Hallenberg/Winterberg. Die 14-jährige Antonie Potthoff aus Hallenberg ist eines der Top-Talente in Deutschland. Für ihren Sport nimmt sie Strapazen in Kauf.
Ihr Wecker reißt sie nicht nur an diesen Tagen um Viertel vor Sechs aus dem Schlaf. „Aber diese sind schon besonders lang“, sagt Antonie Potthoff – und schmunzelt. An Tagen wie diesen, wenn ihr Weg sie aus Hallenberg nicht nur nach Winterberg, sondern auch nach Frankfurt führt, fällt sie etwa 16 Stunden später erschöpft wieder in ihr Bett. Verfolgt die junge Diskuswerferin im Fernseh-Gerät aber Wettbewerbe wie jenen vor wenigen Tagen bei der Europameisterschaft in Rom oder denkt sie an die bevorstehenden Olympischen Sommerspiele in Paris, erahnt die 14-Jährige, wie sich die Strapazen in der Zukunft auszahlen könnten. Auf Tuchfühlung mit den Stars der Szene war sie obendrein.
Zweiter Platz in Halle
Vor wenigen Wochen zum Beispiel startete die Sauerländerin bei den Werfertagen in Halle/Saale und erlebte dort unter anderem die aktuelle Weltranglisten-Zweite Feng Bin aus China. Auch die nationalen Top-Werferinnen um Marike Steinacker gehörten dem Teilnehmerfeld an. „Es ist natürlich cool, mit solchen Leuten in einem Wettkampf zu sein. Wenn man deren Technik sieht, das ist schon faszinierend“, schwärmt Potthoff, die in der weiblichen Jugend B mit 36,20 Metern den zweiten Platz belegte und ein weiteres Mal auf ihr Talent aufmerksam machte.
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Dass es sie einmal zur Leichtathletik ziehen würde, daran war vor einigen Jahren nicht zu denken. Auf dem Tennisplatz begann Potthoffs sportliche Karriere. Erst als die Familie aus Sachsen nach Hallenberg zog, veränderte sich das Interesse. Bei der LG Eder unter Trainer Mathias Schute im benachbarten hessischen Allendorf (Eder) fand Antonie Potthoff mangels vergleichbarer Alternativen in Nordrhein-Westfalen eine neue sportliche Heimat und stellte ihr Talent schnell unter Beweis.
Krafttraining in Winterberg
Noch muss sich die junge Dame im Blockwettkampf messen, Kugelstoßen oder Hürdenlauf stehen deshalb ebenfalls auf dem Trainingsplan. Wann die Spezialisierung erfolgt? „Ich bin ein Freund einer breiten Ausbildung. Irgendwann kommt der Tag X, das kann mit 16 Jahren oder 17 Jahren sein“, antwortet Benjamin Piel auf diese Frage. Er ist Sportlehrer am Gymnasium in Winterberg, das Potthoff besucht und wo sie einmal in der Woche eine Einheit Krafttraining mit ihm absolviert. „Hätte sie kein Talent, wäre sie nicht hier“, erzählt Piel grinsend und attestiert seiner Schülerin eine Top-Einstellung.
„Da es mich ohnehin immer ärgert, wenn ich verliere, will ich natürlich die Deutsche Meisterschaft gewinnen.“
Mit dieser erreichte sie im Diskuswerfen 37,20 Meter als persönliche Bestleistung und liegt aktuell auf Platz zwei der deutschen Bestenliste in ihrer Altersklasse. 11,24 Meter stehen im Kugelstoßen und 12.59 Sekunden über 80 Meter Hürden als Top-Leistung in den Büchern. Die Qualifikation für die Deutschen Meisterschaften ihrer Altersklasse am 26. bis 28. Juli in Koblenz erreichte die amtierende Süddeutsche Meisterin vor kurzem. Ihr Ziel bei den nationalen Titelkämpfen umreißt sie deshalb klar: „Da es mich ohnehin immer ärgert, wenn ich verliere, will ich natürlich die Deutsche Meisterschaft gewinnen“, sagt sie.
Ein Uralt-Weltrekord
Als eine der Gold-Kandidatinnen im Diskuswurf bei den Olympischen Sommerspielen in Paris gilt die US-Amerikanerin Valarie Allman, die 2020 in Tokio mit 68,98 Metern Olympia-Gold vor Kristin Pudenz gewann. Amtierende Weltmeisterin in dieser Disziplin ist Allmans Landsfrau Laulauga Tausaga, die in Budapest 2023 mit 69,49 Metern den Titel vor Allman und der Chinesin Feng Bin holte. Den Weltrekord im Diskuswurf stellte die für die DDR startende Gabriele Reinsch 1988 mit 76,80 Metern auf.
Dass dies keine Träumerei ist, untermauern die Bestenlisten. Und nicht ohne Grund gehört Antonie Potthoff, deren Eltern ihr „wirklich gute Wettkampfnerven“ attestieren, seit einiger Zeit dem hessischen Landeskader an. Neben den drei Trainingseinheiten pro Woche in Allendorf, der Krafteinheit in Winterberg und dem regulären Schulsport steht deshalb zusätzlich die Fahrt zum Kadertraining nach Frankfurt an. „Mama fährt mich“, sagt Antonie Potthoff dankbar. „Wenn die Eltern nicht komplett hinter ihr stehen würden, wäre das Programm gar nicht möglich“, erklärt auch Benjamin Piel.
Morgens um Viertel vor Sechs klingelt an den Kader-Trainingstagen also der Wecker in Hallenberg. Mit dem Bus geht es nach Winterberg, wo um 7.30 Uhr die Schule startet. Um 14 Uhr ist Antonie Potthoff meistens wieder zu Hause, bevor es dann mit dem Auto nach Frankfurt geht. Knapp zwei Stunden dauert eine Fahrt in die hessische Metropole. Zwei Stunden lang wird unter Landestrainer Martin Rumpf trainiert, ehe die Rückfahrt nach Hallenberg ansteht. „Zwischen 20.30 Uhr und 21 Uhr sind wir wieder zu Hause“, sagt die Nachwuchs-Leichtathletin über diese „langen Tage“.
Schützenfeste gehen immer
„Aber es macht mir ja Spaß“, erklärt sie schnell und unterbricht anschließend lachend ihren Vater Norbert. „Weil das noch nicht reicht, kommt einmal in der Woche der Gitarrenlehrer von der Musikschule Brilon. Außerdem wird jedes Schützenfest im Umkreis mitgenommen“, plaudert dieser munter über seine Tochter aus. „Ich organisiere mir nunmal meine Zeit mit Freunden“, sagt Antonie Potthoff – und schmunzelt wieder.