EN-Südkreis/Düsseldorf. Tim Oberdorf startet - auch für ihn selbst überraschend - erstmals als Fußballprofi in eine Halbserie. Zum Start wird er von Corona ausgebremst.
Den ersten Profivertrag unterschreiben Fußballer in Deutschland für gewöhnlich mit 17, 18, spätestens 19 Jahren. Oftmals steht schon vor dem Schulabschluss die Entscheidung für den Versuch, mit dem Kicken Karriere zu machen. Nicht so bei Tim Oberdorf. Bevor der gebürtige Hagener, der früher für den TuS Ennepetal und die TSG Sprockhövel gespielt hat, seine Unterschrift unter den ersten Profivertrag setzte, war er bereits 25 Jahre alt und hatte ganz andere Karrierepläne. Das änderte sich am 1. Dezember 2021, als Zweitligist Fortuna Düsseldorf die Einigung mit Oberdorf verkündete. Nun startet er in seine erste Rückrunde als „vollwertiger“ Fußballprofi – wenngleich er zunächst noch ausgebremst wird, bevor er die Möglichkeit bekommt, so richtig durchzustarten.
Als Oberdorf wenige Tage nach seiner Vertragsunterschrift zum ersten Medientermin als Profi erschien, machte er keinen Hehl daraus, wie überraschend diese Situation für ihn ist. „Eigentlich gar nicht“, antwortete er auf die Frage, ob er mit dem Angebot eines Profivertrages gerechnet habe. Oberdorf führte aus: „Ich bin nicht in einem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet worden, sondern komme aus Sprockhövel. Deshalb war das auch alles nicht so ein großer Traum. Es war für mich soweit weg, ich mache das alles, weil ich Bock drauf habe.“
2019 der Wechsel aus Sprockhövel
Noch bis 2019 hatte Oberdorf für die TSG Sprockhövel gespielt, dann wechselte er in die Zweitvertretung von Fortuna Düsseldorf in die Regionalliga. Dort arbeitete er sich schnell hoch, in seiner zweiten Saison wurde er zum Kapitän des Teams. Immer wieder durfte er auch beim Zweitliga-Team mittrainieren. Zu Beginn der Saison 2021/22 gelang ihm dann endgültig der Aufstieg in die 2. Bundesliga, wo er am 14. August zu seinem ersten Kurzeinsatz kam.
Seitdem kamen acht weitere Einsätze hinzu, sechs Mal stand Oberdorf sogar in der Startelf der Fortuna, die ihren eigenen Ansprüchen in dieser Saison noch hinterherhinkt und mit einem Vorsprung von nur drei Zählern auf den Abstiegsrelegationsplatz überwinterte. Oberdorfs Leistungen konnten sich trotzdem sehen lassen und so wurde er kurz vor der Winterpause mit dem Profivertrag belohnt. „Er hat seine Chance beherzt genutzt und gezeigt, dass er in der zweiten Liga seinen Mann stehen kann“, sagte Ex-Sportvorstand Uwe Klein über den Innenverteidiger, der nun bis 2024 an die Fortuna gebunden ist.
Die Freude über den Profivertrag war auch bei Oberdorfs kleiner Schwester Lena groß, die in der Frauen-Bundesliga beim VfL Wolfsburg unter Vertrag steht und bereits seit 2019 A-Nationalspielerin ist. „Damit wird er belohnt für seinen Trainingsfleiß“, erklärte die 20-Jährige jüngst in einem Doppel-Interview zusammen mit ihrem Bruder für das Magazin „kicker“. Lena Oberdorf sagt darin über Tim: „Fußballzocken konnte er schon immer; er hat das Spiel verstanden, deshalb konnte ich mich an ihm ganz gut orientieren.“
Tim Oberdorf selbst betonte auch in diesem Interview erneut, dass er eigentlich ganz andere Pläne hatte als eine Profikarriere. Es habe nicht mehr viel gefehlt, um in den Lehrerberuf zu wechseln. „Ich habe mein Studium ja auch aus voller Überzeugung angefangen. Das war immer der erste Plan, als ich in der Oberliga gespielt habe oder später auch bei der Fortuna in der U 23“, betonte der Rechtsfuß. „Mit Fußball ist halt irgendwann Schluss, und ich werde den größten Teil meines Arbeitslebens etwas anderes machen. Dann ist es natürlich naheliegend, etwas anzustreben, das richtig Bock macht, das habe ich im Lehrerberuf gefunden.“ Zeitnah wolle er nun seine Bachelorarbeit fertigstellen, alle anderen Kurse habe er bereits absolviert, sagt Oberdorf.
Aktuell gibt es drei Konkurrenten
Vorerst wartet nun also eine Doppelbelastung auf ihn: das Studium beenden und gleichzeitig den Konkurrenzkampf in der Düsseldorfer Innenverteidigung annehmen. Derzeit gibt es dort drei Spieler, mit denen er um Einsatzzeiten konkurriert. Zum einen Andre Hoffmann, den erfahrensten Spieler im Quartett, den allerdings immer wieder Verletzungen zurückwarfen und der den Rückrundenstart verletzt verpassen wird. Zum anderen den Österreicher Christoph Klarer, in der Hinrunde der Abwehrchef, der keine Minute verpasste. Und den Rumänen Dragos Nedelcu, der in der bisherigen Saison sogar ein paar Minuten weniger auf dem Platz stand als Oberdorf. Allerdings sehen sich die Verantwortlichen auch noch nach einer weiteren Verstärkung für diese Position um.
Oberdorf in Isolation
Die Aussichten auf einen Startelfplatz zum Rückrundenauftakt am Samstag bei SV Werder Bremen wären für Oberdorf gut gewesen – gäbe es nicht Corona. Vor einer Woche fiel ein PCR-Test beim Fußballer aus dem Südkreis positiv aus. Er musste sich in Isolation begeben und ist daher für das erste Spiel des neuen Jahres kein Thema. Ein ärgerlicher Rückschlag für den Spätstarter Oberdorf. Doch, ob ihn das im Kampf um die Startelf wirklich zurückwirft? Die nächsten Wochen werden es zeigen. Oberdorf hat bereits bewiesen, dass er überraschen kann – manchmal sogar sich selbst.