Letmathe. Passt ein Fußballromantiker aus dem Sauerland zum DFB? In Letmathe gibt Union-Manager Oliver Ruhnert interessante Einblicke ins Profigeschäft.
Für ein paar Sekunden herrschte Stille. Dann ließ Oliver Ruhnert den Blick nach rechts schweifen, wo zwei Reporter saßen, holte tief Luft und setzte zur Antwort auf die vorletzte Frage aus dem Podium an: „Ich weiß ja, dass ich aufpassen muss, weil alles, was ich öffentlich sage, sofort auf irgendwelchen Kanälen verbreitet wird. Also…“ Wieder eine kurze Pause. „Also - ich bin bei Union glücklich, die Arbeit dort mach mir sehr viel Spaß. Und das stimmt auch alles.“
Ein bisschen kokettiert mit den Floskeln der Fußballbranche hatte Ruhnert jetzt, das war allen klar. Auch dem Fragesteller im Letmather Saalbau, wo der Geschäftsführer Profifußball des 1. FC Union Berlin sein Buch „Das Geheimnis seines Erfolges“ präsentierte.
Brauchst du wirklich diesen Zirkus?
Aber ein bisschen Raum, um zwischen seinen Zeilen zu lesen, beziehungsweise etwas hineinzudeuten, hatte Ruhnert ebenfalls gelassen. Die Frage war übrigens die, ob er nicht doch Ambitionen hätte, den kriselnden Deutschen Fußballbund aufzumöbeln. Ob es denn für immer Union Berlin sein müsste. Nein, das muss es nicht, das verriet der Sauerländer. „Unser Präsident Dirk Zingler weiß, dass ich seit geraumer Zeit überlege: Brauchst du das wirklich – diesen ganzen Zirkus?“
Im Zirkus Profifußball fühlt sich Ruhnert trotz seiner großen Erfahrung immer noch ein bisschen wie ein Fremder. Zu bodenständig und zu verbunden mit seiner westfälischen Heimat scheint der 51-Jährige zu sein, um so richtig in die geldschwere Fußball-Glitzerwelt zu passen. Wenn überhaupt, dann schon zum FC Union, der ja immer noch – sicher mit den Freiburgern und vielleicht auch mit dem VfL Bochum – als Gegenentwurf zur völlig durchkommerzialisierten Bundesliga-Konkurrenz gilt.
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Dieses Spannungsverhältnis ist wohl zu so etwas wie zum persönlichen Markenkern von Oliver Ruhnert, der ja auch noch als Lokalpolitiker der Iserlohner Linken sowie als Schiedsrichter im Kreis Iserlohn aktiv ist, geworden. Und ein wenig wird es auch im Untertitel seines Buches deutlich: „Vom Sauerland über Schalke zu Union“.
Der erste Titel war Ruhnert zu eitel
Der eigentliche Titel des Werkes lautet jedoch anders: „Das Geheimnis seines Erfolgs“. Er wird vom Autor so erklärt: „Der vorgeschlagene Titel des Verlags war: ‚Das Geheimnis meines Erfolgs‘.“ Das kam für Ruhnert keinesfalls in Frage. Wenn aber Weggefährten über ihn Gutes sagen, er selbst dann zur dritten Person wird – dann kann der gebürtige Hüstener damit schon deutlich mehr anfangen. Und dass der neue Titel etwas spitzfindig ist, und dass stets ein bisschen Humor durchschimmert, wenn Ruhnert darüber berichtet, wie Weggefährten wie Schalkes Nachwuchs-Trainerikone Norbert Elgert oder Helmut Schulte („Der ist ja auch ein Sauerländer“) ihre Geschichten erzählen, das trägt zu Ruhnerts enormer Beliebtheit in der Heimat bei.
Dass seine Authentizität aber eben nicht aufgesetzt ist, wird an diesem Lesungsabend vor rund 150 Besuchern auf andere Art und Weise deutlich. Wenn er davon berichtet, abends im fernen Berlin auch so etwas wie Heimweh zu empfinden. Deshalb, sagt der Arnsberger, habe er auch nie alle Verbindungen ins Sauerland gekappt und sich von seinen Verpflichtungen im Rat und an der Pfeife verabschiedet.
Viele Zuschauer kennt Ruhnert zudem persönlich und kann sie mit Namen ansprechen. Charly Grote ist so einer. Der Firmenchef einer großen Bäckerei und Macher beim Landesligisten TuS Langenholthausen ist im Sauerland ohnehin bekannt wie ein bunter Hund; dass sich Grote erstmal vorstellt, bevor er nachfragt, wie Ruhnert die Lage des Amateurfußballs sieht, ist eigentlich gar nicht nötig.
„Das nervt die tierisch“
Aber dann kommt wieder so eine klare Antwort vom früheren Schalker Chefscout. „Der DFB hat im Profifußball nicht mehr viel zu sagen. Es gibt nur noch den Pokal und die Nationalmannschaft. Deshalb müsste der Verband den Amateurfußball viel stärker als seine Kernaufgabe wahrnehmen. Es ist zwar allen klar, dass die Basis unheimlich wichtig ist. Aber außer Sonntagsreden passiert zu wenig.“
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Da verwundert es nicht, wenn Ruhnert verrät, dass sie schon mal die Augen verdrehen in der Frankfurter Zentrale, wenn er sich bei einer Funktionärstagung einschaltet. „Das nervt die tierisch, dass da einer ständig die Klappe aufmacht“, berichtet er. Vielleicht täte solch eine, gleichwohl unaffektierte, Nervensäge, dem DFB in seiner aktuellen Krise richtig gut.
Gedanken in den seltenen stillen Sekunden im Letmather Saalbau.
Grote sorgt mit dem letzten Beitrag aber noch mal für Erheiterung. „Ich bin ja glühender Schalker und habe immer davon geträumt, mal S04-Präsident zu werden. Olli, wenn ich Präsident werde – machst Du dann den Schalke-Trainer?“ Ruhnert weiß, dass er da nicht nein sagen kann. Und dass er dieses Mal auch nicht zu überlegen braucht.