Gevelsberg. In der Brust von Sascha Simec schlagen zwei (Handball)-Herzen: das deutsche und das kroatische. Träfen beide zur EM aufeinander, dann . . .
Wer Sascha Simec kennt, weiß ganz genau: In der Brust des Trainers der HSG Gevelsberg/Silschede schlagen zwei Herzen. Ein deutsches und ein kroatisches. Vor der heute beginnenden Handball-Europameisterschaft sprechen wir mit dem Gevelsberger Coach darüber, welcher Mannschaft er beim Turnier die Daumen drückt und einen ganz besonderen Aberglauben.
Herr Simec, Deutschland oder Kroatien? Für welches Team schlägt Ihr Herz bei der anstehenden Europameisterschaft?
Sascha Simec: Das ist für mich extrem schwer zu sagen. Ich bin zur einen Hälfte Deutscher und zur anderen Hälfte Kroate und so fühle ich mich auch. Wenn beide Mannschaften im Turnierverlauf aufeinander treffen, wäre ich aber wohl eher für Kroatien.
Warum?
Das kann ich so genau gar nicht erklären. Wirklich rationale Gründe habe ich dafür gar nicht. Es ist eher ein Gefühl, eine Emotion. In einem direkten Duell würde ich eher mit den Kroaten mitfiebern, das steht auf jeden Fall für mich fest.
Kein Wunder. Bei Spielen Ihrer HSG Gevelsberg tragen Sie immer ein Nationaltrikot Kroatiens unter Ihrem Vereinsshirt. Wie kommt das?
Wann genau das angefangen hat, kann ich nicht genau sagen. Ich glaube aber, dass ich zum Ende meiner Jugendzeit noch als aktiver Spieler damit angefangen habe. Meine Mitspieler hatten damals immer irgend ein Multifunktionsshirt unter dem Trikot, ich habe dann irgendwann damit angefangen und wir haben viele Spiele am Stück gewonnen. Seitdem habe ich immer das kroatische Trikot drunter, wenn wir Spieltag haben. Das ist so ein bisschen zur Gewohnheit geworden. Ein bisschen Aberglaube muss im Sport ja manchmal sein.
Schauen wir auf die bevorstehende EM: Welche Nationen zählen Sie in diesem Jahr zum Favoritenkreis?
Also wenn Dänemark so auftritt wie bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr, kann ich mir aktuell keine Mannschaft vorstellen, die dieses Team schlagen kann. Dänemark ist für mich der absolute Topfavorit aufgrund ihrer mannschaftlichen Geschlossenheit gepaart mit der hohen individuellen Klasse der Spieler. Das ist schon allerhöchstes Niveau. Dahinter kommen für mich dann die Franzosen und die Norweger. Beides auch Mannschaften, die sich in den letzten Jahren in den engeren Favoritenkreis gearbeitet haben und extrem gefährlich sind. Dazu kann ich mir vorstellen, dass Schweden bei der EM eine große Rolle spielen wird, allein aufgrund des Heimvorteils. Dazu kommen im erweiterten Kreis dann noch die Spanier.
Da war jetzt aber nichts von Deutschland oder Kroatien zu hören. Wie sehen Sie die Chancen für diese beiden Teams?
Deutschland würde ich ganz auch zum Favoritenkreis zählen, wenn sie nicht so viele Verletzte hätten. Die Mannschaft ist personell wirklich arg gebeutelt und muss ganz viele Ausfälle von Leistungsträgern verkraften. Für Deutschland wird es darum gehen, das Gruppenspiel gegen Spanien zu gewinnen. Ich denke, diese Partie wird darüber entscheiden, wie weit es für Deutschland in diesem Turnier geht. Die Zwischenrunde traue ich dem Team aber in jedem Fall zu. Aber für Deutschland gilt: Alles kann, nichts muss.
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Und für Kroatien?
Da habe ich ebenfalls von einigen Ausfällen von Leistungsträgern gehört. Denen geht es wohl ähnlich wie der deutschen Mannschaft. Wenn Kroatien einmal richtig heiß läuft, können sie jedes Team schlagen. Auf der anderen Seite hadern sie aber auch zu schnell, wenn es gegen schwache Gegner nicht sofort rund läuft und schwächen sich dadurch oft selbst. Kroatien ist eine Wundertüte, ich traue ihnen aber mit ihrer Qualität durchaus den Einzug ins Halbfinale zu. Mehr wird es aber vermutlich nicht.
Im Vorfeld der EM kam immer wieder die Diskussion nach der Überbelastung der Spieler auf. Gibt es einen Punkt, an dem Sie sagen: Da kann der Profisport noch etwas von den Amateuren lernen?
Auf jeden Fall! Wenn man sich allein die bisherige Saison anschaut, wird ganz schnell deutlich, dass es Strukturprobleme im Profibereich gibt und die Spieler mehr Pausen brauchen. Der THW Kiel zum Beispiel hat jetzt schon 14 Spiele mehr bestritten als andere Mannschaften in der Handball-Bundesliga. Der Profisport kann daher von den Amateuren auf jeden Fall lernen, die Taktung der Spiele etwas breiter zu fächern oder einfach weniger Spiele auf internationaler Ebene anzusetzen. An den Verletzungsproblemen in der deutschen und der kroatischen Nationalmannschaft wird das aktuell ja auch ganz deutlich.
Und umgekehrt: Wo kann der Amateursport noch etwas von den Profis lernen?
Auch ich als Trainer eines Amateurvereins gucke natürlich immer wieder zu den besten Mannschaften auf und gucke, welche Trainingsmethoden zum Kraftaufbau oder der Taktik dort angewendet werden. Da kann man sich auf jeden Fall noch einiges abschauen. Und natürlich auch im Bereich der Regeneration. Bei den Profis gilt einfach: Der Körper ist das Kapital. Es wird alles für die Fitness getan. Da können wir nur von lernen.
Zurück zum Geschehen in Gevelsberg: Haben Sie den emotionalen Derbysieg gegen Schwelm schon verarbeitet?
Klar, das muss mittlerweile als schöne Erinnerung abgehakt sein und muss uns die Zuversicht geben, in den restlichen Spielen der Saison Vollgas zu geben. Am Montag hatten wir Trainingsauftakt und die Mannschaft ist auch nach den Feiertagen in einer guten körperlichen Verfassung. Manche haben etwas im Fitnessstudio gearbeitet, das merkt man sofort. Bis zu unserem ersten Ligaspiel im neuen Jahr gegen den PSV Recklinghausen können wir uns jetzt in aller Ruhe vorbereiten.
Wo setzen Sie in der Trainingsarbeit jetzt den Hebel an?
Ganz klar im athletischen Bereich. Wir wollen die Jungs auf die Anstrengungen und Belastungen in der Restsaison vorbereiten, das wird hart genug.
Wie können Sie den Schwung aus dem Derbysieg gegen Schwelm in die restlichen Spiele mitnehmen?
Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass wir es können. Wenn wir die richtige Leidenschaft und Einsatzbereitschaft an den Tag legen, können wir jede Mannschaft in der Liga schlagen. Das hat uns das Spiel gezeigt. Als wir richtig heiß gelaufen sind, haben wir Schwelm buchstäblich überrollt. Diese Leistung müssen wir jede Woche abrufen, um weiter oben dran zu bleiben und im Endeffekt auch ein absolutes Spitzenteam zu sein. Wir haben viele junge Spieler dabei, daher haben wir auch noch Leistungsschwankungen drin. Aber auch unsere jüngeren Spieler haben gesehen: Wenn der Einsatz stimmt, können wir es schaffen. Das war ein wichtiger Schritt für unseren Entwicklungsprozess.