Arnsberg-Neheim. Reinhard Pietz ist ein alter Hase in der Schiedsrichterszene. Der Neheimer spricht über Gewalt auf dem Sportplatz und die Geschlechterfrage.
Reinhard Pietz ist ein Mann der Zahlen. Der ehemalige Finanzbeamte des Arnsberger Finanzamtes genießt seine Zeit als Pensionär, doch der 71-Jährige geht nicht nur gerne reisen und liest einen guten Krimi, sondern beschäftigt sich mit der aktuellen Situation der Unparteiischen im FLVW-Kreis Arnsberg.
Im Gespräch mit dieser Zeitung ordnet der Vorsitzende des Kreisschiedsrichterausschusses die Regeländerungen, die zur neuen Saison kommen, ein, erzählt sein brenzligstes Erlebnis in vier Jahrzehnten als aktiver Schiedsrichter und erklärt, wie der FLVW-Kreis Arnsberg mehr weibliche Unparteiische gewinnen und langfristig binden möchte.
Reinhard Pietz, was muss ich mitbringen, um ein guter Fußball-Schiedsrichter zu werden?
Reinhard Pietz: Wir versuchen vor allem jungen Leuten zu sagen, dass sich diese Tätigkeit auch sehr gut bei beruflichen Bewerbungen macht. Der Personaler sieht dann: Der Bewerber hat schon eine Persönlichkeit. Neben dieser Persönlichkeit sollte ein Schiedsrichter das Regelwerk gut kennen und anwenden können, durchaus ein dickes Fell besitzen, den Spielern am besten direkt ihre Grenzen aufzeigen und nicht großartig diskutieren. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass dies am besten für einen Unparteiischen ist.
In anderen Kreisen kommt es immer wieder zu teilweise heftigen Gewaltausbrüchen auf den Sportplätzen. Auch Schiedsrichter werden im Zuge dieser regelrecht gejagt und teilweise auch körperlich attackiert. Wie sieht es im Hochsauerland aus, gibt es hier etwa ähnliche Probleme?
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Ich finde, dass wir im FLVW-Kreis Arnsberg noch ein Paradies für Schiedsrichter haben. Es gibt meist wenig Theater auf dem Platz, selten Spielabbrüche und wenig Gewalt. Leider musste ich selbst vor sechs Jahren als aktiver Schiedsrichter aufhören, weil ein Knie kaputt ist. Aber aus meiner langen aktiven Zeit weiß ich: Diese Angst, die Unparteiische auf dem Platz mitunter um ihre körperliche Versehrtheit haben, ist sehr gut nachvollziehbar. Vor allem für ihre Kollegen, wie ich einer bin.
Können Sie Unparteiische verstehen, die nach so einem Zwischenfall nie wieder pfeifen wollen?
Natürlich. Auch die meisten Schiedsrichter sind Amateure, genau wie die Fußballer auch. Wenn da so ein Zwischenfall passiert, kann man sich natürlich sofort denken: Warum sollte ich mir das in meiner Freizeit weiterhin antun?
Sie selbst haben vor mittlerweile 45 Jahren ihre Prüfung zum Unparteiischen absolviert. Sind Sie mal auf dem Sportplatz mit Gewalt in Berührung gekommen?
Anscheinend habe ich das Regelwerk gut verstanden, denn zu einer Spruchkammersitzung musste ich nie. Ich habe lange Zeit in der Bezirksliga gepfiffen und stand ebenso in der Verbandsliga als Assistent an der Seitenlinie. Eine bedrohliche Situation gab es mal in Neuenrade, da wollte mich ein aufgebrachter Zuschauer anspringen. Das wussten aber einige Leute zu verhindern und es ist nichts passiert. Der Betroffene hat sich nachher bei mir entschuldigt und damit war die Sache für mich auch erledigt. Ich habe keinen Sonderbericht geschrieben und bin froh, nie eine Verhandlung gehabt zu haben. Allerdings sind wir in unserem Kreis mit der Sportgerichtsbarkeit sehr gut aufgestellt und genießen dort die volle Rückendeckung.
Ein wichtiges Thema zur neuen Saison sind die Regeländerungen. So ist ab der B-Liga ein vierter Einwechselspieler erlaubt, zudem kann der Unparteiische eine Gelbe oder Rote Karte an die Trainerbank verteilen und in Ihrem FLVW-Kreis mündet ein Kreispokalspiel, in dem es nach der regulären Spielzeit Remis steht, nicht in einer Verlängerung, sondern direkt im Elfmeterschießen. Sind Sie als Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses zufrieden mit den Änderungen?
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Generell finde ich, dass der Profi- und Amateurbereich immer weiter auseinanderdriften. Wir sollen als Schiedsrichter zum Beispiel einen Spieler, der nach einem Tor übertrieben gejubelt hat, trotzdem verwarnen, auch wenn das Tor im Nachklang aberkannt wurde. Ich finde einfach, dass den Schiedsrichtern immer mehr zugemutet wird. Wir weisen unsere Unparteiischen auf die Regeländerungen hin, aber das sind auch Amateure, die einem Beruf nachgehen und sich nicht wie die Profis täglich mit Regeln auseinandersetzen können. Dass in den B- bis D-Ligen künftig ein vierter Spieler hineinkommen kann, ist ja gut, aber ich frage mich schon: Warum wird das nicht in jeder Liga so gemacht?
Fehlen im FLVW-Kreis Arnsberg Unparteiische?
Wir haben etwa 100 Schiedsrichter, sind aber in der Altersstruktur von 30 bis 50 Jahren nicht so gut besetzt. Ich finde es aber gut, dass wir mit Denis Magné vom TuS Bruchhausen, der in der Oberliga pfeift, oder Markus Töpfer vom TuS Müschede in der Landesliga gut aufgestellt sind.
Wie wollen Sie die Anzahl der Schiedsrichterinnen steigern?
Derzeit haben wir vier Schiedsrichterinnen bei uns – wir wollen mehr. Wir weisen darauf hin, dass die Frauen gut eine tolle Karriere aufnehmen können. Zudem stellen wir ihnen Paten an die Seite, erfahrene Schiris, die als Ansprechpartner dienen. Heute ist das Geschlecht doch zum Glück egal, es zählt allein die Persönlichkeit. Klar ist aber auch: Du kannst noch so viele Fortbildungen machen, das Talent zum Schiedsrichterdasein muss man mitbringen.