Dortmund. Dass nicht zumindest ein Unentschieden gelingt, hat sich Borussia Dortmund selbst eingebrockt. Der Druck im Bundesliga-Endspurt steigt.
Gregor Kobel kam die Treppenstufen hoch, die aus dem Kabinentrakt hinter die Osttribüne des Westfalenstadions führen. Sein Arbeitstag als Torwart von Borussia Dortmund war zu diesem Zeitpunkt schon beendet, aber der Schweizer ist ja im Klub längst zum Publikumsliebling geworden. Also stellte Kobel seine Tasche ab und trottete einmal hinüber zum schweren Eingangstor des Stadions Rote Erde, hinter dessen Gitter noch ein paar Fans auf ein gemeinsames Bild mit Kobel spekulierten. Kobel verschränkte die Arme hinter dem Rücken, beugte sich zu den Jüngsten mit schwarz-gelben Herzen hinunter und lächelte.
Noch einmal sah man am Samstagabend einen kurzen Moment der Symbiose zwischen Spielern und Zuschauerinnen und Zuschauern. Vor Anpfiff hatten die Fans eine gigantische Choreografie erstellt und ihrem Westfalenstadion einen weiteren Moment für die Ewigkeit beschert. Alle Tribünen wurden in die Vereinsfarben gehüllt, auf der Südtribüne sah man ein Kunstwerk der wichtigsten Tore und emotionalsten Jubel der vergangenen 50 Jahre. Es gab bei der riesigen Geburtstagsparty nur ein Problem: das Ergebnis, das nach 90 Minuten auf den vier Anzeigetafeln zu sehen war.
Leipzig rückt vor: BVB steht nun unter Druck
Denn der VfB Stuttgart in Person von Torschütze Serhou Guirassy (64.) war wie einer dieser ungern gesehenen Gäste auf jeder Feier, der erst den Kühlschrank plündert, sich dann noch an der halben Einrichtung zu schaffen macht und den Abend schließlich ruiniert. „Wir sind natürlich sehr enttäuscht, denn der Rahmen, den die Fans mit der Choreo und der Stimmung heute insgesamt bis zu letzten Minute gesetzt haben, hätte deutlich mehr verdient gehabt“, meinte Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl. Als „sehr bitter“ befand den Samstagabend auch Karim Adeyemi, der nach einer halben Stunde die Chance hatte, dem Spiel eine andere Richtung zu verleihen, aber völlig frei an Stuttgarts Torwart Alexander Nübel scheiterte.
So war nach dem 0:1 (0:0) gegen den VfB mal wieder Frustbewältigung angesagt. Man kennt sie in Dortmund ja zu gut angesichts dieser wellenartigen Saison, die nach vereinzelten Höhepunkten für den BVB immer wieder Rückschläge parat hielt. So einer war auch diese Niederlage, die den Verein wieder um die Champions-League-Qualifikation zittern lässt. RB Leipzig ist nun punktgleich mit dem BVB, steht ob der besseren Tordifferenz allerdings auf Platz vier vor Dortmund. Dabei hatte man doch nach dem Sieg in der Vorwoche bei Bayern München (2:0) ganz andere Ambitionen für den Saisonendspurt gehabt. „Wir wollten bis auf einen Punkt an Stuttgart heranrücken, jetzt sind es sieben Punkte Rückstand“, sagte Kapitän Emre Can.
BVB gegen VfB Stuttgart: Chancenverwertung nur ein Manko
Laut Kehl habe die Mannschaft „bis zum Ende dran geglaubt, aber der Ball wollte heute nicht rein“. Ganz besonders kurz vor Schluss nicht, als Nico Schlotterbeck aus zwei Metern den Ball nicht über die Linie, sondern auf die Südtribüne drosch. Der 24-Jährige reagierte später im TV-Interview dünnhäutig. „Das ist tatsächlich eine blöde Frage“, klagte Schlotterbeck und mutmaßte, sein Gegenüber habe noch nie Fußball gespielt. „Ich weiß, dass ich ihn machen muss.“
Die Chancenverwertung war ein Manko am Samstag. Genauso aber, dass dem BVB lange Zeit nicht viel anderes einfiel, als Adeyemi in die Tiefe des Raumes zu entsenden. Und dann war da ja noch ein Totalausfall der halben Mannschaft vor Guirassys Tor des Tages. Da spielte Can einen gruseligen Fehlpass, Ian Maatsen ließ sich von Chris Führich im Mittelfeld düpieren. Und unmittelbar vor dem Einschlag in Kobels Tor ließen Can, Schlotterbeck und Mats Hummels Guirassy gewähren. Macht in Summe samt DFB-Pokal drei Niederlagen gegen Stuttgart in dieser Saison. Sie waren stets bemüht steht nicht im Zeugnis eines Spitzenteams.
BVB reist trotzdem mit „breiter Brust“ zu Atlético Madrid
Das setzt den BVB unter Druck. „An diesem Spieltag ist es nicht besonders für uns gelaufen“, konstertierte Sportdirektor Kehl. Trainer Edin Terzic meinte: „Natürlich sehen wir die Tabelle. Aber wir wissen, dass wir noch alles in der eigenen Hand haben und gehen sehr positiv in die nächsten Aufgaben. Wenn wir es schaffen, die Leistung von heute in den nächsten Spielen zu wiederholen, werden wir unsere Ziele erreichen.“
Das nächste ist nun erstmal das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Atlético Madrid am Mittwoch (21 Uhr/DAZN), in dem es darum geht, sich eine gute Ausgangsposition für das zweite Duell in Dortmund zu schaffen. „Wir können mit breiter Brust nach Madrid fliegen“, kündigte Adeyemi an. „Ich glaube, wir haben kein schlechtes Spiel gemacht. Defensiv wie offensiv waren wir sehr solide, von daher brauchen wir uns am Mittwoch nicht verstecken.“ Ob das reicht, um im Wanda Metropolitano zu bestehen, ist die andere Frage.