Bochum. Im Interview spricht Marc Lettau, Sportdirektor beim VfL Bochum, über den Transferwinter und die Pläne mit Flügelspieler Gerrit Holtmann.
Der VfL Bochum wollte im Winter gern einen flexibel einsetzbaren Stürmer verpflichten, damit gingen die Verantwortlichen um Sportdirektor Marc Lettau offen um. Im Interview erklärt er nun, warum das nicht geklappt hat, wie seine Transferbilanz im Winter generell ausfällt und warum Geritt Holtmann an Konkurrent Darmstadt 98 ausgeliehen wurde. Zudem verrät Lettau eine spezielle Klausel im Vertrag von Bernardo.
Herr Lettau, in den ersten Spielen der Rückrunde hat der VfL Bochum nur vier Tore geschossen, aber auch nur fünf kassiert. Welche Bilanz ist Ihnen wichtiger?
Marc Lettau: Wichtig ist vor allem die Balance zwischen Defensive und Offensive. Die defensive Stabilität war in allen vier Spielen vorhanden, zudem sind wir auch in der Offensive in die Aktionen gekommen und hatten in jedem Spiel die Chance, entweder in Führung zu gehen oder das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Das ist uns nicht gelungen, sodass wir noch Potenzial in der Verwertung unserer Torchancen haben.
Also stimmt die Punktausbeute gemessen an den Möglichkeiten nicht.
Wir werden nicht jedes Spiel, in dem wir 1:0 führen, auch gewinnen und müssen die Effizienz vor dem gegnerischen Tor steigern. Dass sich die Struktur eines Spiels mit zunehmender Spielzeit durch Umstellungen und Wechsel beim Gegner verändert und ein Spiel förmlich „wild“ wird und der Gegner zu Torchancen kommt, wird sich nicht immer vermeiden lassen. Wir müssen die Pressing-Linie auch bei knapper Führung weiter nach vorne schieben und uns die Aktivität im Verteidigen bewahren.
Wird der VfL Bochum benachteiligt, Herr Lettau?
Gegen Augsburg gab es den achten Elfmeter gegen den VfL Bochum. Generell haderte der VfL oft mit vielen Entscheidungen gegen sich. Fühlen Sie sich benachteiligt?
In unserer Wahrnehmung wurden in dieser Saison bereits viele Fehlentscheidungen zu unseren Ungunsten getroffen, die eine Spieldynamik erheblich beeinflussten. Ob es die nicht gegeben Rote Karte für Grifo in Freiburg war, der Strafstoß für Leverkusen oder auch das nicht geahndete Foul von Niclas Füllkrug vor dem zweiten Strafstoß in Dortmund. Weiterhin haben diverse „Kann-Entscheidungen“ gegen uns nicht gerade zum Erfolg beigetragen. Wir erwarten, dass mögliche Fehlentscheidungen vom Schiedsrichterteam sorgfältig überprüft werden und man sich der Sensibilität aufgrund der vielen unglücklichen Entscheidungen in der näheren Vergangenheit bewusst ist. Von Benachteiligung möchte ich allerdings nicht sprechen.
Ist das ein Problem der vermeintlichen „Kleinen“?
Nein. Davon löse ich mich. Wir sind einer von 18 Bundesligisten und kein kleiner Verein. Wir verfügen in der Bundesliga über hervorragende Schiedsrichter und die machen keinen Unterschied zwischen dem VfL Bochum und dem FC Bayern München.
Im Winter haben Sie viel Zeit reininvestiert, um einen „Mobile Striker“ zu verpflichten. Am Ende hat es nicht geklappt. Sind Sie enttäuscht?
Wir hätten mit der Verpflichtung eines Stürmers vom Profil „Mobile Striker“ gerne eine weitere Handlungsalternative geschaffen, da wir hier vor allem personell noch Potenzial gesehen haben. Das sollte jedoch ein Qualitätsspieler sein, den wir fest verpflichten oder wo wir zum Sommer hin einen entsprechenden Hebel gehabt hätten. Da wir vom Potenzial unserer Spieler überzeugt sind und die Rolle auch von Spielern wie Moritz-Broni Kwarteng oder Lukas Daschner ausgefüllt werden kann, sind wir nicht enttäuscht und freuen uns vielmehr auf die weitere Entwicklung unserer Spieler.
Marco Grüll spielt ab Sommer für Werder Bremen. Aber es gab ja noch mehr Gespräche mit Spielern. Helfen die jetzt für den Sommer?
Natürlich. Die Gespräche für die mögliche Besetzung der vakanten Position laufen schon seit geraumer Zeit und es ist nicht auszuschließen, dass sich bereits angeschobene Themen in Richtung Sommer umsetzen lassen. Wir müssen kreativ und schnell sein und mit einer sportlichen Perspektive überzeugen, um uns gegen wirtschaftlich stärkere Clubs durchzusetzen.
Wie fällt Ihre Transferbilanz im Winter dann aus?
Die sportliche Leistungsfähigkeit unseres Kaders ist für VfL-Verhältnisse wirklich sehr gut, so dass wir im Winter keine Notwendigkeit gesehen haben, zwingend nachjustieren zu müssen. Wir mussten die Torhüterposition aufgrund des Ausfalls von Michael Esser mit Andreas Luthe nachbesetzen und haben mit Agon Elezi einen Potenzialspieler dazugeholt. Weiterhin haben wir eine sinnvolle Leihmöglichkeit für Mats Pannewig gefunden, damit er Spielpraxis sammeln kann. Und auch Jordi-Osei Tutu und Gerrit Holtmann stehen hoffentlich regelmäßiger auf dem Platz als zuletzt.
Dass Holtmann, dessen Vertrag beim VfL noch bis zum Sommer 2025 läuft, jetzt auf Leihbasis bis zum Saisonende in Darmstadt und damit für einen Abstiegskonkurrenten stürmt, stieß bei einigen Fans auf Kritik.
Wir hoffen, dass Gerrit Holtmann wieder regelmäßig auf den Platz kommt. Er ist ab Sommer wieder hier. Bei Antalyaspor erhielt er wenig Einsatzzeit. Ohne viel Spielzeit aus der Türkei zurückzukommend wäre es schwierig, hier wieder Fuß zu fassen. Bei aller Konkurrenz: Wir haben die Überzeugung und das Selbstvertrauen, dass wir Darmstadt auch mit Gerrit Holtmann hinter uns lassen.
Im Sommer könnte es das eine oder andere Angebot für Spieler geben. Patrick Osterhage etwa spielt sich immer mehr in den Fokus. Oder Bernardo. Auch Erhan Masovic hat seinen Preis. Ist der VfL auf Transfererlöse angewiesen?
Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit auf Sicht weiter erhöhen und müssen dazu das Umsatzvolumen steigern. Der größte Hebel hierbei sind potenzielle Transfereinnahmen, die wiederrum sinnvoll reinvestiert werden müssen. Ohne Spielerverkäufe werden wir beim VfL auch hinsichtlich von uns zu investierenden Ablösen keine Quantensprünge machen. Die genannten Spieler stehen alle längerfristig – fix oder per Verlängerungsoption – unter Vertrag. Wie beispielsweise bei Bernardo, dessen Vertrag sich nächste Saison bei Klassenerhalt und bestimmter Anzahl an Einsätzen automatisch um ein Jahr bis Juni 2026 verlängert.
Was sind die Kernziele in der kommenden Sommertransferperiode? Geht es weiter um eine Verjüngung?
Unser mittelfristiges Transferziel ist die Fortentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit im Zusammenspiel mit einer perspektivischen Verjüngung des Kaders zur Schaffung von Wiederverkaufswerten. Im Sommer werden wir die Spitze unseres Kaders weiter stärken und mit Potenzialspielern ergänzen. Es wird sich nicht gänzlich vermeiden lassen, die Qualität punktuell auch durch Leihspieler zu erhöhen. Grundsätzlich sind wir allerdings bestrebt, die Anzahl an Leihspieler auf ein Minimum zu reduzieren.
Aktuell sieht es nicht danach aus – aber haben Sie beim Thema Kaderplanung auch einen möglichen Abstieg im Blick?
Natürlich, das ist meine Pflicht und es wäre fahrlässig nicht zweigleisig zu planen. Der Plan B liegt in der Schublade. Aber ich gehe davon aus, dass er dort auch über den Sommer hinaus bleibt.
Dafür braucht es Punkte. Warum kann der VfL Bochum bei Eintracht Frankfurt welche holen?
Weil wir in den Dingen, die wir machen, sehr gut sind. Wenn wir es schaffen, das Ballbesitzspiel der Frankfurter durch unser hohes Pressing entscheidend zu stören und aus diesen Balleroberungen Torchancen zu kreieren, dann ist viel drin.
Und dann kommt der FC Bayern…
Auf unserem frisch verlegten Rasen. Das wird ein Höhepunkt der Saison.
Wie viele Punkte braucht es, damit der VfL Bochum nicht absteigt?
Wenn wir auch theoretisch nicht mehr absteigen können, haben wir die erforderliche Punktzahl. Bis dahin sollten wir ausschließlich in fußballerischen anstatt arithmetischen Lösungen denken.