Gelsenkirchen. . Nach neun Jahren verlässt Mehmet Aydin Schalke. Die Erwartungen an den Verteidiger waren hoch. Erfüllen konnte er sie nicht. Die Hintergründe.
Vor ziemlich genau einem Jahr blickte Mehmet Aydin mit viel Selbstvertrauen auf die anstehende Bundesliga-Spielzeit 2022/23 von Schalke 04. Nach ordentlicher Zweitliga-Saison wollte das Eigengewächs aus der Knappenschmiede in Deutschlands Fußball-Oberhaus den nächsten Schritt gehen. Sogar eine Führungsrolle traute er sich zu. „Wenn ich Verantwortung übernehmen muss, bin ich dazu bereit. Ich bin mutig genug“, sagte Aydin.
Doch die Saison lief anders als vom 21 Jahre alten Außenverteidiger erhofft. Wirklich häufig durfte er in der Vorsaison nicht ran. Der routinierte Schweizer Cedric Brunner (29) war hinten rechts klar die Nummer eins. Aydin kam auf lediglich 16 Ligaspiele, davon nur drei in der Startelf. Von einem Führungsspieler bei Schalke 04 war er weit entfernt. Sowohl der Deutsch-Türke als auch der Klubs hatten ganz andere Erwartungen.
Schalke verleiht Mehmet Aydin zu Trabzonspor
Überraschend war die Trennung nach insgesamt neun Jahren im Verein deshalb nicht mehr. Dienstag unterschrieb der 21-Jährige einen Vertrag beim türkischen Spitzenklubs Trabzonspor. Gegen eine Gebühr von 350.000 Euro wird der Verteidiger zunächst für ein Jahr ausgeliehen. Im Anschluss haben die Türken eine Kaufoption in Höhe von 1,4 Millionen Euro.
„Memo ist ein junger Spieler, der in seinem Alter möglichst viel Spielpraxis im Profibereich sammeln muss. Die Analyse der vergangenen Spielzeit und der Ausblick auf die aktuelle Saison haben ergeben, dass ein Leihgeschäft der richtige Schritt für alle Seiten ist“, wird Schalkes Sportdirektor André Hechelmann (38) in der Transfer-Meldung zitiert.
Bei Trabzonspor darf Aydin auf mehr Spielpraxis hoffen – auch um sich für die türkische Nationalmannschaft zu empfehlen. Bei der EM 2024 in Deutschland dabei zu sein, dürfte für den aus Würselen bei Aachen stammenden Profi ein Traum sein.
Defensiv hatte Mehmet Aydin zu viele Schwächen
Doch warum hat es Aydin als eines der Top-Talente der Knappenschmiede nicht geschafft, sich auf Schalke durchzusetzen? Eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. „Manchmal tut einem Spieler ein Tapetenwechsel gut“, sagt Lizenzspielerchef Gerald Asamoah (44) auf WAZ-Nachfrage. „Vielleicht kann er sich außerhalb des Schalke-Kosmos durchsetzen.“
An Aydins Talent zweifelt auf Schalke trotz des Abgangs niemand. „Leider hat er seine Fähigkeiten hier nicht immer angerufen“, sagt Asamoah. „Am Ende ist Fußball Konkurrenzkampf – und auch Memo muss sich hinterfragen, ob er wirklich immer alles gegeben hat.“ Die nötige Einstellung und teilweise auch die fehlende Lust aufs Verteidigen waren bei Aydin die Knackpunkte. Auffällig waren bei seinen Einsätzen auch seine Probleme im Stellungsspiel.
Schalke: An mangelndem Talent ist Aydin nicht gescheitert
Offensiv gab Aydin als Rechtsverteidiger gern den Wirbelwind, doch defensiv war sein Spiel zu unsauber – auch deshalb setzt Trainer Thomas Reis auf den deutlich verlässlicheren Cedric Brunner auf dieser Position. Als der Schweizer zwischenzeitlich verletzt fehlte, bekam Aydin deshalb den kampfstarken Henning Matriciani (23) vor die Nase gesetzt, der zwar mit weniger fußballerischem Talent gesegnet ist, Aydin aber in Einsatzbereitschaft voraus ist. „Das sagt vieles aus, da muss sich Memo hinterfragen“, ist Asamoah kritisch.
Klar ist: Leicht haben es sich die Schalker nicht gemacht, Mehmet Aydin abzugeben. Auch, weil er aus dem eigenen Nachwuchs stammt und Königsblau im Herzen trägt, bekam er einige Chancen sich zu beweisen. Komplett abgeschrieben hatte ihn Thomas Reis ohnehin nicht. Auch in der 2. Bundesliga wäre er ein guter Ersatzmann für Brunner gewesen. Doch diese Perspektive war für Aydin nicht zufriedenstellend. Der 21-Jährige hatte andere Vorstellungen von seiner Rolle – das zeigen auch seine Aussagen von vor einem Jahr.
Wirklich glücklich über die Trennung ist dementsprechend niemand. „Es liegt allein an Memo“, sagt Asamoah mit Blick auf die Karriere-Perspektiven des Verteidigers. „Er hat die nötigen Fähigkeiten, sich woanders durchzusetzen. Jetzt hat er die Chance, sich zu beweisen. Ich drücke ihm die Daumen.“