Duisburg. Vier MSV-Trainer in einer Saison mit dem Prinzip „Versuch und Irrtum“. Die Taktikanalyse zum 2:2 der Zebras gegen Erzgebirge Aue.
Das ist Christoph Gebhard
Trainer Christoph Gebhard ist in der Amateur-Fußball-Szene als Taktikfuchs bekannt. Davon profitieren in erster Linie die A-Jugendfußballer von Viktoria Buchholz, mit denen der 46-Jährige in der vergangenen Saison in der Niederrheinliga an den Start gegangen ist. Gebhard ist zudem Fan des MSV Duisburg. Er verfolgt die Spiele der Zebras nicht nur mit Herzblut, sondern auch als Fachmann mit dem Blick auf das taktische Geschehen auf dem Platz. Für die Sportredaktion analysiert Christoph Gebhard die Spiele der Meidericher.
„Und täglich grüßt das Murmeltier“ oder „Geschichte wiederholt sich“: Vier Trainer haben sich am aktuellen Kader probiert. Jeder hat Experimente und Versuche durchgeführt und ist am Ende doch ungefähr zu den gleichen Erkenntnissen gekommen.
Am plakativsten kann man dieses „Try and Error“ an der Personalie Sebastian Mai festmachen. Als Innenverteidiger verpflichtet und aufgestellt, setzte ihn Torsten Ziegner mangels Wandstürmer irgendwann im Sturmzentrum ein. Engin Vural zog Mai wieder nach hinten. In seinem letzten siegreichen Spiel stellte er ihn dann doch wieder in den Sturm. Auch Boris Schommers wollte auf Mai in der Innenverteidigung nicht verzichten, erkannte dann aber doch: Mai hilft dem Kader vorne mehr. Und hätte sich der Kapitän nicht im Laufe der Saison schwer verletzt, wer weiß, wie Uwe Schubert mit dieser Personalie umgegangen wäre?
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In Sachen Spielidee und Taktik gab es ähnliche Parallelen. Was nicht funktionierte, war die „Vereinsformation“ 4-2-3-1 mit eher flügellastiger Ausrichtung und ohne kopfballstarken Zentrumsspieler. Gerade gegen tief stehende Gegner tat sich der MSV so schwer. Genauso wenig erfolgreich war es, aus dem laufenden Spiel in ein hohes Angriffspressing zu switchen. Es hagelte unter allen vier Trainern reihenweise Gegentore. Das war stets das gleiche, da es vorne an den Pressingabläufen und hinten an Qualität mangelte.
Ebenfalls zum Scheitern verurteilt war ein ballbesitz- und kurzpassfokussierter Ansatz mit Spielern wie Marvin Bakalorz und Niclas Stierlin im Mittelfeldzentrum. Dieser Grundgedanke funktionierte hingegen mit Jonas Michelbrink, Casper Jander und Santiago Castaneda. Vural hatte so seine letzten zwei Spiele bestritten und auch unter Schommers gab es mit dieser Anordnung immer wieder gute Ansätze im Ballbesitzspiel.
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Was ebenfalls gut funktionierte, war die Fünferkette mit tiefem, abwartendem und kompaktem Verteidigen und schnellem Umschalten über die Flügelräume. Das wurde schon von Engin Vural beim Spiel gegen Viktoria Köln trotz der Niederlage erfolgversprechend angestoßen. Boris Schommers verfeinerte diesen Ansatz dann im Frühjahr. Der MSV wirkte in dieser Saisonphase am stabilsten.
MSV Duisburg wirkte konkurrenzfähig
Uwe Schubert wählte nach der verheerend instabilen zweiten Halbzeit in Lübeck diesen Ansatz für das Heimspiel gegen Erzgebirge Aue. Taktisch war das 5-4-1/3-4-3 von Sonntag fast eine 1 zu 1-Kopie der starken Schommers-Heimspiele. Und wieder war es so, dass der MSV trotz der schwierigen Umstände konkurrenzfähig wirkte und gegen ein Spitzenteam mithalten konnte.
Als letzter Punkt sind Halbraumüberladungen zu nennen. In Lübeck war es Ahmet Engin, gegen Aue der aus dem Sturmzentrum zurückfallende Kolja Pusch, die so die Tore vorbereiteten. Auch unter Schommers gab es diese Muster schon.
Klassenerhalt wäre für MSV Duisburg nicht utopisch gewesen
Am Ende muss man sich einfach fragen: Wofür braucht man vier Trainer, wenn alle ihre eigenen Experimente machen und am Ende doch ungefähr zu den gleichen Schlüssen kommen? Wieviel wäre es wert gewesen, wenn man diese Erkenntnisse am Anfang der Saison gehabt hätte? Selbst mit diesem unrund wirkenden Kader wäre der Klassenerhalt keineswegs utopisch gewesen. Und mit einem Kader, der auf eine Spielidee zugeschnitten wäre, sogar noch viel mehr.
Es wird höchste Zeit, dass der MSV endlich aus den Fehlern lernt. Über eine Saison hinausgehende Konstanz in Sachen Spielidee, Kaderzusammenstellung und Trainerbesetzung sind das A und O im modernen Fußball. Holstein Kiel hat es jahrelang vorgemacht und steigt jetzt in die 1. Liga auf, während die Zebras sich in den Amateurfußball verabschieden. Es ist am Ende des Tages auch keine Frage von Budget und Potenzial. Denn vor sechs, sieben Jahren waren die Zebras diesbezüglich mit dem Storch noch auf Augenhöhe. Im Norden wurde einfach bessere Arbeit gemacht. Der MSV torkelte konzeptionell durch die Gegend und bekommt nun seine verdiente Quittung.