Arnsberg/Paderborn. 100 Meter in Weitsprungschuhen: Vor 40 Jahren wird in Arnsberg ein irrer Weltrekord gebrochen. Zehnkämpfer Jens Schulze erzählt seine Geschichte.

Es klang verwegen, wahnsinnig, ja: irre. Doch am Ende staunten die 2000 Zuschauer im Stadion Große Wiese in Hüsten. Vor 40 Jahren erzielte Zehnkämpfer Jens Schulze im Sauerland einen erstaunlichen Weltrekord: im „Blitz-Zehnkampf“, auch „Super-Zehnkampf“ genannt. Der Clou: Für die zehn Wettkämpfe in zehn verschiedenen Disziplinen, die die Könige der Athleten auch heutzutage noch an zwei Tagen am Stück absolvieren, hatte Schulze damals nur maximal 30 Minuten (!) Zeit.

Im Gespräch mit dieser Zeitung erinnert sich der damals 20- und mittlerweile 65-Jährige an ein einmaliges Erlebnis und spricht über aktuelle Bezüge zum Sport im HSK.

Zehnkampf in Hüsten entsteht als verrückte Idee

Kein Diskuswerfer läuft freiwillig die 1500 Meter, 100-Meter-Sprinter staunen beim Stabhochsprung wie gewöhnliche Zuschauer und Weitspringer versuchen sich selten im Speerwurf. Nur Zehnkämpfer wagen sich an zehn verschiedene Disziplinen: 100 Meter, Weitsprung, Kugelstoßen, Hochsprung und 400 Meter am ersten Wettkampftag, ehe dann tags darauf die 110 Meter Hürden, Diskuswurf, Stabhochsprung, Speerwurf und 1500 Meter folgen.

Jens Schulze aus Paderborn war Zehnkämpfer. Und zwar ein Weltklasse-Athlet. Gemeinsam mit Jürgen Hingsen (Vize-Olympiasieger in Los Angeles 1984) und Guido Kratschmer (Vize-Olympiasieger in Montreal 1976) war Schulze zu seiner aktiven Zeit einer der besten Zehnkämpfer in Deutschland.

1980 hatte er auf eine Nominierung für die Olympischen Sommerspiele in Moskau gehofft – doch die Bundesrepublik nahm aus politischen Gründen nicht an den Weltspielen teil. Auch für Olympia 1984 in Los Angeles reichte es knapp nicht. „Das war damals schon bitter“, sagt Jens Schulze.

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Als die heimischen Leichtathletikvereine TV Neheim, TuS Bruchhausen und TuS Oeventrop dann vor 40 Jahren, für den 7. Juli 1981, das 3. Internationale Leichtathletik-Sportfest im Stadion Große Wiese in Hüsten veranstalteten, sollte Schulze eine entscheidende Rolle spielen. Der 25-Jährige sollte einen neuen Weltrekord im „Blitz-Zehnkampf“ beziehungsweise „Super-Zehnkampf“ aufstellen.

Alle zehn Disziplinen mussten in nur 30 Minuten absolviert werden. Der Weltrekord zählte nur, wenn Schulze beim Startschuss der letzten Disziplin, der 1500 Meter, noch in dieser Zeit war. „Ich habe vorher trainiert und gedacht: Das ist möglich. Und dann habe ich es einfach mal gemacht“, erzählt er vergnügt.

Ein hochspannender Höhepunkt

Für die Zuschauer in Hüsten war es der Höhepunkt des Events. Nur drei Minuten hatte Schulze im Schnitt pro Disziplin Zeit. Die 100 Meter absolvierte er in Weitsprungschuhen – danach ging’s sofort zur Grube. Nach den 400 Metern hätte er im Zuge eines „normalen“ Zehnkampfs 15 Stunden Pause gehabt – Schulze machte nach sechs Minuten weiter. Die Anstrengung für seinen Körper war enorm, doch nach dem abschließenden 1500-Meter-Lauf stand fest: Der damalige Sportstudent hatte es geschafft. „Die rund 2000 Zuschauer im Stadion feuerten den Mainzer frenetisch an“, schrieb diese Zeitung damals.

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Beim Startschuss der letzten Disziplin hatte der Zehnkämpfer 29 Minuten und 57 Sekunden auf der Uhr – und war damit erfolgreich. Jens Schulze knackte mit 7243 Punkten den Weltrekord im „Super-Zehnkampf“, den bislang Jürgen Hingsen (7104 Punkte) gehalten hatte. „Das war eine ganz tolle Geschichte“, sagt Schulze.

Deutscher Meister 1986

Der Weltrekord des Zehnkämpfers, der 1986 in Hannover Deutscher Meister wurde und 1988 seine Laufbahn als Aktiver beendete, hat weiterhin Bestand, so Schulze: „Diese Veranstaltungen waren selten und werden nun seit vielen Jahren nicht mehr ausgeübt. Damals haben sich aber auch Weltklasse-Leute wie Daley Thompson (zweifacher Olympiasieger im Zehnkampf, Anmerkung der Redaktion) am ,Blitz-Zehnkampf’ versucht.“

Jens Schulze verfügt übrigens nach wie vor über enge Verbindungen in den Sport im Hochsauerlandkreis. Als Athletiktrainer des Fußball-Drittligisten SC Verl arbeitet er auch mit dem Brenscheder Profi Julian Schwermann. Zudem bringt der Diplom-Sportlehrer als Coach des in Winterberg ansässigen Nordrhein-Westfälischen Bob- und Schlittensportverbandes heimische Wintersportler auf Trab.

Schulzes Geschichte zum Weltrekord-Kracher vor 40 Jahren in Hüsten – begeistert noch heute.