Winterberg. Nach dem Sieg im Zweierbob gewann Francesco Friedrich in Winterberg zum ersten Mal den EM-Titel im Viererbob. Wen er hart kritisierte.

Olympiasieger, Weltmeister, Weltcup-Gesamtsieger - all das und noch viel mehr war Francesco Friedrich bereits vor dem Bob- und Skeleton-Weltcup in Winterberg. Doch nach dem souveränen Sieg im Zweierbob im Hochsauerland füllte der aktuell weltbeste Pilot auch den letzten weißen Titel-Fleck in seiner sportlichen Vita. "Es wird ein geiler Tag", sagte Friedrichs Mannschaftskollege Johannes Lochner vor dem ersten Saisonrennen im Viererbob - das galt allerdings nach den zwei Läufen nur für Friedrich, der harte Kritik an Lochners Crew übte.

Friedrich fährt souverän

"Wir werden an Olympiasiegen oder an Weltmeisterschaften gemessen", sagte Friedrich vor dem Weltcup in Winterberg mit Blick auf die parallel gewertete Europameisterschaft. Der EM-Titel habe demnach nicht einen so hohen Stellenwert für ihn. Allerdings war jener im Viererbob der einzige internationale Titel, den er noch nie gewonnen hatte. Teamkollege Lochner holte diesen hingegen viermal in Folge und wollte im Hochsauerland den fünften feiern.

Diesen Plan durchkreuzte Friedrich. Mit zwei souveränen Fahrten gewann der 30-jährige Pilot des BSC Sachsen Oberbärenburg zum ersten Mal im Viererbob die Europameisterschaft. Bereits nach dem ersten Lauf lag Friedrich mit seinen Anschiebern Alexander Schüller, Thorsten Margis und Candy Bauer in der EM-Wertung deutlich vorne.

Friedrich mit Startrekord

Im zweiten Lauf schob er mit seiner Crew in 4.96 Sekunden sogar einen neuen Startrekord in Winterberg. "Das war ein Muss nach dem ersten Lauf", sagte er später. In diesem hatte Friedrich mit 4.99 Sekunden den Rekord des Letten Melbardis aus dem Jahr 2014 um eine Hundertstel hauchdünn verpasst.

Seinen EM-Titel nahm er tatsächlich sehr gelassen zur Kenntnis. Wichtiger sei, dass es endlich im Viererbob zur Sache gehe und der Kanadier Justin Kripps wieder dabei sei. "Er war in der Bahn immer die Benchmark und wir haben jetzt gezeigt, dass wir mindestens ebenbürtig sind", sagte Friedrich.

Friedrich kritisiert Lochner-Crew

Mit 57 Hundertsteln Rückstand belegte Kripps in der Weltcupwertung Rang zwei vor dem Österreicher Benjamin Maier. EM-Silber gewann Maier vor dem Russen Rostislav Gaitiukevich. Johannes Locher und Christoph Hafer landeten auf Rang fünf und sechs, in der EM-Wertung wurden sie Vierter und Fünfter.

Besonders der Auftritt von Lochners Crew, zu der unter anderem Christopher Weber vom BSC Winterberg gehört, stieß Friedrich sauer auf - unabhängig vom Patzer seines Pilotenkollegen direkt nach dem Start im ersten Lauf, als der gegen die Startecke fuhr und damit kaum mehr Chancen auf den Sieg hatte. "17 Hundertstel im zweiten Lauf Rückstand, das kann man hier nicht so anbieten als amtierender Europameister", sagte Friedrich mit Blick auf den Unterschied zwischen seiner Startzeit und der von Lochner.

"Das ist peinlich"

Er wurde sogar noch deutlicher. "Da muss man sich im zweiten Lauf motivieren, zusammenreißen und es nochmal probieren. Die Herangehensweise von den Jungs ist einfach schwach gewesen. Das ist keine Teamleistung - das muss man einfach so sagen", ergänzte Friedrich. "Hansi kann da nichts für. Dass sich die Jungs aber nicht in den Arsch beißen und sagen: Komm, jetzt zeigen wir es nochmal. Dass man dann sogar noch langsamer ist als im ersten Lauf, das ist einfach peinlich. Das hat nichts mit Ehrgeiz oder mit sportlichem Kampfgeist zu tun."

5.12 Sekunden und 5.13 Sekunden stoppte die Uhr für Lochner am Start. "Die Startzeiten waren unterirdisch, also das ist schon fast peinlich", erklärte auch Lochner selbst verärgert: "Das wir so vorgeführt werden vom Team Friedrich - da muss man nicht damit rechnen, dass wir hier was gewinnen." Vor dem kommenden Weltcup in St. Moritz werde es eine harte Analyse geben.

Diesen Rekord jagt Friedrich

Neben der für Francesco Friedrich ungewohnten Titelpremiere machte ihn sein Weltcupsieg Nummer 46 auch zum alleinigen Rekordsieger unter den Piloten. André Langes Bestmarke von 45 Siegen hatte Friedrich am Tag zuvor eingestellt. Allerdings möchte sich der Sachse nicht an Langes Rekord messen lassen, sondern an den 47 Weltcupsiegen des legendären Anschiebers Kevin Kuske.

Vermutlich schon während des nächsten Weltcups in St. Moritz wird auch dieser Rekord an Friedrich fallen. Wenngleich die Nordamerikaner, die in dieser Saison erst in Winterberg in den Weltcup einstiegen, mit jedem Rennen stärker werden dürften. Einen Rekord muss Friedrich jedoch noch ein wenig jagen, da bislang nur die zwei Goldmedaillen (Zweierbob und Viererbob, 2018) in seiner Vita stehen: den des Rekord-Olympiasiegers. Wem er auf den Fersen ist? André Lange und Kevin Kuske mit jeweils vier Goldmedaillen.