Winterberg. Alles vertraut und trotzdem so neu: So ergeht es Bobpilotin Laura Nolte derzeit in Winterberg. Sie feiert trotz Sturz ihre Premiere im Weltcup.
Einen Aussetzer – so nennt Laura Nolte jenen Moment, in dem allen Menschen in der Veltins-EisArena der Atem stockt. Jenen Moment, in dem ihr gelber Bob während eines Trainingslaufes für den an diesem Freitag beginnenden Weltcup auf die Seite kippt. Plötzlich rutscht ausgerechnet das Sportgerät der 21-jährigen Pilotin des BSC Winterberg, die in ihrer Heimbahn die ersehnte Premiere in der höchsten Rennserie feiern soll, unkontrolliert über das Eis. War es das mit dem ersten Weltcup-Start?
„Es ist nichts passiert, alles halb so wild“, sagt Laura Nolte mit etwas Abstand und schüttelt schmunzelnd leicht den Kopf. Dass ihr so ein Aussetzer in Winterberg, in dem Eiskanal, durch den sie so oft rast, passiert. „Unerklärlich“, sagt sie – und weiß genau, weshalb sie stürzte.
Mit Deborah Levi am Start
Doch ihre Weltcup-Premiere, welche sie im Rennen am Samstag ab 10 Uhr mit Anschieberin und Vereinskollegin Deborah Levi feiern wird, gerät durch dieses im Nachhinein kleine Malheur nicht in Gefahr. Es ist lediglich eine weitere Erfahrung, die Nolte auf ihrem Weg in die nationale Spitze sammelt.
Obwohl: Ist die aus Unna stammende und in Dortmund wohnende Pilotin des BSC nicht längst in der Spitze angekommen? Die Ausscheidungsrennen um die Weltcupplätze inklusive Deutscher Meisterschaft vor der Saison gewinnt Laura Nolte. Die Nordamerikatour zum Weltcup-Auftakt lässt sie nur aus, weil Chef-Bundestrainer René Spies die von ihm bereits für die Heim-WM in Altenberg (17. Februar bis 1. März) gesetzte Nachwuchspilotin schonen will. Stattdessen bereitet sich die Sportsoldatin im Europacup und mit gezieltem Training auf ihre Weltcup-Premiere in Winterberg vor.
Sieg im Europacup ein gutes Omen für Laura Nolte?
„Ich weiß, dass ich hier schnell fahren kann“, sagt Laura Nolte vor ihrer Weltcup-Premiere. Wie sehr die Heimbahn der 21-Jährigen liegt, stellte sie im Europacup unter Beweis. Mit Deborah Levi gewann Nolte den ersten von zwei Wettbewerben souverän. Im zweiten kam sie mit Viktoria Dönicke knapp auf Rang zwei. „Egal, welches Ziel man sich setzt, man kann sich eh nur selber enttäuschen. Ich will zweimal schnell starten und zweimal sauber fahren. Dann wird das Ergebnis stimmen“, sagte sie vor dem Weltcup.
Als bedürfe es noch eines Beweises, dass sie zur nationalen Spitze zählt, liefert die Pressekonferenz vor den Rennen diesen. Links neben Nolte steht der mit Olympiasiegen, WM-Titeln und Gesamtweltcupsiegen dekorierte Francesco Friedrich, rechts rahmen Olympiasiegerin Mariama Jamanka und Deutschlands beste Anschieberin Annika Drazek, zweifache Weltmeisterin, die BSC-Pilotin ein.
Nolte entdeckt unbekannte Seiten
„So langsam realisiere ich, wo ich mich befinde“, sagt Laura Nolte grinsend, ergänzt aber sofort: „Ich muss mich trotzdem zeigen und beweisen, egal, wer links und rechts neben mir steht.“
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Die Erkenntnis, im Weltcup angekommen zu sein, und das komplett neue Drumherum mit einer bedeutend höheren öffentlichen Wahrnehmung lassen Nolte sogar unbekannte Seiten an sich selbst entdecken. „Es wird mir kein Druck gemacht“, sagt sie. „Aber ich mache mir Druck – und ich dachte, ich könnte ihn besser kontrollieren.“
Der Sturz im Trainingslauf – er könnte im Nachhinein ein Schlüsselmoment sein. „Denn ich glaube, ich habe den Druck jetzt wieder ganz gut im Griff“, sagt Nolte.
Einer, der versucht, seiner jüngsten Pilotin im Weltcup-Team vor deren Premiere jeglichen Druck zu nehmen, ist Cheftrainer René Spies. „Sie soll für sich selbst ein schönes Rennen fahren“, sagt der Winterberger, „wir haben überhaupt keine Erwartungen an sie.“
So läuft das Training am Donnerstag
In den meisten Trainingsläufen fährt Nolte mit dieser Vorgabe ziemlich gut. Am Donnerstag beendet sie den zweiten Lauf sogar vor Mariama Jamanka und der starken US-Amerikanerin Kaillie Humphries auf dem ersten Rang. Training ist nicht gleich Wettkampf – aber: Darf es erlaubt sein, ein bisschen zu träumen?
„Wer die Selektion in Deutschland mit Rennen in Altenberg und am Königssee so klar gewinnt, hat das Potenzial, weiter nach vorne zu fahren“, antwortet René Spies. „Aber es strömt so viel auf Laura ein. Sie geht mit einer gewissen Aufregung ins Rennen. Das Wichtigste ist, dass sie ganz gelassen bleibt“, ergänzt er. Dazu beitragen dürfte: Den Aussetzer hat sie sich bereits geleistet.