den geraden Tritt nach vorne bekomme ich ohne Probleme hin. Beim sogenannten Reserve-Kick stoße ich allerdings an meine Grenzen. Aus der Drehung soll ich die Boxhandschuhe meines Partners treten. Doch ich treffe mal die Luft, mal das Bein – das Ziel dagegen so gut wie nie.
Dass beim ersten Mal nicht alles hinhaut, ist aber normal. Und schlecht habe ich mich auch nicht angestellt, wird mir zumindest gesagt. Ich werde auf jeden Fall wieder kommen – auch wenn ich am nächsten Tag sechs blaue Flecken bei mir zählen konnte.