Berlin. Es war eine Mischung aus Freude und Erleichterung, die bei den Spielern des VfL Bochum nach dem 4:3-Sieg bei Union Berlin vorherrschte.
Arm in Arm standen die Spieler des VfL Bochum vor der Gästekurve, schwankten von links nach rechts. Im Block hielten die Bochumer Fans ihre Schals in die Höhe und sangen. Sie sangen davon, dass sie gemeinsam weitergehen - und vor allem sangen sie vom nahenden Klassenerhalt. Dieser rückt für den VfL Bochum nach einem emotionalen 4:3-Auswärtssieg beim 1. FC Union am Sonntagnachmittag immer näher. Wenngleich er noch längst nicht fix ist.
„Da ist richtig Druck auf dem Kessel“, sagte VfL-Trainer Heiko Butscher nach dem Spiel. Wie groß die Last war, die am Ende abgefallen war, war den Spielern deutlich anzumerken. Torhüter Manuel Riemann stand fast eine halbe Minute jubelnd vor dem Block der Fans und schrie seine Freude heraus, andere waren fix und fertig. Bochum lieferte wieder einmal Drama pur, verspielte fast eine 3:0-Halbzeitführung - um am Ende doch den zweiten Auswärtssieg der Saison zu feiern.
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„Das war ein krankes Auswärtsspiel“, sagte Butscher. „Das macht Fußball aus. Das Spiel hat gezeigt, warum wir Fußball lieben“, so der Trainer. Aber er gab auch zu: „Ich brauche das auch nicht.“ Was er genau meinte? Das Drama, das der VfL Bochum Woche für Woche liefert. Nachdem die Bochumer schon in der vergangenen Woche eine 3:0-Führung gegen die TSG Hoffenheim noch fast verspielten, wurde es erneut eng. Auch in Berlin führte der VfL mit 3:0 - und wieder kam der Gegner ran. Nach einem schnellen Doppelschlag zu Mitte der zweiten Halbzeit schwamm Bochum auf einmal.
Wittek erzielt Doppelpack für den VfL Bochum
Dabei ging es so gut los. Butschers Mannschaft übte mächtig Druck aus auf die Hausherren, nutzte die Verunsicherung. Nach einem Einwurf von Felix Passlack von der linken Seite verlängerten Moritz Broschinski und Bernardo, aber im Zentrum verpasste Keven Schlotterbeck den Kopfball. Nach 15 Minuten belohnte sich der VfL für eine starke Anfangsphase. Nach einem traumhaften Spielzug schoss Maximilian Wittek zur 1:0-Führung ein. Philipp Hofmann gewann zuvor im Mittelfeld sein Kopfballduell und leitete direkt auf Kevin Stöger weiter, der den startenden Moritz Broschinski auf der rechten Seite sah. Dieser spielte flach in die Mitte, wo der mitgelaufene Wittek goldrichtig stand.
Anders als in vielen anderen Spielen in dieser Saison machte Bochum weiter - wie schon gegen Hoffenheim. In der 31. Minute schickte Osterhage Wittek mit einen Steilpass in den Strafraum, der ließ erst Danilho Doekhi ins Leere laufen, schlug noch einen Haken und setzte den Ball humorlos ins kurze Ecke für seinen zweiten Treffer des Tages. Anstatt noch an Ort und Stelle zu feiern, stürmte er über das halbe Feld in Richtung Ersatzbank und lief dort den Ersatzspielern in die Arme. Klares Zeichen: Wir. Zusammen. So wie es die Spieler und Verantwortlichen seit Wochen immer wieder betonen. „Ich war auch oft auf der Seite“, sagte er hinterher. „Das zeigt, was wir für eine Gemeinschaft sind.“
Lettau: „Emotionale Reifeprüfung“ für den VfL Bochum
Als Keven Schlotterbeck dann in der 36. Minute nach einer butterweichen Flanke von Felix Passlack sogar noch vor der Pause auf 3:0 erhöhte, schien der zweite Auswärtssieg der Saison schon in trockenen Tüchern zu sein. Aber der VfL Bochum wäre in dieser Saison nicht der VfL Bochum, wenn er ohne Drama durch ein Spiel käme. „Das war sinnbildlich für die Saison“, sagte Sportdirektor Marc Lettau. Weil Bochum Union wieder ins Spiel kommen ließ, weil die Abstände nicht passten, weil der Zugriff aufs Spiel verloren ging. Der klinisch tote Gegner war plötzlich wieder voll da. Yorbe Vertessen in der 59. Minute erzielte zunächst den Anschlusstreffer. Riemann konnte dem Ball nur hinterhergucken und rüttelte seine Vorderleute auf. Ohne Erfolg. Denn nur drei Minuten später nutzte der ebenfalls eingwechselte Chris Bedia einen Ordets-Patzer und traf zum 3:2.
Butscher wechselte - und setzte offenbar vorerst das richtige Zeichen. Erst scheiterte der starke Kevin Stöger an Rönnow, dann flankte Passlack auf Hofmann, der mit seinem Kopfball ins lange Eck zum 4:2 für Beruhigung der Situation sorgte (70.). Aber nur kurz, weil Benedict Hollerbach das dritte Union-Tor (75.) erzielte. Brenden Aaronson vernaschte zuvor Bernardo und legte quer auf den Stürmer. Doch die Schlussoffensive blieb aus - und der VfL Bochum feiert einen ganz wichtigen Sieg. „Das war eine emotionale Reifeprüfung, die wir bestanden haben“, sagte Lettau voller Stolz, der den VfL Bochum dem Klassenerhalt näher bringt. Oder wie es Schlotterbeck ausdrückte: „Das war purer Wahnsinn.“