Gelsenkirchen/Brüssel. Vor dem Duell seiner Ex-Klubs Fortuna und Schalke spricht Benito Raman über den Abstieg mit S04, Karel Geraerts und seine Situation in Belgien.
Wenn Schalke 04 an diesem Samstag (20.30 Uhr/Sky und Sport1) bei Fortuna Düsseldorf antritt, wird auch Benito Raman ganz genau hinschauen. Der 29 Jahre alte Stürmer spielte sowohl für S04 als auch für die Fortuna und verfolgt seine beiden Ex-Klubs und den deutschen Fußball auch aus Belgien noch intensiv.
Im WAZ-Interview spricht Raman, der inzwischen bei RSC Anderlecht unter Vertrag steht, über seinen unrühmlichen Abschied aus Gelsenkirchen, die Fan-Angriffe nach dem Abstieg 2021, seinen Landsmann Karel Geraerts und seine Zukunft – denn Raman kann sich gut vorstellen, schon bald wieder in Deutschland zu spielen.
Herr Raman, Ihr Abschied aus Deutschland liegt inzwischen mehr als zwei Jahre zurück. Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Schalke 04 denken?
Benito Raman: Die Fans. Obwohl ich inzwischen in Anderlecht spiele, verfolge ich noch genau, was auf Schalke passiert und bin immer wieder fasziniert von dieser Leidenschaft auf Schalke. Obwohl es viele Personalwechsel gab, kenne ich noch einige Jungs aus der Mannschaft und aus dem Staff und drücke Schalke die Daumen.
Interessant, dass Sie trotz Ihres unrühmlichen Abschieds nach dem Abstieg 2021 zuerst an etwas Positives denken.
Raman: Natürlich, rund um unseren Abstieg ist viel Mist passiert. Aber das liegt in der Vergangenheit. Ich hatte nie etwas gegen den Klub oder die Fans und habe mich total gefreut, als Schalke 2022 aufgestiegen ist. All meinen alten Kollegen habe ich damals per WhatsApp gratuliert.
Als der Abstieg im April 2021 nach der Niederlage in Bielefeld feststand, wurde die Mannschaft von einigen Fans um die Arena gejagt. Wie haben Sie diese traumatischen Erlebnisse verarbeitet?
Raman: Ich selbst war nicht dabei, weil ich zu diesem Zeitpunkt verletzt war und in Bielefeld nicht im Kader stand. Doch trotzdem haben mich diese Ereignisse schockiert. Diese Zeit war extrem schwierig für uns alle – zumal wir als Mannschaft kurz nach diesen Angriffen in die damalige Corona-Quarantäne mussten, abgeschottet von Freunden und der Familie. Ich konnte meine Frau und unser Baby damals nicht sehen. Ich habe ein paar Wochen gebraucht, aber habe es danach recht schnell wieder geschafft, mich auf den Fußball zu konzentrieren.
"Ich bin ich extrem stolz, auf Schalke gespielt zu haben"
Nach den Angriffen auf die Mannschaft wurde Ihr Haus von einer Sicherheitsfirma bewacht.
Raman: Wir hatten die Möglichkeit, uns für einige Tage schützen zu lassen – und ich habe das Angebot angenommen. Schon, um meinen Sohn und meine Frau zu schützen. Wir haben unweit des Stadions gewohnt, direkt neben Amine Harit und Suat Serdar. Sie wurden von Angreifern ja bis nach Hause verfolgt.
Sie scheinen mit den Erlebnissen abgeschlossen zu haben.
Raman: Schon zum Start der Zweitligasaison hatte sich die Situation wieder beruhigt. Seitdem geht es zwischen den Fans und den Spielern wieder bergauf. Natürlich war ich damals extrem frustriert über den Abstieg, weil ich ganz andere Ambitionen hatte – aber so ging es doch allen von uns. Aus der Emotion heraus habe ich damals unschöne Dinge über den Klub gesagt. Es war nicht die richtige Art und Weise, aber es ist Vergangenheit und tut mir leid. Rückblickend bin ich extrem stolz, auf Schalke gespielt zu haben und denke gern an einige tolle Momente zurück.
Im ersten Halbjahr nach Ihrem Wechsel von Düsseldorf nach Gelsenkirchen lief es noch gut für Sie und die Mannschaft.
Raman: Ganz ehrlich: Diese Monate waren die beste Zeit meiner bisherigen Karriere. Schon im Pokal in Bielefeld habe ich doppelt getroffen, gegen Union Berlin ist mir auch ein tolles Tor gelungen. Mit der Corona-Pause im März ging es dann bergab.
Besser lief es für Sie zuvor in Ihren zwei Jahren bei Fortuna Düsseldorf. Besonders glänzen konnten Sie 2019 bei einem 4:0-Sieg der Fortuna auf Schalke.
Raman: (lacht) Damals habe ich auf Schalke eines meiner besten Spiele für die Fortuna gemacht – ein Tor selbst geschossen, eins vorbereitet. Mir war dieses Spiel damals sehr wichtig, weil ich unbedingt auch gegen einen Top-Klub überzeugen wollte. Ich wollte zeigen, dass ich bereit für den nächsten Schritt in meiner Karriere bin. Für Fortuna habe ich in der Bundesliga-Saison zehn Tore geschossen, ein paar Vorlagen gesammelt – und habe mich so für einen Wechsel zu Schalke empfohlen.
Was Ex-Schalke-Profi Benito Raman über Karel Geraerts sagt
Wie intensiv verfolgen Sie die Spiele der Fortuna noch?
Raman: Ich bin Fortuna Düsseldorf noch immer dankbar für die tolle Zeit. Mit Dodi Lukebakio und Rouven Henning hatte ich damals tolle Sturm-Kollegen. Wenn es zeitlich passt, schaue ich die Fortuna-Spiele live, wenn nicht, gucke ich die Highlights. Genau so ist es mit Schalke.
Auf Schalke ist Trainer Karel Geraerts aktuell der große Hoffnungsträger. Im Vorjahr wurde er bei Royal Union Saint-Gilloise zum Trainer des Jahres in Belgien gewählt. Wie ist Ihr Eindruck von ihm?
Raman: Bei Union hat er einen tollen Job gemacht. Ich habe gehört, dass er ein sehr guter Trainer mit tollen Ansprachen sein soll. Von Kollegen habe ich mitbekommen, dass er immer ein offenes Ohr hat und seinen Spielern viele Freiheiten gibt – auch abseits des Platzes. In Belgien ist er ziemlich beliebt und ich denke, er passt gut zu Schalke.
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Wie bekannt ist Geraerts in Belgien?
Raman: Er hatte eine tolle aktive Karriere, war Nationalspieler – schon deshalb kennt ihn jeder Belgier. Auch als Trainer hat er schon seine Spuren hinterlassen. Dass er jetzt auf Schalke arbeitet, macht ihn sogar noch bekannter.
Wie ist es in Belgien angekommen, dass Karel Geraerts auf Schalke unterschrieben hat – einem großen, aber kriselnden Klub in der 2. Bundesliga?
Raman: Es spielt keine Rolle, ob Schalke in der ersten, zweiten oder dritten Liga spielt – sie bleiben ein riesiger Klub. In Belgien wird es positiv gesehen, dass Karel Geraerts Schalke übernommen hat, weil es eine große Chance für den Trainer und auch den Verein ist. Wenn Geraerts es schafft, Schalke wieder nach oben zu führen, wird er als Trainer noch bekannter und kann sich seinen nächsten Klub wahrscheinlich aussuchen. Natürlich ist es eine schwere Aufgabe, aber ich traue Geraerts zu, auf Schalke erfolgreich zu sein. Dieses Jahr wird es schwer mit dem Aufstieg, aber spätestens nächste Saison wird es klappen.
Ex-Schalker Benito Raman liebäugelt mit Rückkehr nach Deutschland
Sie spielen seit Sommer 2021 beim belgischen Top-Klub RSC Anderlecht. Inwiefern unterscheidet sich die Jupiler Pro League von der Bundesliga und der 2. Bundesliga?
Raman: Der größte Unterschied liegt in den Stadien und der Begeisterung der Fans. Selbst zu Auswärtsspielen reisen in Deutschland tausende Fans, das ist in Belgien anders. Wenn ich Anderlecht mit Schalke und Düsseldorf vergleiche, sind das Trainingspensum und die tägliche Arbeit sehr ähnlich – doch bei einigen kleineren Teams wird hier in Belgien regelmäßig viel härter trainiert. Kollegen haben mir erzählt, dass sie täglich zweimal für je zwei Stunden auf dem Platz arbeiten. Das ist für einen Profifußballer sehr viel.
Der RSC Anderlecht ist belgischer Rekordmeister, hat sich in den vergangenen Jahren jedoch schwergetan.
Raman: Anderlecht ist mit Schalke vergleichbar. Der Klub hat eine große Historie, aber hatte zuletzt ein paar Probleme – wenn auch auf einer anderen Ebene. Aber wir sind wieder auf einem guten Weg, sind aktuell Tabellenzweiter. Es geht wieder aufwärts und ich bin sicher, dass der Klub in den kommenden Jahren wieder Titel gewinnen wird. Trotzdem werde ich den Klub verlassen, im Sommer läuft mein Vertrag nach drei Jahren aus.
Weil Sie zuletzt nur noch Ersatz waren?
Raman: Stimmt, es war zuletzt nicht leicht. Aber das gehört im Fußball dazu. Ich habe in dieser Saison wenig gespielt, doch habe in den vergangenen Monaten hart gearbeitet und mich in den Trainingseinheiten und den Testspielen gezeigt. Vor der Länderspielpause wurde ich dafür belohnt und beim 1:1 in Gent mal wieder eingewechselt.
Wie stehen die Chancen, Sie bald wieder in Deutschland spielen zu sehen?
Raman: Die Zeit in Deutschland war die beste in meiner Karriere – ich hätte nichts gegen eine Rückkehr. Auch aus privaten Gründen bin ich 2021 zurück nach Belgien gegangen, doch all das ist jetzt geklärt. Also warum nicht nach Deutschland wechseln? Ich bin davon überzeugt, dass meine Art Fußball zu spielen nach Deutschland passt. Bei Schalke und Düsseldorf habe ich gezeigt, was ich kann. Mein Vertrag läuft im Sommer aus – wir werden sehen, was dann passiert.