Duisburg. Als Spieler und Trainer galt Ewald Lienen als Kultfigur – auch beim MSV Duisburg. Am Dienstag wird er 70 Jahre alt.
Da muss sich auch der ein oder andere Mitarbeiter der Sportredaktion erst einmal selbst sortieren. Ewald Lienen wird am Dienstag 70 Jahre alt. Wie die Zeit vergeht! Als wäre es gestern gewesen, wir haben ihn in Duisburg doch hautnah erlebt: als Spieler und als Trainer bei den MSV-Amateuren und dann später bei den MSV-Profis in der 1. und in der 2. Bundesliga. Erst kürzlich haben wir bei ihm noch einmal nachgefragt, ob er ein Kandidat für den Posten des Sportchefs beim MSV Duisburg in der 3. Liga sei. Lienen hat da sehr deutlich gemacht, dass er im Profifußball kein Amt mehr anstrebe.
Ewald Lienen ist immer noch in vielen Stadien unterwegs – immer wieder beim FC St. Pauli, seiner letzten Station als Trainer und Funktionär. Auch den MSV Duisburg besuchte er unlängst. Lienen denkt aber nicht mehr daran, Mannschaften oder Spieler aufzubauen. Vielmehr ist er privat als Bauherr tätig – er packte zuletzt bei der Renovierung seines neuen Zuhauses in Ostwestfalen mit an. Das war aber zu viel des Guten. „Mein Hüftgelenk ist völlig geschreddert“, teilte er unlängst in den sozialen Internetmedien mit, versprach aber, den Podcast „densechzehner“, den er gemeinsam mit DAZN-Kommentator Michael Born betreibt, auch in der Rehaklinik fortzusetzen. Beißen und kämpfen konnte Ewald Lienen schon immer.
Mit dem MSV Duisburg Bundesliga-Tabellenführer
Lienens Zeit auf der großen Bühne des Profifußballs schien beendet, als er sich 1987 von Borussia Mönchengladbach verabschiedete. Für die Fohlen war er mit Unterbrechung insgesamt acht Jahre am Ball gewesen. Vom aktiven Fußball wollte er aber nicht lassen und wechselte zum MSV Duisburg, der damals in der drittklassigen Oberliga Nordrhein spielte und nach besseren Zeiten lechzte. Zeitglich studierte er an der Uni an der Lotharstraße und musste sich zwischen Vorlesungen auch mit Autogrammwünschen seiner Kommilitonen auseinandersetzen – das soll ja angeblich nicht sein Ding gewesen sein.
Mit dem MSV Duisburg kehrte er dann aber durch die Hintertüre auf die große Bühne des Fußballs zurück. 1989 stieg er unter Trainer Detlef Pirsig in die 2. Bundesliga auf, zwei Jahre später gelang unter Willibert Kremer sogar die Rückkehr ins deutsche Oberhaus. Ewald Lienen war zu dieser Zeit schon längst selbst Trainer. Der damalige MSV-Präsident Dieter Fischdick hatte ihm die Amateurmannschaft der Zebras, die in der Landesliga spielte, ans Herz gelegt. Die erste Spieltagsvorschau mit der Redaktion – es ging um ein Match bei Eintracht Duisburg in der Fugmann-Kampfbahn – entstand per Festnetztelefonat mit Lienen, der in Saarbrücken in seinem Hotelzimmer saß. Die Zebras spielten damals freitags beim 1. FCS um Zweitliga-Punkte.
Als sich der MSV im Frühjahr 1993 von Cheftrainer Uwe Reinders trennte, weil der Klub den Bundesliga-Aufstieg gefährdet sah, erhielt Ewald Lienen das Vertrauen der Vereinsführung, betreute die MSV-Amateure aber zeitweise noch zusätzlich weiter. Mit den Profis tütete er den Aufstieg in die Bundesliga ein und erreichte in der Folgesaison etwas Historisches. Im Februar 1994 stand der MSV nach einem 1:0-Sieg über Werder Bremen an der Tabellenspitze der Bundesliga – bis heute zum letzten Mal. Das Besondere: Die Zebras führten die Liga mit dem negativen Torverhältnis von Minus eins an. Als Lienen Bundesliga-Trainer war, schnürte er für die Amateure sogar noch einmal die Schuhe, als dort die personelle Not groß war. Der damalige Coach der „Zweiten“, Heinz Werner, bereitete die Einwechslung Lienens an der Westender Straße damals mit dem Satz „Ewald, sind Sie bereit?“ vor. Er war bereit.
Dokumentation im WDR-Fernsehen
Lienens Zeit als Cheftrainer beim MSV endete am 1. November 1994. Es folgten für ihn viele spannende Trainerstationen im In- und Ausland. Eine davon war AEK Athen in der Saison 2012/13. Das WDR-Fernsehen zeigt am Mittwoch um 23.15 Uhr die Dokumentation von Jesper Petzke „Ewald Lienen – Eine griechische Tragödie.“ Der Film berichtet über eine dramatische Zeit als Trainer. Ewald Lienen besorgte damals zum Beispiel zusammen mit seiner Ehefrau Rosa sogar Essen für seine Spieler, nachdem er festgestellt hatte, dass sie Symptome von Mangelernährung aufwiesen.
Der Film, an dem auch der Duisburger Journalist Claudio Luciani mitgewirkt hat, beleuchtet nicht nur die Zeit in einem von Korruption und Chaos geprägten Klub in Griechenland. Der Blick geht auch weit zurück in die Duisburger Zeit des nunmehr 70-Jährigen. All jenen, die damals regelmäßige Besucher der Spiele der MSV-Amateure waren, dürfte bei den Sequenzen von der Westender Straße das Herz aufgehen.