Brilon. Es ist eine traurige Nachricht für den heimischen American Football: Die Brilon Lumberjacks lösen sich auf. Das sind die Hintergründe.
Marco Triharta sagt diesen Satz ohne irgendwelche Umschweife: „Für mich persönlich bedeutet dies das Ende meiner Karriere.“ Der 33-Jährige ist ein Urgestein bei den American Footballern der Brilon Lumberjacks. „Ich war von der allersten bis zur allerletzten Sekunde mit dabei“, sagt der bisherige Quarterback. Er bezieht sich dabei auf eine äußerst traurige Nachricht für den heimischen American Football: Die Brilon Lumberjacks lösen sich auf.
Viele Jahre lang hatte der Vorzeige-Football-Verein aus dem Hochsauerlandkreis eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Oftmals bis zu 500 Zuschauer strömten an die Jakobuslinde in Brilon zu den Heimspielen der Lumberjacks, die ebenfalls, typisch Football, auch immer einen gewissen Entertainment-Faktor lieferten. Dass der grundsätzliche Hype um eine der US-amerikanischen Kernsportarten auch in Deutschland nach wie vor anhält, zeigte sich unter anderem bei zwei Spielen der National Football League (NFL), die 2022 und erst vor wenigen Wochen in München und in Frankfurt am Main ausgetragen worden waren. Ausverkaufte Stadien, eine spezielle Atmosphäre und der Event-Charakter mit beispielsweise den Super-Bowl-Partys ziehen vor allem junge Zuschauer und potenzielle neue Interessenten an. Deutschland hat sich laut Studien und Experten zum größten europäischen Football-Markt entwickelt.
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Auch die Brilon Lumberjacks profitierten auf lokaler Ebene vom großen Interesse rund um den American Football, der den amerikanischen „Way of life“ perfekt auch über die Sozialen Medien transportiert. Der heimische Klub verstand es in den vergangenen Jahren nahezu vorbildhaft, Marketingmaßnahmen zu ergreifen. Mehrfach veranstalteten die Lumberjacks Super-Bowl-Partys, richteten immer wieder Sichtungstrainings aus und machten ihren Sport auch beispielsweise in Grundschulen bekannt. Und der Verein ließ sich auch in der Pandemie 2021 etwas Besonderes einfallen: Als damals die gemeinsame Party nicht möglich war, bereiteten Briloner Köche mit den Lumberjacks „Football-Essen“ zu, das bestellt werden konnte und ausgeliefert wurde. Zudem war bei den Lumberjacks mit den „Flying Axes“ auch eine erfolgreiche Cheerleader-Gruppe aktiv, ebenso wie Juniorenspieler, die im Verein Flag Football betrieben. Im Rembe-Sportpark fanden die Lumberjacks nach den umfangreichen Um- und Neubaumaßnahmen darüber hinaus perfekte Bedingungen vor und spielten gar auf einem Kunstrasenplatz, mit den Football-typischen Linien.
Und dennoch erfolgt nun, ziemlich genau acht Jahre nach der Gründung im Dezember 2015, die Auflösung des Vereins, für den auch Marco Triharta seit jeher zumeist als Quarterback spielte. Der ehemalige Fußball-Torwart des SC Willingen fand damals im American Football seine neue sportliche Leidenschaft. „Wir hatten in den letzten Jahren, vor allem bedingt durch die Pandemie, immer wieder personelle Probleme und haben alle gemeinsam versucht, das trotzdem hinzubekommen. Im Football ist aber auch klar, dass man gewisse Spielzüge nur mit Qualität und Quantität im Kader vernünftig durchführen kann. Die Ergebnisse sind bei uns eben auch ausgeblieben. Die Fan-Base beim Football ist immer größer geworden, und meines Erachtens haben auch in Brilon und Umgebung viele Menschen Interesse an diesem Sport, möchten ihn aber nicht unbedingt selbst betreiben“, sagt der 33-Jährige.
Abwicklung der Brilon Lumberjacks läuft bereits
Als so genannte Liquidatoren sind nun die Eheleute Chris und Janine Nehls für die Abwicklung des Vereins zuständig. Beide sind quasi seit der Gründung mit großem Eifer dabei, Chris Nehls lange als Spieler und in den vergangenen Jahren vor allem als Headcoach, während seine Frau Janine nach jahrelangem Wirken im Hintergrund seit Anfang dieses Jahres als Vorsitzende in der ersten Reihe stand. „Ich hab‘ noch nie so viel geheult wie in den vergangenen Tagen“, gibt Janine Nehls zu. Die 35-Jährige beschreibt die vor wenigen Tagen eingeleitete Auflösung des Vereins als den Höhepunkt eines „Niedergangs. Der Verein ist nun offiziell liquidiert worden. Wir müssen nun noch den Rechtsweg gehen und unter anderem die Vereinsauflösung einreichen. Wer noch ein Anliegen im Bezug auf die Brilon Lumberjacks hat, möge sich bei Chris oder mir melden“, sagt sie.
Das Paar, das gemeinsam in Detmold lebt und selbst stets etwa 75 Minuten Anreise nach Brilon auf sich nahm, war den Lumberjacks sehr verbunden. Janine Nehls sieht ebenso in der Pandemie-Zeit den Knackpunkt für den nun erfolgten bitteren Schritt: „Corona hat uns das Genick gebrochen. Wir haben 2020 und 2021 gar nicht im Liga-Betrieb gespielt und konnten nur wenig trainieren. Wir haben damals auch entschieden, nicht einfach ohne Training zu spielen, weil das Verletzungsrisiko immens gewesen wäre. Dann haben wir natürlich Spieler verloren und mussten am Ende darum kämpfen, die Mindestanzahl zusammenzuhaben, um spielfähig zu sein“, erklärt sie. Nach dem Abstieg aus der Verbands- in die Landesliga setzte es teils auch hier heftige Niederlagen. Das happige 3:82 am 7. Oktober bei den Iserlohn Titans war dann das letzte Ligaspiel der Brilon Lumberjacks, die die aktuelle Saison in der Landesliga NRW als Drittletzter beendeten.
Nach erfolgreichen Jahren mit Aufstiegen, steigenden Zuschauerzahlen, viel Zuspruch und gewinnbringenden Neuerungen wie dem neuen Kunstrasenplatz extra auch für die Footballer im Rembe-Sportpark ging es in den vergangenen Jahren zu oft bergab. Der Abstieg, lange Zeit ausbleibende Spiele und Trainingseinheiten, dann aber auch viele deutliche Pleiten machten die Lumberjacks nicht nur für Trainer, Spieler und Funktionäre logischerweise unattraktiver, sondern ebenso für heimische Förderer. „Das ist eine Art Teufelskreislauf“, sagt Janine Nehls, die auch um die schwierige Lage im ländlichen Raum genau Bescheid weiß. „Wir mussten nun eine Entscheidung treffen“, betont Janine Nehls, „leider war sie unumgänglich.“