Gevelsberg. . Fünf Jahre sind die dramatischen Szenen am Spielfeldrand des Oberliga-Spiels der HSG Gevelsberg/Silschede her.
27 Minuten sind gespielt in der Gevelsberger Halle West, als Kevin Kliche an der Mittellinie auf den Ball wartet. Kurz zuvor hatte sein Team ein Gegentor kassiert, der Kreisläufer will wie gewohnt schnell umschalten, als er seinen Namen von der Bank hört – Kliche wundert sich, dreht sich um und setzt zum nächsten Sprint an. Dieses Mal geht es aber nicht um den Sport, es geht um viel mehr. Sein Trainer Hans-Peter Müller ist mit einem Herzinfarkt am Spielfeldrand zusammengebrochen, der Feuerwehrmann schaltet sofort – und rettet Müller in den folgenden Minuten das Leben.
Fünf Jahre isind die dramatischen Szenen nun her, die sich während des Oberliga-Spiels zwischen der HSG Gevelsberg/Silschede und Teutonia Riemke ereigneten. Damals, und das sagt Müller heute mit voller Bewunderung für die Taten von Kevin Kliche, habe sein Schützling ihm einen zweiten Geburtstag geschenkt. „Dafür werde ich ihm immer dankbar bleiben“, versichert der Gevelsberger Handballtrainer.
Ein Rad greift in das nächste
Müller erinnert sich, bis auf die Minuten in dem er das Bewusstsein verlor, noch ganz genau. „Eigentlich haben wir toll gespielt, 12:7 geführt“, lässt er Revue passieren. Auf einmal ist dem damaligen Gevelsberger Trainer übel, er bittet Betreuer Tom Voigtmann um einen Schluck Wasser. Doch diesen Schluck nimmt er nicht mehr zu sich, bevor er trinken kann sackt Müller zusammen und verliert das Bewusstsein. Wie lange er damals nicht ansprechbar ist, kann er nicht genau einschätzen – auch nicht, was in der Zwischenzeit passiert ist. Umso besser erinnert er sich an die Momente, nachdem wieder zu sich kommt. „Ich habe mich gewundert warum so viele Leute um mich herum stehen und habe dann gesagt, dass sie weg gehen sollen“, sagt Müller rückblickend. „Wir müssen hier ein Spiel gewinnen, hat er damals gesagt“, erinnert sich Kevin Kliche an die ersten Worte von Müller, als dieser wieder zu sich kommt.
Bleibende Schäden trägt er nicht davon, was vor allem an dem entschlossenen Eingreifen der Helfer überhaupt erst so zu Stande kam. Da das Spiel damals aufgezeichnet wurde, sind die dramatischen Minuten auch noch heute nachvollziehbar. „Ich habe eigentlich gedacht, dass ich vieles alleine gemacht habe, aber in dem Video sieht man dass da einige sehr gut zusammen gearbeitet haben“, sagt Kliche. Marcel Claus, ebenfalls Feuerwehrmann und als Zuschauer anwesend, fängt mit der Reanimation an, Michael Pasch, ebenfalls Zuschauer, unterstützt durch Beatmung. Parallel ist der damalige Jugendtrainer Didi Funke auf den Weg in den Raum des Hausmeisters, wo erst wenige Monate zuvor ein Defibrillator installiert wurde.
Die Wiederholung des Spiels ging damals in die Hose
Am heutigen Samstag kommt es zum Wiedersehen der HSG mit Teutonia Riemke. Anwurf in der Halle West ist um 19.15 Uhr.
Das Spiel am 11. Januar 2014 wurde nach dem Herzinfarkt von Müller beim Stand von 12:7 für die HSG sofort abgebrochen.
Das Wiederholungsspiel einen Monat später verloren die Gevelsberger dannmit 29:34.
Am Ende der Saison 13/14 reichte es dennoch zum Klassenerhalt, da die HSG im Frühjahr fünf Spiele ungeschlagen blieb (vier Siege, ein Remis).
In den folgenden Minuten funktioniert die Kooperation der einzelnen Personen reibungslos. „Der Arzt im Krankenhaus hat gesagt, dass bei der Rettung von zehn Punkten alle zehn richtig gemacht wurden“, sagt Hans-Peter Müller heute. Kliche bedient den Defibrillator, verpasst Müller einen elektrischen Schock und fängt an zu pumpen. Wenige Augenblicke später kommt der Handballtrainer wieder zu Bewusstsein.
Minuten später transportiert ein Krankenwagen Müller ins Klinikum nach Wuppertal, am selben Abend bekommt der damals 60-Jährige noch Stents gelegt. Er bleibt noch weitere vier Tage auf der Intensivstation. Die Ursachen für den Infarkt erfährt der Gevelsberger während dieses Klinikaufenthalts. „Der Arzt hat gesagt, dass das wohl weniger am Stress lag. Ich war damals einfach zu dick“, sagt Müller mit einem Lachen. Für ihn ist klar dass er wieder zurück an die Seitenlinie muss. „Es ging damals um den Klassenerhalt“, erinnert er sich. Bereits im Wiederholungsspiel am 13. Februar, dass die HSG mit 34:29 verliert, ist Müller wieder der Chef auf der Bank.
Heute macht Kliche Späße
„Alles im Leben zahlt sich irgendwann wieder aus“, sagt Müller heute. Seit Kliches 14. Lebensjahr trainierte er ihn, den damals noch sehr impulsiven Sprößling verteidigt er immer wieder gegen alle Vorurteile. „Es ist ein bisschen wie eine Vater-Sohn-Beziehung“, sagt Müller. Kliche pflichtet ihm bei, nennt das Verhältnis der beiden zueinander „sehr innig“ – und das ist es auch heute noch. Jedes Jahr lädt der Handballtrainer seinen Lebensretter zum Essen ein, nur im vergangenen Jahr kam dies aufgrund von Terminüberschneidungen nicht zu Stande. „Da habe ich noch eine Rechnung offen, die ich gerne begleichen werde“, sagt Müller.
Dann werden die beiden wieder über die Geschehnisse von damals reden und wahrscheinlich auch gemeinsam lachen. „Kevin macht heute Witze. Sowas wie ‘da habe ich dem Peter mal eben das Leben gerettet’ kommt dann“, sagt Müller. Er kann mit den Sprüchen von Kliche sehr gut leben – denn nur dank ihm kann er das heute noch. Es ist eine diese Verbindungen von Menschen, die durch den Sport begann. Und eine, die inzwischen weit über den Sport hinaus geht.