Winterberg. . Im vergangenen Sommer fuhr ein Lkw Karolin Horchler an. Jetzt startet die Biathletin beim Weltcupfinale in Tjumen – nach einer langen Anreise.

Als sie auf dem von Rentieren gezogenen Schlitten saß und glücklich grinsend mit ihrer großen Trophäe und der Urkunde für die Fotografen posierte, ahnte Karolin Horchler noch nicht, was ihr bevorstand. Sie freute sich vielmehr über etwas, von dem sie im vergangenen Juni kaum zu träumen gewagt hatte. Im russischen Chanty-Mansijsk gewann die 28-jährige Biathletin, die für den WSV Clausthal-Zellerfeld startet und aus Ottlar stammt, zum ersten Mal in ihrer Karriere durch einen dritten Platz im abschließenden Verfolgungsrennen die Gesamtwertung des IBU-Cups.

Hammerschmidt geht extrem motiviert in die Rennen

In Tjumen absolvieren die Damen Sprint (14.45 Uhr), Verfolgung (Samstag, 15 Uhr) und Massenstart (Sonntag, 16 Uhr). „Der Staffelsieg in Oslo und die Verfolgung als das beste Saisonrennen haben mich extrem motiviert“, sagte Maren Hammerschmidt.

„Die Kugel ist so schwer, aber es fühlt sich so gut an, sie in den Händen zu halten“, sagte Horchler, die sich mit 675 Punkten klar vor der Französin Chloe Chevalier (613) durchsetzte. Platz drei belegte Karolin Horchlers drei Jahre ältere Schwester Nadine, die für den SC Willingen aktiv ist. Allerdings durfte auch sie sich über eine kleine Kristallkugel freuen – die für Platz eins in der Gesamtwertung der Individualrennen. Karolin Horchler entschied neben dem Gesamtsieg auch die Sprintwertung für sich. „Drei von vier Kugeln für die Horchlers“, textete sie glückselig unter ein Bild mit ihrer Schwester auf Instagram.

Warum die weltcup-erfahrene Karolin Horchler im vergangenen Juni nicht von so einem Triumph zu träumen wagte? „„Ich hatte viel Glück“, blickte sie bereits Ende des vergangenen Jahres im Gespräch mit hr-sport zurück: „Ich hätte auch nicht mehr unter uns sein können.“

Vom Anhänger gestreift

Wie berichtet war die Biathletin während des Sommertrainings auf Skirollern in ihrer Wahl-Heimat Ruhpolding von einem Lkw angefahren worden. „Er hat mich überholt und mit seinem Anhänger gestreift. Dann bin ich über die linke Schulter in den Graben“, erzählte Horchler damals von ihrem schlimmen Unfall. Sie kam glimpflich davon, erlitt „nur“ einen Schulterbruch, kämpfte sich zurück – und startete auch in dieser Saison bereits wieder im Weltcup.

Karolin Horchler (li.) und Nadine Horchler während der elfstündigen Busreise zum Weltcupfinale.
Karolin Horchler (li.) und Nadine Horchler während der elfstündigen Busreise zum Weltcupfinale. © privat

Für einen dauerhaften Platz im Weltcup-Team reichten die Leistungen aber wie bei ihrer Schwester Nadine nicht. Beim Weltcupfinale im russischen Tjumen, das am Donnerstag mit dem Sprint der Herren und einem weiteren Sieg des Franzosen Martin Fourcade startete, stehen die Horchlers trotzdem im Starterfeld, weil die Besten des zweitklassigen IBU-Cups zusätzliche Startplätze erhalten. „Ich möchte dort meine guten Leistungen der vergangenen Wochen bestätigen“, sagte Karolin Horchler.

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Während der Weltcup-Kader um die Winterberger Biathletin Maren Hammerschmidt und Laura Dahlmeier von der zurückliegenden Station in Oslo/Norwegen einigermaßen entspannt den meisten Teil der Anreise mit dem Flugzeug hinter sich brachte, erlebten Karolin und Nadine Horchler ein Kontrastprogramm. „Wir sind elf Stunden mit dem Bus von Chanty nach Tjumen gefahren“, erzählte Karolin.

Elf Stunden Anreise im Bus

Elf Stunden im Bus – knapp 650 Kilometer durch Sibirien. „In Russland ist alles abenteuerlich. Aber für die Russen sind elf Stunden Busfahrt gar nichts – bei diesen Dimensionen von Land“, sagte Horchler. Es war zwar kein Linienbus, sondern durchaus einer mit Reise-Komfort, welcher die Horchlers transportierte. Aber lediglich eine Pause während der kompletten Fahrt – das forderte den beiden Sauerländerinnen Durchhaltevermögen ab.

Doch diese Strapazen nahmen die Horchlers gerne in Kauf, um sich zum Abschluss der Saison noch einmal auf der großen Bühne ihrer Sportart zu präsentieren. „Ich werde es auf jeden Fall genießen“, sagte Karolin Horchler noch – zu diesem nach dem Lkw-Unfall für sie kleinen sportlichen Wunder.