Sundern. Eine Kutschfahrt mit viel Tempo: Zwei ambitionierte Reitsportler haben dieser Zeitung ihren Lieblingsweg gezeigt – in einem rasanten Gefährt.
Will ich das wirklich? Das denke ich kurz bevor ich die Kutsche von Christian Schmalor und Kristin Hoffmann vom Reit- und Fahrverein Kutschenfahrgemeinschaft (RFV KUFA) Endorf-Hagen besteige und vorne neben Christian Schmalor Platz nehme. Die beiden Sunderner sind erfolgreiche Kutschensportler und gewähren unserer Zeitung bei einer durchaus rasanten Ausfahrt intensive Einblicke in den für sie schönsten Reit- und Fahrweg im Hochsauerlandkreis.
Das Ambiente
Klar: Die Strecke, die uns über etwa zehn Kilometer quer durch die wunderschöne Natur in Sundern-Wilde-wiese führt, ist sicher „nur“ einer von vielen schönen Fahr- und Reitwegen im HSK. „Das ist unsere Trainingsstrecke und sie bietet einfach sehr viel: Natur pur, ein tolles Ambiente und sehr gute Möglichkeiten des Ausdauertrainings für unsere Pferde“, erklärt Christian Schmalor.
Während wir uns im gemächlichen Schritttempo gut unterhalten können, hat der Inhaber und Gründer des Ausbildungsstalls Schmalor in Wildewiese die Zügel seiner Kutsche fest im Griff. Der Betrieb setzt die beiden Haflinger Aaluna (12 Jahre alt) und Amiira (10), die uns vorweglaufen, vor allem dann als Schulgespann ein, wenn es um die fortgeschrittene Dressurarbeit geht.
Im ruhigen Tempo lassen sich die Ausführungen der Kutschenfahrer Hoffmann und Schmalor gut notieren, während der Weg bald seine Vorzüge präsentiert: Dichte Fichtenwälder wechseln sich mit freier Strecke ab, die Morgensonne sorgt für eine angenehme Temperatur, die auch den Pferden gut zu gefallen scheint. Als Christian Schmalor sie zunächst in den Trab und dann in den Galopp bringt – wir haben jetzt etwa 30 Kilometer pro Stunde und gefühlt eher das Doppelte drauf –, jagen die Haflinger los, während ich mich krampfhaft in meinen Sitz kralle und Block, Stift sowie Kamera festhalte. Was für ein Tempo!
Die Leidenschaft
Das Standardtraining der beiden Kutschensportler mit ihren Tieren führt über etwa zehn Kilometer, die Aaluna und Amiira locker im Trab durchhalten. Anderen Menschen begegnen wir nicht, nur einer ungemeinen Ruhe, die vom Klappern der Pferdehufe und dem Schnauben der Tiere abgelöst wird. Es geht kleine Anhöhen hoch, „darum beneiden uns andere Kutschensportler“, sagt Christian Schmalor.
Von seinem Vater Alfred erbte er einst die Leidenschaft für Tiere, die Passion für Pferde entwickelte er aber selbst, als er einen Reitstall besuchte. Außerordentlich gut gefällt mir, dass Christian Schmalors erstes Pferd, Alma (23), noch immer im Familienbesitz ist. „Sie ist zwar eine echte Omi, aber dafür noch topfit“, erzählt Kristin Hoffmann und lacht.
Die Strecke führt uns weiter über Teile des Höhenflug-Weges. Die Fahrt auf dem Zweispänner im Trab gefällt mir – laut griechischer Bedeutung meines Vornamens bin ich ja ein echter „Pferdefreund“ – bei meiner Premiere auf einer Kutsche immer besser. Staunen, das sei die häufigste Reaktion vieler Leute, die rasant fahrende Sportler wie sie sehen, sagen Schmalor und Hoffmann. „Wenn wir für jedes Foto, das von uns gemacht wird, zwei Euro nehmen würden, dann wären wir reich“, sagt der Kutscher und lacht.
Die Nische
Der 33-Jährige gibt gerne zu, dass Kutschenfahrer wie er in der Pferdesportszene nur eine Nische besetzen. Der Druck und der Konkurrenzkampf sei unter klassischen Spring- und Dressurreitern größer. „Unser Sport bleibt bei allem Ehrgeiz ein Hobby, bei dem der Zusammenhalt untereinander sehr groß ist. Fährt mein Gegner besser und gewinnt, gratuliere ich ihm fair. Das ist kein Problem“, sagt Schmalor.
Der Verein, der etwa 50 Mitglieder hat, versucht den fahrerischen Nachwuchs durch eindrucksvolle Ausfahrten für sich zu gewinnen. „Wenn man da als Kind oder Jugendlicher mitfährt, ist man oft begeistert“, sagt Kristin Hoffmann. So ist auch die Tochter von Christian und seiner Frau Christiane Schmalor (37), die fünfjährige Marisa, bereits als Kutschenfahrerin aktiv. Christian Schmalor: „Sie macht das freiwillig und hat großen Spaß daran, was uns als Eltern natürlich total freut.“
Das Alleinstellungsmerkmal
Insbesondere Christian Schmalor und Kristin Hoffmann sind für den Reit- und Fahrverein Kutschenfahrgemeinschaft (RFV KUFA) Endorf-Hagen immer wieder bei Wettbewerben im Kutschenfahrtsport vertreten – und erfolgreich.
An etwa zehn bis zwölf Turnieren nehmen die Sunderner Kutschenfahrer pro Jahr teil. Christian Schmalor ist seit 19 Jahren im Fahrsport aktiv, seine bevorzugte Anspannungsart ist der Zweispänner Pony. Mittlerweile fährt er erfolgreich bis zur schweren Klasse und hat einen beachtlichen Leistungssprung hingelegt. „Dieser ist auch durch die gute reiterliche Ausbildung der Pferde durch Kristin Hoffmann begründet“, so Schmalor, Trainer im B-Fahren Leistungssport.
Der Inhaber verschiedener Reit- und Fahrabzeichen überzeugte zuletzt Anfang des Jahres in Greven im Münsterland, als er erstmals eine Prüfung der Klasse Drei-Sterne-S fuhr. Unter anderem feierte Christian Schmalor noch den jeweils dritten Platz bei den NRW-Meisterschaften in Münster-Roxel (2016) und in Greven (2015). Stolz ist er darauf, dass der RFV KUFA der einzige Verein im Sauerland ist, der im Leistungsbereich das Kutschenfahren betreibt. Schmalor: „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für uns.“
Kollegin Kristin Hoffmann fährt selbst bei Turnieren bis zur Klasse M. Vor allem in der Dressur ist die 25-Jährige, seit zwölf Jahren beim Ausbildungsstall Schmalor dabei, stark. „Für den Turniersport muss man als Kutschenfahrer vor allem die Lust darauf, einen gewissen Ehrgeiz und Fingerspitzengefühl mitbringen“, sagt Hoffmann, seit 2015 im Westfälischen Jugendkader.
Die Investitionen
Mit leisem Vogelgezwitscher im Hintergrund fahren wir schließlich in mehreren Schlenkern zurück zum Hof der Schmalors, der unmittelbar neben den Skiliften in Wildewiese liegt. Die Kutsche wird verstaut – und gepflegt. „Diese Fahrgeräte kosten bei einem normalen Trainingswagen etwa 4500 und bei einer Turnierkutsche etwa 8000 Euro“, sagt Schmalor. Auch die Ausbildung zum Kutschenfahrer ist nicht ohne. 450 Euro betragen die Kosten für Theorie und Praxis im Betrieb Schmalor, hinzu kommt ein möglicher Ankauf von Pferden und deren intensive Ausbildung für das Kutschenfahren.
Nach unserer Rundfahrt verlasse ich das Fahrgerät durchaus mit wackeligen Knien. Gleichwohl mit einem ziemlich guten Gefühl: Das hat richtig Spaß gemacht.