Gelsenkirchen. Clemens Tönnies erhöht den Druck auf die aktuelle Führung des FC Schalke 04. Der aktuelle Vereinsboss Matthias Tillmann nimmt Stellung.
Die Worte lassen an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig: „Die Situation ist ernst, das ist uns allen bewusst“, heißt es gleich zu Anfang. Man müsse „die Strukturen im Verein anpassen, insgesamt schlanker sein und fokussierter agieren“ und überhaupt habe Schalke 04 „über Jahre zuweilen schlechte oder falsche Entscheidungen getroffen und uns damit in die aktuelle Lage gebracht“. So war es am Dienstagnachmittag auf 16 Uhr nachzulesen auf dem offiziellen Internet-Auftritt des Klubs. Und da war nicht etwa aus Versehen die Abrechnung eines Kritikers veröffentlicht worden, nein: Es handelte sich um ein ausführliches Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Matthias Tillmann.
Und in seiner Analyse unterschied sich Tillmann gar nicht fundamental von den Ausführungen eines anderen Mannes, der sich am Dienstag fast zur gleichen Zeit zu Wort meldete: Clemens Tönnies, einst starker Mann beim FC Schalke 04, ab 1994 im Aufsichtsrat und von 2001 bis 2020 dessen Vorsitzender. Tönnies hatte lange geschwiegen, hatte sich nicht geäußert zum Handeln seiner Nachfolger, zumindest nicht öffentlich. Wer ihn beobachtete, sich mit ihm austauschte, der erkannte erstens, dass Schalke dem 67-Jährigen weiterhin am Herzen liegt, dass er genauestens beobachtet, was die aktuelle Klubführung unternimmt – und dass er zweitens zutiefst besorgt ist über die Lage und die Entwicklung auf Schalke ist.
FC Schalke 04: Tönnies zählt aktuelle Vereinsführung an
So besorgt, dass er sich gegenüber dieser Redaktion nun doch zu Wort meldet. Und dabei wird klar: in der Analyse mag es Parallelen zur aktuellen Klubführung geben, bei den Konsequenzen aber liegt man weit auseinander. Immer wieder zählt Tönnies die aktuelle Führung in deutlichen Worten an: „Schalke steht sportlich und wirtschaftlich vor dem Abgrund“, meint er. Und Tönnies‘ Wort hat nicht nur deswegen Gewicht, weil er über viele, viele Jahre die Geschicke auf Schalke bestimmte – sondern auch, weil er über das Unternehmen Böklunder, Teil seines Fleisch-Imperiums, zu den großen Sponsoren der Königsblauen zählt. Und weil dieser Vertrag, ähnlich wie viele andere, in Kürze ausläuft.
Ob und zu welchen Konditionen die zahlungskräftigen Sponsoren an Bord bleiben, das ist eine der vielen bangen Fragen, die den Klub bewegen. Es ist kein Geheimnis, dass unter den Geldgebern große Sorge und auch Unzufriedenheit herrschen. Kein Wunder: Schalke, mit dem Ziel Aufstieg in die Zweitligasaison gestartet, kämpft im Tabellenkeller gegen den Absturz in die 3. Liga, die sportlichen Auftritte sind meist schwach, die wirtschaftliche Lage ist traditionell angespannt. Und seit Wochen wird geraunt, dass sich einige Helden der Vergangenheit gemeinsam mit potenten Sponsoren zu einer Opposition gegen die aktuelle Klubführung um Vorstandsboss Tillmann und Aufsichtsratschef Axel Hefer formiert – weshalb diese Redaktion bei den großen Geldgebern nachfragte. Nicht alle reagierten, Antworten aber gab es von Veltins, Hagedorn, Stölting und eben von Tönnies.
Schalke-Sponsoren äußern sich zur angeblichen Opposition
Bei Veltins, seit 1997 Partner des Klubs und aktuell Trikotsponsor, reagiert man äußerst diplomatisch: „Wir wissen nichts von einer sogenannten Oppositionsgruppe“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Vereinspolitik kommentiere man nicht: „Für uns sind die Funktionsträger im Klub die relevanten Gesprächspartner, mit denen wir stets konstruktive Gespräche über die Zusammenarbeit im Sponsoring geführt haben und auch aktuell führen.“ Von Stölting heißt es: „Wie wohl die allermeisten Schalke-Fans sind wir mit der aktuellen Lage des Vereins nicht glücklich. Im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen wir deshalb alles, was unseren Verein nach vorn bringt. Wir tun dies auf konstruktive Art, wie es angebracht ist.“
Um einiges deutlicher wird man bei Hagedorn: „Der Verein befindet sich sportlich und wirtschaftlich in einer ziemlich schlechten Lage, das kann man nicht schönreden“, lässt der Geschäftsführende Gesellschafter Thomas Hagedorn erklären. „Es müssen gemeinsame Gespräche stattfinden und um die Zukunft des Vereins zu sichern, braucht es zwingend strukturelle und personelle Veränderungen.“ Ein Sponsor, der persönliche Veränderungen fordert – das ist in dieser Deutlichkeit ungewöhnlich. Und es geht in eine ähnliche Richtung wie die Aussagen von Clemens Tönnies, was kein Zufall sein muss: Hagedorn und Tönnies sind seit Jahren befreundet, die Unternehmenssitze liegen nicht weit voneinander entfernt.
Teil einer Oppositionsgruppe wollen sie aber beide nicht sein: „Uns ist keine sogenannte Oppositionsgruppe bekannt“, erklärt Tönnies. „Und wenn es sie gäbe, wäre Böklunder auch kein Teil davon.“ Aber natürlich tausche man sich aus unter den Sponsoren und natürlich mache man sich seine Gedanken: „Teilweise sind wir schon mehrere Jahrzehnte mit dem Verein eng verbunden und sind uns einig, dass es noch nie so schlimm um unser Schalke stand. Es muss sich grundlegend etwas ändern.“
Schalke: Wie ist es um die Catering- und Marketingrechte bestellt?
Tönnies selbst, sagt er, strebt nicht zurück in eine aktive Rolle: „Ich selber werde aber kein offizielles Amt mehr auf Schalke bekleiden.“ Aber auf eine Veränderung hinwirken, das möchte er schon: „Wenn der Vorstand und Aufsichtsrat erkannt haben, dass ein Kurswechsel her muss, stehe ich immer mit Rat und Tat zur Seite“, erklärt der 67-Jährige. „Ich würde über mein Netzwerk ein gutes Team finden, das helfen kann. Es braucht Veränderungen. Die Gremien und Ämter müssen mit Experten aus Wirtschaft und Sport mit einem breiten Netzwerk besetzt werden.“ Denn so wie jetzt könne es nicht weitergehen: „Die katastrophale Entwicklung der vergangenen drei Jahre treibt doch jedem Schalker Tränen in die Augen.“
Eine Sorge einiger Sponsoren: dass Catering- oder Marketingrechte verkauft werden und damit Tafelsilber verscherbelt wird, um kurzfristig Löcher in der Kasse zu stopfen. Von einem Verkauf aber könne keine Rede sein, meint Tillmann: „Aktuell bewerten wir sehr intensiv, ob wir unsere Vertriebskraft strukturell durch einen externen Dienstleister verstärken können.“ Man verkaufe nichts, sondern kaufe eventuell eine Dienstleistung ein, um bei der Vermarktung auf mehr Expertise und ein breiteres Netzwerk setzen zu können. Denn nach Informationen dieser Redaktion hat Schalke in den vergangenen Jahren einige wichtige Mitarbeiter in diesem Bereich verloren. Und wie es mit den Cateringrechten weitergehen soll, werde aktuell ebenfalls geprüft.
Insgesamt gibt sich Tillmann zuversichtlich: „Wir sind über 180.000 Mitglieder, haben eine riesige Fangemeinschaft“, sagt er. „In diesem Zusammenschluss werden wir auch diese Herausforderungen meistern.“ Einige gewichtige Geldgeber aber muss er davon offensichtlich noch überzeugen.