Gevelsberg/Düsseldorf. Ungewohnt spät wurde der Gevelsberger Tim Oberdorf mit Mitte 20 noch zum Fußball-Profi. Wir haben mit ihm im XL-Interview darüber gesprochen.
Ziemlich genau 15 Monate lang darf sich Tim Oberdorf inzwischen Fußballprofi nennen. Der 26-Jährige aus Gevelsberg, Ex-Spieler der TSG Sprockhövel, hat sich in dieser Saison als Stammspieler beim Zweitligisten Fortuna Düsseldorf etabliert. Das Lehramtsstudium liegt auf Eis, der Fokus liegt nun ganz auf der – auch für Oberdorf selbst überraschend – ins Rollen gekommenen Fußballkarriere.
Am Wochenende musste der Innenverteidiger allerdings pausieren, ein Rippenbruch setzte ihn außer Gefecht. Der Bruder von Nationalspielerin Lena Oberdorf nahm sich daher Zeit für ein Gespräch mit unserer Redaktion über seine Ziele für die Zukunft, Karneval und Nachrichten an die Schwester.
Wie haben Sie als Westfale in Düsseldorf Karneval gefeiert?
Tim Oberdorf: Ehrlich gesagt gar nicht, ich bin tatsächlich in Westfalen geblieben. Natürlich weiß ich, was in der Stadt los war und bin mir bewusst, was der Karneval in Düsseldorf für eine Bedeutung hat. Aber da ich nicht ganz fit war, hat es sich für mich nicht angeboten, mich in die Menschenmenge zu begeben. Ich hoffe aber darauf, dass sich die Gelegenheit nächstes Jahr ergibt.
Sie sind nun etwas mehr als ein Jahr lang Fußballprofi, nachdem Sie vorher als Lehramtsstudent sozusagen nebenbei in der zweiten Mannschaft der Fortuna gespielt haben. Wie schnell ist die Umstellung im Kopf geglückt?
Der Wechsel vom Studenten zum Profi ist auf jeden Fall angenehmer als umgekehrt. Nicht, weil ich keine Lust auf das Lehramt hätte. Aber so konnte ich den Sport, der schon mein ganzes Leben mein liebstes Hobby war, zu meinem Beruf machen. Das war eine dankbare Umstellung. Natürlich ist jetzt alles viel größer als ich es vorher gewohnt war. Aber das Trainerteam hat es mir von Anfang an leicht gemacht, ich habe schnell reingefunden.
Volle Bundesliga-Stadien als Motivation
Inzwischen sind Sie Stammspieler in der 2. Bundesliga. Hätten Sie sich das vor anderthalb Jahren träumen lassen?
Nein. Ich war so weit davon weg, dass ich mir darüber gar keine Gedanken gemacht habe. Als ich dann reingerutscht bin, war das eine super Geschichte für mich und ich hatte viel Freude daran. Dass es dann eine so langfristige Sache wird, war nicht abzusehen. Allerdings steigt auch die Motivation: Wenn man in großen und vollen Stadien spielt, ist viel mehr Energie im Spiel und man will alles dafür tun, das öfter erleben zu dürfen.
Welchen Anteil hat Daniel Thioune an der Entwicklung, der jetzt seit einem Jahr ihr Trainer ist?
Der Trainer hat einen Riesenanteil. Wir arbeiten alle daran, uns ständig weiterzuentwickeln und er schaut sehr genau darauf, dass jeder an den Bereichen arbeitet, in denen er sich noch verbessern kann.
Welche sind das bei Ihnen?
Der Trainer hat nach der letzten Saison angesprochen, dass er bei mir gerade fußballerisch und im Spielaufbau noch Potenzial sieht. Ich glaube, in dem Bereich habe ich mich seitdem schon deutlich verbessert, aber es geht immer noch mehr. Das ist ja auch das Schöne am Fußball, dass es niemals Perfektion gibt, sondern man immer noch besser werden kann.
Ihr Vertrag in Düsseldorf läuft noch bis 2024. Gab es schon Gespräche über eine Verlängerung?
Noch keine konkreten, aber wir haben ja auch noch viel Zeit, eben weil der Vertrag über den Sommer hinaus läuft. Es gab bisher nur einen losen Austausch darüber, wie das Gefühl ist und für mich ist klar, dass ich mich bei der Fortuna wohlfühle. Es wäre für mich absolut denkbar, hier weiterzumachen.
„Ich hätte richtig Bock auf Bundesliga“
Wie sehen Ihre langfristigen Ziele aus? Sollen irgendwann auch Bundesliga-Einsätze in der Vita stehen?
Ich glaube, dass der Anspruch bei der Fortuna in den letzten Jahren immer der war, dass man so lange wie möglich um den Aufstieg mitspielen will. Wir tun derzeit gut daran, uns auf jedes Spiel einzeln zu fokussieren und nicht auf die Tabelle zu schauen. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Eins ist aber auch klar: Wenn alle über uns weiter wie bisher ihren Job machen, wird der Aufstieg für uns kein Thema mehr.
Aber wie ist es mit Ihnen persönlich? Gibt es da das Ziel Bundesliga im Hinterkopf?
Ich mache keine langfristigen Pläne, denn meine Erfahrung zeigt, dass es am Ende sowieso ganz anders kommt. Ich würde natürlich nicht nein sagen, wenn es irgendwann so kommt. Ich hätte richtig Bock auf die Bundesliga, aber als konkretes Ziel habe ich das für mich nicht formuliert.
Lesen Sie auch: Lukas Klostermann: „Ich habe mich sehr für Tim Oberdorf gefreut“
Ist der Plan für die Zeit nach der Karriere trotzdem weiterhin der Einstieg in den Lehrerberuf?
Ja, ich habe es schon einmal gesagt: Irgendwann muss ich ja mal was Normales arbeiten. (lacht) Und wenn ich nach der Fußballkarriere immer noch Bock habe, dann werde ich das Studium auf jeden Fall komplett fertigstellen und Lehrer werden.
Jetzt sind sie erstmal Profi. Ist Ihre Entwicklung eigentlich auch deshalb wichtig, weil Ihre beiden jüngeren Schwestern schon vorher in ihren Sportarten ein hohes Niveau erreicht haben? (Lena im Fußball, Julia im American Football). Muss man da als älterer Bruder nachziehen?
(lacht) Das ergibt Sinn, aber da habe ich so noch gar nicht drüber nachgedacht. Es gibt nicht wirklich einen Konkurrenzkampf innerhalb unserer Familie. Jeder macht sein Ding und wir freuen uns miteinander. Wir setzen uns nicht unter Druck. Aber natürlich gehört es dazu, sich zwischendurch mal den einen oder anderen Spruch zu drücken. Lena und ich machen das häufiger und schicken uns eine WhatsApp, wenn es sich anbietet. Aber das bleibt immer alles im Rahmen.
In Gevelsberg trifft man sich wieder
Sie sind auch mit Lukas Klostermann regelmäßig im Austausch. Wäre das nicht auch noch ein schönes Ziel, einmal gegen ihn zu spielen?
Das wäre definitiv eine coole Nummer! Wären wir nicht im DFB-Pokal gegen Nürnberg ausgeschieden, dann hätte es vielleicht sogar diese Saison so kommen können. Aber wir spielen ja beide hoffentlich noch ein paar Jahre weiter und vielleicht laufen wir uns dabei mal über den Weg. Wir schreiben uns regelmäßig, während der Saison ist es allerdings schwierig, sich zu sehen. Wenn wir beide freihaben, dann treffen wir uns auch gelegentlich in Gevelsberg.
Die Heimatverbundenheit ist bei allen Gevelsberger Sportlern recht groß, oder täuscht der Eindruck?
Nein, das stimmt schon. Wenn wir im Sommer oder Winter freihaben, dann sind wir auf jeden Fall in der Heimat. Und da wir alle Trainingspläne mitbekommen, die wir individuell umsetzen müssen, laufen wir uns dann meistens auch automatisch über den Weg (lacht).