Willingen. Hochkonjunkturen, in denen sich enthusiastische Fans der deutschen Adler um eine Eintrittskarte gerissen haben, solche Zeiten sind in Willingen längst vorbei. Beim Weltcup-Springen im Rahmen der FIS-Team-Tour ist der Skiclub froh über jeden Zuschauer am Fuße der Mühlenkopfschanze.

„Von der Mähr einer ausverkauften Veranstaltung müssen wir uns verabschieden“, sagt Dieter Schütz (47), seit zwei Jahren Pressesprecher des SC Willingen. Für die Wettbewerbe an allen drei Tagen gibt es (fast) in jeder Kategorie noch genügend Karten. Lediglich die Sitzplatztribüne am Weltcup-Samstag ist ausverkauft. 34 000 Menschen fasst das Stadion im Stryckal – „nur“, hieß es früher.

Heute – zu Beginn eines neuen Jahrzehnts – sind die Veranstalter laut Dieter Schütz froh, wenn an insgesamt drei Tagen ein Schnitt von 36 000 Zuschauern erreicht wird. Der Schwund habe natürlich mit den mäßigen Leistungen der deutschen Weitenjäger zutun. Schütz: „Hauptgrund ist: Wir haben keinen Hannawald mehr, der vorne weg springt. Man darf bei den Ansprüchen nicht mehr zu vermessen sein.“

Schönste Schanze der Welt

Programm

Weltcup in Willingen

Freitag, 5. Februar: 17 Uhr Qualifikation; 18 Uhr Eröffnungsfeier.

Samstag, 6. Februar: 11 Uhr Einlass; 14.30 Uhr Probedurchgang; 16 Uhr Einzelspringen mit anschließender Siegerehrung.

Sonntag, 7. Februar: 10 Uhr Einlass; 13 Uhr Probedurchgang; 14.30 Uhr Mannschaftsspringen mit anschließender Siegerehrung

Das Skispringen in Willingen hat schließlich eine lange Tradition. 87 Jahre wird dort diese Königsdisziplin des Wintersports schon betrieben. Weltcup-Schauplatz ist die nordhessische Stadt im Grenzgebiet zum Sauerland erst seit 1995. Vor zehn Jahren wurde die Schanze (107 Meter Anlaufspur) komplett umgebaut und auf modernsten Standard gebracht. Für Österreichs Springerlegende Andreas Goldberger ist Willingen die schönste Anlage der Welt.

Rechtzeitig haben Hunderte von Helfer – darunter Bundeswehrsoldaten aus Saßnitz auf Rügen und Willingens Fußballer – das Stadion und die Schanze von den Schneemassen der Winterchaos-Tage befreit. „Wir kennen solche Verhältnisse aus der Vergangenheit und sind das gewohnt“, erklärt Dieter Schütz.

Pfarrer trägt schwedische Fahne

Sogar Christian Röhling, evangelischer Pfarrer im Ort, der zuletzt als begeisterter Skifahrer bei den alpinen Dorfmeisterschaften das Rennen gemacht hatte, schüppte kräftig mit im Schnee. Auch während der Weltcup-Tage ist der Pastor im Tretkommando an der Schanze aktiv. Bei der Eröffnungsfeier am Freitag (18 Uhr) trägt Röhling die schwedische Fahne.

Favorit auf den mit 100 000 Euro dotierten Gesamtsieg in der Team-Tour sind die Adler aus Österreich. Eine Woche vor Olympia in Vancouver treten sie zum Mannschaftsspringen mit ihren Talenten aus der zweiten Reihe in Willingen an. Die Topspringer wie Gregor Schlierenzauer, Andreas Kofler und Thomas Morgenstern testen ihre Form nur im Einzelwettbewerb am Samstag ab 16 Uhr unter Flutlicht. Einen Tag später macht sich das Austria-Trio schon auf den Weg nach Kanada.

Team-Tour-Titelverteidiger Norwegen (mit geringem Punkterückstand auf Rang zwei) will deshalb in Willingen nochmal angreifen. Der deutschen Mannschaft traut Dieter Schütz – mit ein bisschen Glück – noch den Sprung von Platz vier aufs Treppchen zu. Das wäre am Sonntag ab 14.30 Uhr ein krönender Abschluss für das Organisatoren-Team und die euphorisch gestimmten Fans der Springen in Willingen.