Ennepetal. Schmerzen, Zweifel und am Ende nur Glück: Unser Reporter Jonni Noack geht beim Laufevent „Rund um Ennepetal“ an seine Grenzen und auch darüber hinaus.
„Ich dachte, meine Beine sterben“, aber wie kommt das? Wer denkt, dass ein Marathon doch gar nicht soo schwierig sein kann und dieser für ihn eine Leichtigkeit wäre, der kann sich gerne mal an der größten Laufveranstaltung in Ennepetal probieren – einmal „Rund um Ennepetal.“
Die insgesamt 60 Kilometer lange Strecke findet in diesem Jahr zum 15. Mal statt und ich habe mir vorgenommen, die gesamte Strecke mitzuwandern. Mehrere hundert Läufer und Läuferinnen von jung bis alt nahmen an diesem Event teil. Darunter auch ich – ein 16-jähriger Junge, der sich ohne Training an den 60 Kilometern versucht. Scheiter ich oder ziehe ich die lange Strecke durch? Diese Frage beschäftigte mich schon weit im Voraus.
Schon die Startzeit ist außergewöhnlich
Als ich zwei Tage vorher die letzten Informationen bezüglich Startnummer und Treffpunkt erhielt, war ich zunächst geschockt. Treffpunkt um 5.30 Uhr – das bedeutet für mich Aufstehen um 4.15 Uhr. Ach du Schande! Startort war, wie auch schon im vergangenen Jahr am Sportplatz in Rüggeberg. So hieß es also am Sonntagmorgen für mich: Früh aufstehen, fertig machen, Rucksack packen und auf geht’s. Schließlich wollte ich ja heute noch ein paar Kilometer hinter mich bringen.
Als das Startsignal gegeben wurde, war es gerade einmal 6 Uhr. Endlich! Mit Blick auf den schönen Sonnenaufgang an diesem Sonntagmorgen startete ich auf die lange Strecke, die vor mir lag. Noch fühlte ich mich bestens und startete mit frischen und leichten Beinen – ich konnte mir zu dem Zeitpunkt noch nicht ausmalen, wie sehr sich diese Situation im Laufe des Tages verändern würde. Auf der ersten Etappe ging es über 16 km und 260 Höhenmeter. Ich dachte, ich muss nur laufen und nicht rauf und runter wandern -- aber das hängt doch sehr eng zusammen, wie ich lernen durfte. „Verdammt hat Ennepetal viele Berge“, habe ich mir nicht nur einmal gedacht.
Am Anfang fühlt sich alles so leicht an
Die ersten Kilometer liefen sich noch ganz angenehm, schließlich läuft man bei einem Städtetrip oder im Aktivurlaub auch nicht viel weniger, wenn überhaupt. Schmerzen im Fuß oder Bein hatte ich noch nicht. Das ließ mich zu dem Gedanken kommen, dass wenn das so bleiben würde, die restlichen Kilometer ja kein Problem sein können. Nur entsprechen Gedanken leider nicht immer der Realität. Ich Narr, ich wusste ja nicht, was da noch kommt. Die Überraschung ließ auch gar nicht mehr so lange auf sich warten.
Bereits 24 Kilometer waren es in der zweiten und dritten Etappe zusammen, sodass ich mit den 16 Kilometern der ersten Etappe schon fast die Distanz eines Marathonlaufs hinter mich gebracht hatte. So langsam half nicht mal mehr die Musik, die ich über meine Kopfhörer hörte. Ich merkte, dass meine Füße und Beine sich definitiv nicht mehr wie am Morgen anfühlten und jeder Schritt anstrengender wurde. Fast schon zur Qual. Die eine oder andere Pause auf einem Stein oder am Streckenrand herumliegenden Bäumen war einfach unausweichlich.
Langsam wird es qualvoller
Allerdings konnten sowohl die schöne Umgebung als auch die Getränke und Snacks an den Versorgungsstationen die Situation verbessern. So lief ich also – zugegeben immer langsamer, wie ich auf meinem Fitnessarmband nachvollziehen konnte – die Strecke schön im Takt zu motivierenden Liedern wie „Mr. Brightside“ weiter. Interpret: „The Killers.“ Wie passend.
Während meiner Wanderung traf ich immer wieder auf viele verschiedene Mitstreiter in völlig unterschiedlichem Alter. Auch bei der Ausrüstung gab es von dem Anfängerequipment bis zur höchst professionellen Ausrüstung alles. Mehr als einmal hörte ich Worte wie „Respekt, dass du junger Mann das durchziehst“. Stolz kann ich behaupten, dass ich der jüngste Teilnehmer war, der die ganzen 60 Kilometer mitgelaufen ist. Eine Motivation, die mich auf dem Weg auch immer wieder für kurze Zeit die Anstrengungen und Wehwehchen vergessen ließ.
Insgesamt gab es 343 Wanderer, 45 Walker und 53 Läufer, die entweder nur Teilstrecken gelaufen sind oder, wie ich, die ganze Route durchhielten. Meinen größten Respekt hatte und habe ich für den ältesten Teilnehmer, der mit stolzen 77 Jahren teilnahm. Dagegen war der Jüngste gerade mal ein Jahr alt, lief aber natürlich nicht selber, sondern wurde von seinem Vater getragen.
Der längste Schlussspurt meines Lebens
20 Kilometer noch. „Schlussspurt“ hörte sich da in meinem Kopf irgendwie falsch an, aber ja, die 20 Kilometer auf den Etappen vier und fünf waren eben das für mich. Nur, dass es kein Spurt war. Nun hieß es nochmal, alle Kraftreserven aus dem Körper zu holen und die einzelnen Kilometer hinter sich zu lassen. Auch wenn meine Beine immer schwerer wurden, die Haare nass vom Schweiß waren, war der Gedanke, ins Ziel zu kommen stärker. Jetzt aufgeben macht auch keinen Sinn mehr. Als es dann so weit war, und ich das Ziel erkennen konnte, ich meine Eltern und meine Schwester sah und realisierte, dass ich es wirklich geschafft habe, war da einfach nur noch Glück.
Ein tolles Erlebnis. Nicht nur das Ziel, auch die Reise dahin. Aber wann läuft man an einem Tag auch schon einmal 82.346 Schritte über 60 Kilometer und 1260 Höhenmeter? Ich jedenfalls brauche das nicht jedes Wochenende. Meine Beine werden es mir zukünftig danken.