Bochum. Michael Esser kann beim VfL Bochum weiterhin nicht trainieren. Sein Knie macht seit Monaten Probleme. Ein Besuch beim Keeper.

Michael Esser sitzt - die Beine ausgetreckt - in einem Cafe in der Innenstadt von Castrop-Rauxel, nimmt einen Schluck seines Kaffees und fängt an zu erzählen. Seine Stimme ist ruhig, er wirkt aufgeräumt. Doch ein wenig ist ihm der Frust anzumerken, dass er an diesem Vormittag Zeit für ein Gespräch hat, statt ein paar Kilometer weiter südlich auf dem Leichtathletik-Platz am Bochumer Ruhrstadion mit dem Rest der Mannschaft des VfL Bochum eine Trainingseinheit zu absolvieren.

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Michael, genannt Bruno, Esser fehlt seit Ende August verletzungsbedingt. An Fußballspielen sei derzeit noch nicht zu denken, sagt der Torhüter. „Im jetzigen Zustand kann ich der Mannschaft nicht helfen“, sagt er. Der VfL Bochum reagierte daher im Winter, holte Andreas Luthefür ein halbes Jahr zurück, damit dieser in seiner Heimat die Karriere beenden kann und sich die Verantwortlichen mit einem erfahrenen Keeper im Kader absichern konnten, falls Stammkeeper Manuel Riemann mal verletzt oder gesperrt fehlen sollte. Luthe kam also für die Rolle, die Esser hätte auch in dieser Saison spielen sollen. An dem Tag des Gesprächs mit Esser absolvierte Luthe seine erste Trainingseinheit in blau-weiß seit 2016.

VfL Bochum holt Andreas Luthe als Ersatz für Michael Esser

Frust über die Rückkehr Luthes herrscht bei Esser aber nicht. Die beiden hätten ein gutes Verhältnis. „Ich habe ihm geschrieben, nachdem die Meldung kam“, sagt Esser. Die beiden Torhüter kennen sich schon aus gemeinsamen Zeiten beim VfL Bochum. Ob sie nun aber auch noch einmal gemeinsam auf dem Trainingsplatz stehen werden? Das ist derzeit offen. „Die Verletzung braucht Zeit, um auszuheilen. Es wird noch Wochen dauern, bis ich wieder belastbar bin“, sagt Esser. Zeit, die er mit seinen 36 Jahren eigentlich nicht mehr hat. Das Ende der eigenen Karriere haben Fußball-Profis in diesem Alter durchaus vor Augen. Wenngleich Torhüter das oftmals etwas weiter hinauszögern können, als die Kollegen auf dem Feld.

Spielten schon Mitte des vergangenen Jahrzehnts zusammen beim VfL Bochum: Michael Esser und Andreas Luthe (r.).
Spielten schon Mitte des vergangenen Jahrzehnts zusammen beim VfL Bochum: Michael Esser und Andreas Luthe (r.). © WAZ FotoPool | Udo Kreikenbohm

Doch bei Esser ist derzeit nichts abzusehen. Nachdem er sich im Sommer das Knie verdrehte, dachte er noch, er könne zügig wieder auf dem Feld stehen. Die Verletzung am Meniskus sollte konservativ behandelt werden. Doch je mehr er sein Pensum steigerte, desto mehr tat das Knie weh. Es stellte sich heraus, dass sich ein Knochenödem gebildet hatte und der Meniskus eine Operation nötig macht. Nach einer erneuten Pause, Physiotherapie und ersten Läufen und Sprüngen gegen Ende des vergangenen Jahres der erneute Rückschlag: das Knie machte erneut Probleme. Treppen steigen oder längeres Laufen wurden zum Problem. Erneut hatte sich ein Knochenödem gebildet - dieses Mal am Oberschenkelknochen.

Michael Esser hat Anschlussvertrag beim VfL Bochum

Nachdem Esser über Weihnachten und Neujahr fleißig in der Reha arbeitete war klar: es wird nicht zum Rückrundenauftakt reichen, vermutlich nicht einmal zum Frühjahr. Das Knie braucht Ruhe. Viel machen könne er derzeit nicht. Er halte sich zwar fit, führe ansonsten als zweifacher Vater ein Familienleben mit üblichen Pflichten - vor allem als Eltern-Taxi. Der gebürtige Castrop-Rauxler informierte die Bochumer Verantwortlichen Marc Lettau und Patrick Fabian, diese schauten sich nach einer Alternative um und fanden sie in Luthe. „Ich muss Marc und Patti ein Kompliment machen“, sagt Esser. Beide würden ihn zwar unterstützen, aber keinerlei Druck ausüben. Planungssicherheit hat der VfL Bochum nun erst einmal, über den Sommer hinaus will Esser dann noch einmal eine Alternative darstellen.

Im Sommer war Michael Esser im Trainingslager noch voll dabei.
Im Sommer war Michael Esser im Trainingslager noch voll dabei. © FUNKE Foto Services | Dennis Ewert/RHR-FOTO

Wie realistisch das ist? Das vermag Esser nicht zu sagen. „Erst Lauftraining, danach könnten Sprünge hinzukommen“, so der 36-Jährige. „Ich hoffe, dass ich gegen Ende der Saison wieder in Mannschaftstraining einsteigen kann.“ Um sich so noch einmal für einen neuen Vertrag als Spieler des VfL Bochum empfehlen zu können, die Option im Vertrag besitzt er ohnehin. „Das Karriereende versuche ich so lang wie möglich hinauszuzögern“, sagt Esser. Und wenn es nicht klappt, würde Esser in kein Loch fallen. Der VfL Bochum stattete ihn bei der letzten Vertragsverlängerung mit einem Anschlussvertrag als Torwarttrainer im Jugendbereich aus. „U19-Trainer Heiko Butscher buhlt schon um mich“, sagt er mit einem Lächeln.

Er habe zwar „Bock drauf“ diesen Job irgendwann auszuüben. Ein bisschen das Leben als Fußballprofi, das ihn unter anderem zu Sturm Graz, Hannover 96 und Darmstadt 98 führte, will er dann aber doch führen. „Ich freue mich auf den Konkurrenzkampf“, sagt er. „Wenn ich fit werde, dann können sich die Jungs warm anziehen.“ Sollte das Knie aber nicht mitspielen, dann wäre es eben so, sagt Esser, nimmt einen letzten Schluck Kaffee und sagt: „Wenn ich dann sage, dass ich aufhöre, wird es endgültig sein.“