Gelsenkirchen. Am Freitag trifft der große FC Schalke 04 auf den Dorfverein SV Elversberg. Wir haben mit SVE-Trainer Horst Steffen darüber gesprochen.
Als Horst Steffen seinen Trainerjob bei der SV Elversberg antrat, stand am 3. November 2018 ein Spiel in der Regionalliga gegen die TSG Balingen an. Elversberg war in der Regionalliga gerade auf den elften Platz zurückgefallen, weit hinter den eigenen Erwartungen. Parallel bereitete sich ein paar Kilometer entfernt der FC Schalke 04 auf ein Champions-League-Spiel gegen Galatasaray Istanbul vor, ein entscheidendes auf dem Weg ins millionenschwere Achtelfinale. Fast exakt fünf Jahre später treffen sich beide Vereine am Freitag in der Arena und kämpfen um Zweitliga-Punkte (18.30 Uhr/Sky) - und Elversberg steht sogar vor Schalke. Wie konnte es so weit kommen?
Die Schalker Fehler sind bekannt: Fehlgriffe in allen Bereichen des Vereinslebens - Führungskräfte, Trainer, Spieler. Dazu kam dann noch die Corona-Krise, die ein noch größeres Loch in die Kasse riss. Elversbergs Trainer Steffen aber denkt natürlich nicht an die Schalker Fehler, sondern an den eigenen Erfolg. „Für uns fühlt sich das ein bisschen an wie ein Märchen“, sagte Steffen dieser Zeitung. „Es konnte sich keiner vorstellen, dass beide Vereine jeweils in diese Richtung gehen. Ich hatte die Hoffnung, dass wir zumindest die 3. Liga erreichen können und da eine ordentliche Rolle spielen.“ Es ist nun das ungleichste Duell der Saison - auf der einen Seite Schalke: Uefa-Pokalsieger, sieben Mal Deutscher Meister, zehn Mal Vizemeister, fünf Mal DFB-Pokalsieger. Der größte Erfolg Elversbergs: Aufstieg in die 2. Bundesliga. Hier Schalke aus der Metropole Ruhrgebiet, ein Einzugsgebiet mit fünf Millionen Einwohnern. Elversberg hat 12.700 Einwohner, aber keinen Bahnhof.
Schalke-Trainer Karel Geraerts warnt
Und doch gelang Steffens Team innerhalb von zwei Jahren der Durchmarsch von der Vierten in die Zweite Liga - und sorgt dort mit teilweise denselben Spielern für Furore, blieb zum Beispiel auswärts viermal in Folge unbesiegt. Warum? „Es ist immer sehr schwer, das zu beantworten“, sagte Steffen, sprach von „guten Charakteren“, einem „guten Trainerteam“ und einer „passenden Spielerauswahl“ zu Regionalliga-Zeiten von Sportdirektor Ole Book.
Doch trotzdem wäre es den königsblauen Fans bei so vielen großen Unterschieden kaum zu verübeln, wenn sie den Gegner auf die leichte Schulter nehmen - im Hinterkopf träumen alle Schalker immer noch von Fußballfesten quer durch Europa. Trainer Karel Geraerts steuert aber dagegen. „Ich habe den Spielern klar gesagt, dass wir gegen eine sehr gute Mannschaft mit einem sehr guten Trainer spielen. Wir müssen sehr demütig bleiben, denn das Spiel wird sehr schwierig. Wir haben nicht ein Prozent Garantie, dass wir gewinnen“, sagte Geraerts. Spielmacher Dominick Drexler erwähnte auch die vielen Ansprachen des Trainers während der Woche: „Das ist eine richtig, richtig gute Mannschaft. Die dürfen wir auf keinen Fall unterschätzen.“
Die SV Elversberg, die ihren zweifachen Aufstieg der Unterstützung eines lokalen Pharmaherstellers zu verdanken hat, steht nun vor dem größten Auswärtsspiel ihrer Vereinsgeschichte. Nie hat der Klub aus dem Saarland in einem größeren Stadion gespielt, nie vor einer größeren Kulisse, rund 60.000 Fans werden erwartet. „Es ist schon zu berücksichtigen, dass meine Hinweise eventuell akustisch nicht mehr so wirklich ankommen. Ich muss von draußen gut coachen, schnell Hinweise geben und mir auch neu überlegen, wie ich den Jungs Veränderungen transportiere“, erklärte Steffen. Gedanken wie diese sind Alltag für 35 Profivereine. Aber Neuland für Elversberg. Ein Vorteil für Schalke? Nicht unbedingt, sagt Geraerts: „Für Abende wie diese spielt man doch Fußball. Elversberg weiß, wie es ist, unter Druck zu spielen. Sonst wäre die Mannschaft nicht zweimal in Folge aufgestiegen.“
Elversberg-Trainer vor Schalke-Spiel: „Wissen nie, was die Zukunft bringt“
Doch werden beide Klubs, so verschieden sie sein mögen, bald um den Aufstieg in die Bundesliga konkurrieren? „Wir wissen nie, was die Zukunft bringt. Vor einiger Zeit konnten wir uns kaum vorstellen, hier Zweitliga-Fußball zu sehen oder vor 60.000 Zuschauern zu spielen. Es war bestimmt schon mal in meinem Kopf, aber inwiefern die Strukturen passen, ob wir mithalten könnten, das ist eine ganz andere Geschichte“, sagte Steffen. „Wichtig ist: Wir sind jetzt in der 2. Bundesliga und ganz froh, wenn wir auch im nächsten Jahr noch mal über Zweitliga-Fußball reden können.“
Punkte auf Schalke wären da ganz hilfreich. Und dazu müsste es für Steffen besser laufen als am 3. November 2018 in Balingen. Da verlor er mit 0:2.