Dortmund. In einer irren Schlussphase ringt der BVB Atlético nieder und ist in der Runde der letzten Vier der Königsklasse – erstmals seit 2013.
Norbert Dickel traf mal wieder den richtigen Ton. „Was ist denn hier los?“, brüllte Borussia Dortmunds Stadionsprecher in sein Mikrofon. Voller Erstaunen, voller Euphorie.
Dank eines denkwürdigen Kraftakts in der Schlussphase gegen Atlético Madrid steht der BVB im Halbfinale der Champions League. Mit 4:2 (2:0) gewann der BVB, Niclas Füllkrug (71.) und Marcel Sabitzer (74.) ließen mit zwei späten Toren das Westfalenstadion zum Tollhaus werden. Zuvor trafen Julian Brandt (34.) und Ian Maatsen (39.) für die Borussia.
BVB zum ersten Mal seit 2013 im Halbfinale
Ein Eigentor von Mats Hummels (49.) und der zwischenzeiltliche Ausgleich durch Angel Correa (64.) brachten die Dortmunder in der zweiten Halbzeit nach dem schmeichelhaften 1:2 im Hinspiel vor einer Woche in Madrid dem Aus nahe. Doch es sollte anders kommen. Zum ersten Mal seit 2013, zum vierten Mal überhaupt steht Dortmund in der Runde der letzten Vier von Europas wichtigstem Klub-Wettbewerb.
Im Vergleich zum Bundesliga-Sieg bei Borussia Mönchengladbach (2:1) am vergangenen Samstag hat Trainer Edin Terzic wieder zurückrotiert. So rückte Mats Hummels, der vor Anpfiff für 500. Pflichtspiele im Trikot Dortmunds ausgezeichnet worden ist, an Stelle von Niklas Süle zurück in die Innenverteidigung. In Abwesenheit des verletzten Sebastien Haller bekleidete Niclas Füllkrug die einzige Sturmspitze.
BVB brauchte gegen Atlético Sieg mit zwei Toren Vorsprung
Die Aufgabe vor 81.365 Zuschauerinnen und Zuschauern im Dortmunder Stadion war klar definiert. Ein Erfolg mit zwei Toren Vorsprung wurde benötigt.
Lampenfieber, zittrige Knie ob der größe der Chance? Nichts dergleichen war in der ersten Halbzeit bei den BVB-Profis zu studieren. Sie traten auf wie nicht häufig in dieser Saison: selbstbewusst, mit hoher Intensität. Schon nach drei Minuten die erste Riesenchance: Karim Adeyemi konterte über links, Marcel Sabitzer bekam den Ball am Fünfmeterraum vor die Füße, brauchte aber zu lange, sodass Cesar Azpilicueta grätscht dazwischen grätschen konnte.
Deutlich anders allerdings wäre dieses Spiel verlaufen, wenn Alvaro Morata nicht vor der Südtribüne ins Grübeln gekommen wäre. Da velor nämlich Nico Schlotterbeck vorne den Ball, und plötzlich lief Atléticos Stürmer nach einem der gefürchteten Pässe des Ex-Dortmunders Axel Witzsel mutterseelenallein auf Gregor Kobel zu. Sabitzer hechelte hinterher, schnell genug, um Morata noch in Bedrängnis zu bringen. Er spitzelte den Ball vorbei am Tor, statt über die Linie (5.).
Und so hatte der BVB alle Trümpe in der Hand. Er wurde drückender, aber es fehlte ihm im letzten Spieldrittel die Genauigkeit. Ein paar Mal stießen die Dortmunder bis zur Grundlinie durch, passten in die Mitte, wo allerdings niemand verwerten konnte. Also musste es auf andere Weise klappen.
Mit dem berüchtigten Außenrist von Hummels, der Julian Brandt im Strafraum sah, und der machte schließlich das, was er besonders gut kann: Annahme mit dem rechten Fuß, dann in der Drehung den Ball auf den starken linken legen – Schuss. Witsel grätsche zu spät, Madrids Keeper Jan Oblak packte nicht zu, der Ball rutschte zum 1:0 ins Netz (34.).
BVB: Doppelschlag durch Tore von Brandt und Maatsen
Noch ein perfekter Spielzug sollte folgen. Der bis dahin blasse Sancho bediente Sabitzer, der legte ab auf den mitgelaufenen Ian Maatsen. Der nächste satte Abschluss, das nächste Tor: 2:0 (39.). Zum Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Slavko Vincic stand die Tür zum Halbfinale für den BVB weit offen.
Altético aber zählt zu den gestandensten, abgezocktesten Klubs in Europa. So präsentierten sich die Madrilenen dann auch nach Wiederbeginn. Sie legten einen Gang zu, sie erhöhten den Druck. Mit viel Pech aus Dortmunder Sicht gelang ihnen recht schnell der Anschluss. Antoine Griezmann schlug eine Ecke auf den langen Pfosten, Mario Hermoso köpfte in die Mitte – und Hummels drückte den Ball mit seinem ausgestreckten Bein über de Linie (49.). Der zur Pause eingewechselte Angel Correa hatte das 2:2 auf dem Fuß, schoss aber rechts vorbei (57.).
BVB: Offener Schlagabtausch, dann trifft Borussia Dortmund
Die Partie entwickelte sich zum offenen Schlagabtausch, begünstigt durch gelegentliche Dortmunder Unkonzentriertheiten. Der Ausgleich lag immer mehr in der Luft, und er fiel dann auch in der 64. Minute. Schlotterbeck konnte Correas Hereingabe nicht verhindern, Kobel parierte noch gegen Rodrigo Riquelme, Correa aber schaltete am schnellsten beim Abpraller und erzielte das 2:2. Das Aus drohte.
Das Ende? Noch lange nicht. Dortmund drehte innerhalb von drei Minuten die Partie. Zunächst flankte Sabitzer perfekt auf Füllkrugs Kopf, der den Ball genau neben den Pfosten setzte (71.). Dann schoss Sabitzer selbst wuchtig auf der zweiten Reihe die Kugel ins Netz (73.).