Bochum. Eine Zaunfahne der Fans des VfB Stuttgart sorgte für ein 45-minütige Verzögerung gegen den VfL Bochum. Die Gründe für das Chaos im Ruhrstadion.

Marc Lettau sprach am Samstagabend erst gar nicht um den heißen Brei herum. „Unterm Strich standen wir kurz vor einem Spielabbruch“, sagte der Sportdirektor des VfL Bochum nach dem knappen 1:0-Sieg über den VfB Stuttgart. Dieser wäre aber so fast gar nicht zustande gekommen, denn die zweite Halbzeit begann erst mit einer gut 45-minütigen Verzögerung. Immerhin: sie begann.

+++ Stuttgarter Zaunfahne verhindert Wiederanpfiff des Bochum-Spiels +++

Der Grund für diese ungewöhnliche Verzögerung war mindestens eine Zaunfahne der Ultras des VfB Stuttgart. Diese hing über Fluchttoren, über die Zuschauer in einem Notfall von der Tribüne in den Innenraum des Ruhrstadions gelangen können. Aus Sicht des Veranstalters, also des VfL Bochum, sei dadurch ein Fluchtweg versperrt gewesen. „Es wurden dabei wesentliche Flucht- und Rettungswege blockiert“, teilte der Verein mit. Erst 56 Minuten nach dem Pfiff zur Halbzeit wurde das Spiel wieder angepfiffen. Für den VfL Bochum hatte sich die Fortsetzung gelohnt. Durch ein Tor von Matus Bero in der 50. Minute gewannen die Bochumer.

Ultra-Zaunfahnen des VfB Stuttgart sorgten für Bedenken

Die erste Halbzeit begann aufgrund einer ähnlichen Problematik schon leicht verzögert. „Dem Protestbanner, das gemäß Auskunft der Gästefans nach zwölf Spielminuten abgenommen werden sollte (und auch wurde), haben Veranstaltungsleitung, Sicherheitsbeauftragter und Feuerwehr aufgrund des überschaubaren Zeitraums und verstärkten Personals zugestimmt. Deshalb kam es zu einer Verzögerung von drei Minuten“, teilte der VfL Bochum mit. Nach einem Test, ob das Fluchttor denn trotz eines Banners - zu Spielbeginn hing am Zaun der Westkurve, wo die Stuttgarter Fans standen, noch ein Protestbanner gegen den geplanten Investoren-Einstieg bei der DFL - aufgeht, pfiff Schiedsrichter Bastian Dankert an.

Die Verantwortlichen des VfB Stuttgart suchen den Dialog mit den Fans.
Die Verantwortlichen des VfB Stuttgart suchen den Dialog mit den Fans. © Getty Images Europe | Christof Koepsel

Aus Sicht der Bochumer Verantwortlichen hingen die Anhänger des VfB Stuttgart während das Protestbanner noch den Zaun prägte, dahinter die Gruppen-Zaunfahnen der Ultras auf. Erneut über Fluchttore hinweg. „Als während der laufenden ersten Halbzeit die regelwidrig angebrachten Zaunfahnen unter dem zuvor abgenommenen Protestbanner sichtbar wurden und die Fluchttore blockierten, haben sich alle Parteien, die für die ordnungsgemäße Durchführung des Spielbetriebs zuständig sind, darauf verständigt, das Spiel weiterlaufen zu lassen“, teilte der VfL Bochum mit. Diese Zaunfahnen hingen nach Informationen dieser Redaktion schon zuvor beim ersten Test. In der Halbzeit veranlasste der Veranstaltungsleiter den Schiedsrichter dann dazu, das Spiel zunächst nicht wieder anzupfeifen. In Gesprächen mit allen Verantwortlichen „wurde klargestellt, dass die Veranstaltungsleitung aufgrund der Geschehnisse und unter Berücksichtigung der Vorgeschichte(n) das Spiel nach der Halbzeit nicht fortsetzen kann“, so der VfL in einer Stellungnahme.

VfB Stuttgart sah kein Sicherheitsrisiko

Doch lange tat sich nichts. Fans, Verantwortliche und Spieler diskutierten vor der VfB-Kurve, die Aktiven hielten sich derweil auf dem Platz warm. Der VfB Stuttgart beklagte in einer Stellungnahme, dass die Zuständigkeits- und Kommunikationsfrage für die lange Unterbrechung sorgte. „Ursache war jeweils, dass der Veranstalter und die Sicherheitsbehörden im Bochumer Stadion die Rettungswege und insbesondere ein großes Fluchttor aus dem Gästefanblock trotz vorheriger Besichtigung als nicht hinreichend gangbar erachteten und somit die Veranstaltungsstätte nicht freigaben“, teilte der VfB Stuttgart mit. Die Schwaben hatten zu keinem Zeitpunkt Sicherheitsbedenken.

Banner der Stuttgarter Ultras
Banner der Stuttgarter Ultras © dpa | David Inderlied

Der Veranstalter sah das offenbar anders. Erst nachdem die Feuerwehr nach gut 40 Minuten hinzugezogen wurde und testweise die Fluchttore im Panikmodus geöffnet wurden, konnte die Partie weitergehen. „So wie es an uns herangetragen wurde, sind die Ösen der Banner gelöst worden, wodurch die Flucht-Tore zumindest geöffnet werden konnten und man dann auch in den Innenraum hätte flüchten können“, sagte Bochums Sportdirektor Lettau nach dem Spiel.

Schiedsrichter Bastian Dankert verteidigte die lange Spielunterbrechung nach der Halbzeitpause: „Wir haben diesen Moment ausgereizt. Spielabbruch ist immer der letzte Weg, deshalb haben wir alles versucht, um das Spiel zu Ende zu bringen“, sagte der Unparteiische. „Wir haben die Ruhe behalten und es letztendlich ganz gut über die Bühne gebracht.“ Laut Regelwerk müsse, so der Schiedsrichter, nach 30 Minuten Unterbrechung „ein bisschen Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen sein. Der Kompromiss nach langen Diskussionen: Die Aufhängung des Ultras-Banner wurde gelockert, so dass das Tor geöffnet werden konnte. Die Feuerwehr gab daraufhin grünes Licht. Nach erneutem Aufwärmen der Spieler begann die zweite Halbzeit, als bei den Parallelspielen bereits die Schlussminuten liefen.

Gladbach-Ultras sorgten bereits für Probleme in Bochum

Es war nicht das erste Mal, dass Zaunfahnen von Gästefans für eine Spielverzögerung in Bochum sorgen. In der Hinrunde konnte die Partie gegen Borussia Mönchengladbach erst verspätet beginnen, weil Gladbacher Fans ihre Banner ebenfalls nicht regelkonform an den Zaun knüpften. „Wir weisen in schriftlicher Form unsere Gastmannschaften darauf hin, dass entsprechende Vorkehrungen zu treffen sind, dass die Flucht-Tore eben frei bleiben müssen“, erklärte Lettau am Samstagabend.

In den Faninfos, die der VfB am Donnerstag auf der vereinseigenen Homepage veröffentlichte, ist auf einem Bild beschrieben, wo keine Fahne am Zaun des Ruhrstadions hängen darf. „Die Öffnungen der Fluchttore sowie die Werbebanden dürfen nicht überhangen werden“, wird dort zudem erklärt. „Und es wird von Vereinsseite am Spieltag begleitet und auch dann nochmal darauf hingewiesen, dass es eben nicht möglich ist“, sagte Lettau. Und dennoch gab es Probleme, die zu einer Rekordverzögerung führte, die selbst erfahrene Spieler wie VfL-Kapitän Anthony Losilla noch nicht erlebten. „Das war das längste Spiel, das ich je gespielt habe“, sagte er. VfL-Trainer Thomas Letsch hatte kein Verständnis für die lange Verzögerung. „Mein Gott, hängt das Plakat ab. Das bricht niemandem einen Zacken aus der Krone“, sagte er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.