Essen. Huub Stevens feiert seinen 70. Geburtstag. Als Trainer gewann er mit Schalke 04 den Uefa-Pokal. Mit seiner Art kam er im Ruhrgebiet an.

Huub Stevens hatte um Diskretion gebeten. Doch das juckte Rudi Assauer herzlich wenig. Als der großspurige Manager den Trainer in dessen niederländischen Heimat besuchte, parkte er sein Auto direkt vor dem Haus. Auf dem Pkw stand unübersehbar: FC Schalke 04. Von Geheimverhandlungen konnte also nicht die Rede sein.

Stevens rechnete nicht damit, dass Roda JC Kerkrade ihn freigeben sollte. Er sollte sich täuschen. Der Niederländer wechselte im Herbst 1996 in die Fußball-Bundesliga. Schalke und Stevens - das passte auf Anhieb. Die Fans wählten den Mann, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, sogar zum Jahrhunderttrainer.

Schalke feiert mit Stevens in Mailand

Diesen Titel verdiente sich Stevens durch einen Erfolg im Uefa-Cup. Dabei hatte für ihn die Europapokal-Saison 1996/1997 mit einer Niederlage begonnen. Stevens scheiterte mit Kerkrade an Schalke, zwei Wochen später übernahm er bei den Königsblauen für den entlassenen Jörg Berger. Den Erfolgsweg bis zum Gewinn der Trophäe kann jeder Schalker Fans heute noch besingen: Trabzonspor, FC Brügge, FC Valencia, CD Teneriffa und Inter Mailand - das war ‘ne Show.

Stevens setzte auf einen Fußball ohne Chichi. Für ihn war es wichtig, dass seine Mannschaft in der Defensive sicher stand. „Die Null muss stehen“, lautete Stevens‘ Leitsatz. Und Spielertypen wie Yves Eigenrauch, Jiri Nemec oder Marc Wilmots passten perfekt zu seinem Stil.

Stevens schuf einen guten Teamgeist. „Als wir zum ersten Mal nach dem Spiel gemeinsam gegessen haben, habe ich gesagt: Es gibt jetzt keine einzelnen Tische mehr, sondern nur noch einen großen Tisch“, sagte er dieser Zeitung einst im Interview. „Solche Dinge haben uns noch stärker gemacht.“ Und so feierte er in Mailand den größten Erfolg der Schalker Vereinsgeschichte.

Assauer jubelte, Stevens war skeptisch

Auch beim bittersten Moment war Stevens der Trainer der Königsblauen. 2001 bejubelte Rudi Assauer den vermeintlichen Gewinn der Deutschen Meisterschaft, Fans lagen auf dem Rasen des Parkstadions in den Armen. Doch Stevens war skeptisch. „Ich hatte ein komisches Gefühl, ich musste meine Ruhe haben“, sagte er. Stevens ging in seine Trainerkabine, sah im Fernsehen, wie Patrik Andersson für den FC Bayern traf und Schalke damit um den Titel brachte.

Stevens trommelte seine Spieler zusammen und hielt eine Ansprache. „Wir können jetzt weinen, aber wir können auch stolz sein. Wir haben uns für die Champions League qualifiziert“, sagte der Trainer. Für einen Stimmungsumschwung konnte er nicht sorgen.

Ein Jahr später war erneut Wehmut angesagt: 2002 verabschiedete sich Stevens aus Gelsenkirchen – als zweimaliger DFB-Pokalsieger. Er arbeitete noch für fünf weitere deutsche Klubs, trainierte Hertha BSC, den 1. FC Köln, den Hamburger SV, den VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim. Doch Schalke blieb – neben der PSV Eindhoven – immer sein Klub.

Aus einem Arbeiterviertel in Sittard

Stevens passte mit seiner Art ins Ruhrgebiet. Er wuchs in einem Arbeiterviertel der Stadt Sittard auf, sein Vater arbeitete als Bergmann. Huub Stevens war Malocher auf dem Rasen und schaffte es in die niederländische Nationalmannschaft. Der ehemalige PSV-Trainer Jan Reker bezeichnete den Vorstopper als Spieler „mit rauer Schale und hartem Kern“.

So trat Stevens auch auf Schalke auf, das einte ihn mit seinem guten Freund Rudi Assauer. Er knurrte Journalisten gerne zurecht. Die Pressevertreter rechneten schon damit, dass ein „Guten Tag“ mit den Worten erwidert wird: „Das entscheiden immer noch wir, und nicht die Journalisten.“

Auch sein Herzensklub bereitete ihm in den vergangenen Jahren schlechte Laune. Und trotzdem duckte sich Stevens nie weg, wenn es um Schalke ging. In der Chaossaison 2020/2021 sprang er mal wieder für zwei Spiele ein. Am Ende musste Stevens miterleben, wie Schalke in die Zweite Liga abstieg.

Aktuell ist die Situation noch prekärer. An seinem 70. Geburtstag ist Schalke ein abstiegsgefährdeter Zweitligist. Es drohen künftig Duelle mit dem 1. FC Bocholt und dem Greifswalder FC. Eine Rettungsmission unter Stevens scheint ausgeschlossen. Der Jubilar hat seine Trainerkarriere aus gesundheitlichen Gründen beendet. Stevens ist häufig als Zuschauer in der Arena zu Gast – und leidet mit seinen Schalkern.