Mönchengladbach. Bernd Krauss gewann mit Gladbach 1995 den Pokal. Als BVB-Trainer fehlte der Erfolg. Ein Gespräch über seine Ex-Klubs vor dem Borussen-Duell.
Als sich Bernd Krauss am Handy meldet, wartet er gerade vor einer Waschanlage, wie er gleich erzählt. „Ich versuche schon seit Tagen, diesen Saharastaub vom Auto zu kriegen, doch immer war hier alles rappelvoll“, sagt der 66-Jährige und lacht. Er muss sich in der Schlange noch eine Weile gedulden, bis er an der Reihe ist. Während der Wartezeit spricht Krauss über zwei seiner ehemaligen Klubs: die beiden Borussias aus Mönchengladbach und Dortmund, die an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) in der Fußball-Bundesliga wieder aufeinandertreffen.
Wie haben Sie die Gladbacher Pokal-Niederlage beim Drittligisten Saarbrücken aufgenommen, Herr Krauss?
Bernd Krauss: Das Aus war sehr bitter, sehr schade. Es wurde eine große Möglichkeit vergeben. So eine Chance, nach Berlin zu kommen, wird der Verein nie wieder kriegen.
Sie holten 1995 als Trainer den bislang letzten Gladbacher Titel mit dem Triumph im Olympiastadion. Warum ist der Klub seit fast 30 Jahren titellos?
Das sollten Sie besser die Verantwortlichen fragen. Ich will jedenfalls nicht 100 Jahre lang Gladbachs letzter Pokalsieger-Trainer sein. Die Meisterschaft und andere Mannschaften sind einfach zu weit weg. Die Gladbacher spielen ja auch aktuell keine gute Saison. Sie haben aber zuletzt immerhin in Wolfsburg gewonnen, kommen also nicht unten in den Strudel. Insgesamt waren die letzten drei Jahre nicht prickelnd.
Wie denken Sie über diesen Abwärtstrend?
Ich bedauere Gladbachs Entwicklung. Man müsste mit Blick auf die drei vergangenen Saisons auch mal sehr kritisch intern miteinander umgehen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass dies geschieht. Ich glaube, dass dort Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Alles muss mal hinterfragt werden.
Die Verantwortlichen bitten bei dem Kader-Umbruch um Geduld.
Aber wer hat denn diese Geduld? Man muss ja auch die einzelnen Spiele sehen. Ich kritisiere in erster Linie, welche Gegentore Gladbach seit zwei, drei Jahren kriegt. Das hat nichts mit einem Umbruch zu tun. Es ist einfach fahrlässig, oft Gegentore zu bekommen, wenn man in der Abwehr in Überzahl ist, aber keiner richtig verteidigt. Das ist seitens dieser Spieler auch gegenüber der Mannschaft verantwortungslos.
Welche Möglichkeiten bietet der Kader denn?
Mit dieser Mannschaft und in diesem Verein müsste man jedes Jahr um Europacup-Plätze spielen.
Schöpft Trainer Gerardo Seoane das Potenzial aus?
Ich halte von Gerardo Seoane sehr viel. Ich habe auch noch seine Spiele mit Bayer Leverkusen in Erinnerung. Dort musste er sehr unglücklich gehen, weil die Mannschaft meistens ihre Torchancen nicht verwertet hatte. Es kann nicht immer nur am Trainer liegen. Trotz der Wechsel hat sich in Gladbach nichts geändert.
In der Saison 2020/21 spielte Gladbach noch in der Champions League. Doch gerade in jüngerer Vergangenheit haben sich die beiden Borussias ziemlich auseinanderentwickelt. Woran liegt das?
Borussia Dortmund ist mit dem Potenzial, dem Stadion, den Zuschauern und den Geldern schon eine Nummer größer als Gladbach. Über Gladbachs Pokal-Aus haben wir ja schon gesprochen. Mit Blick auf Dortmund tat es im letzten Jahr weh, dass die Mannschaft am letzten Spieltag gegen Mainz 05, einen Gegner, für den es um nichts mehr ging, nicht von Beginn an in die Zweikämpfe gegangen ist, um zu zeigen, dass für ihn dort nichts zu holen ist. Das war so eine Riesenchance auf die Meisterschaft, die auch nicht so schnell wiederkommen wird.
Sie sind gebürtiger Dortmunder, waren seit frühester Kindheit BVB-Fan, später bei dem Klub Spieler und Trainer. Sympathisieren Sie immer noch mit dem BVB?
Ja, natürlich tue ich das, auch wenn ich damals zum verkehrten Zeitpunkt am verkehrten Ort war. Das tut mir heute noch weh, gerade als gebürtiger Dortmunder, der die Möglichkeit hatte, einen solchen Verein zu trainieren. Das ist einfach schade. Ich hänge noch immer am BVB.
2000 waren Sie von Februar bis April in elf Spielen BVB-Trainer. Es gab keinen Sieg, bis Sie entlassen wurden. Wie hat sich das angefühlt?
Es war einfach schlimm. Ich war vorher nie ein Feuerwehrmann. Überall, wo ich gearbeitet hatte, habe ich etwas aufgebaut. Die Dortmunder Mannschaft hatte keine Zeit, mich kennenzulernen, ich konnte sie auch nicht genau kennenlernen. Das große Problem war, dass wir 13 verletzte Spieler hatten. Es kam alles so zusammen, wie man es seinem ärgsten Feind nicht wünscht. Ich muss ehrlich sagen, dass ich lange daran zu knabbern hatte. Es war immer mein Traum gewesen, so einen großen Verein zu trainieren.
Was trauen Sie dem BVB in dieser Saison noch zu?
Ich glaube, dass die Dortmunder die erneute Qualifikation für die Champions League schaffen werden. Nach dem 1:2 bei Atlético Madrid haben sie nun im Viertelfinale auch noch alle Möglichkeiten, das zu Hause zu drehen. Gerade die Partie am Samstag im Borussia-Park bietet für Gladbach aber nun einen Vorteil, weil der BVB am Mittwoch gespielt hat und am Dienstag wieder gegen Atlético spielen muss.
Wie sollte Gladbach dieses Spiel angehen?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Die Gladbacher könnten versuchen, erst einmal sicher zu stehen und aus einer kompakten Defensive zu agieren. Oder: Weil der Gegner gespielt hat und müde ist, gehen sie drauf und fordern Dortmund erst einmal. Allerdings ist Gladbach gerade nicht in der Lage, jeden Gegner an die Wand zu spielen.