Dortmund. Um Titel geht es im Duell zwischen Bayern München und Borussia Dortmund dieses Jahr nicht. Für die Bundesliga ist das ein Desaster.
Spätestens heute Abend wird Edin Terzic wieder feststellen, dass es sich eben doch um eine besondere Partie im deutschen Fußball handelt. „Es ist der Klassiker, man merkt es auch am Medienaufkommen nach dem Spiel“, sagt der Trainer von Borussia Dortmund. „Da ist immer sehr viel los.“
Bayern München gegen den BVB, das war das sportlich prägende Duell der vergangenen Jahre. Alle Meisterschalen seit 2011 teilten sich die beiden Klubs untereinander auf, mit „klarem Vorteil für die Bayern“, wie Terzic korrekterweise anmerkt. Wenn sich Münchener und Dortmunder heute Abend (18.30 Uhr/Sky) in der Allianz-Arena begegnen, ist von der Brisanz vergangener Jahre allerdings nicht mehr viel übrig. „Weil die Bayern und auch wir mit unserer Tabellensituation nicht zufrieden sind, hat sich etwas verändert“, sagt auch Terzic.
BVB gegen Bayern: Kein Duell mehr für den Titelkampf
Und für die Bundesliga ist das ein mittelschweres Desaster. Bayer Leverkusen ist in dieser Saison zwar fußballerisch ohne jeden Zweifel erhaben, doch hat die Werkself eine Strahlkraft über die Stadtgrenzen hinaus? Eher nicht.
Dass den BVB und Bayern zehn Punkte in der Tabelle trennen, kam durchaus schon das eine oder andere Mal vor. Nicht aber, dass sich der Rekordmeister denselben Abstand zu Leverkusen eingebrockt hat. Dortmund hingegen quält sich noch stärker durch diese Saison, ein Zähler beträgt der Vorsprung auf Leipzig. Der BVB muss sich strecken, um in die Champions League einzuziehen.
Eine Konstellation, die nicht unbedingt für Prickeln sorgt. In Deutschland, aber auch nicht im Ausland. Vor elf Jahren standen sich die beiden Aushängeschilder der Bundesliga im Finale der Königsklasse gegenüber. Der forsche Emporkömmling aus Dortmund hatte schon in den Jahren zuvor durch rasanten Tempofußball an der Vormachtstellung der Münchener gerüttelt.
BVB gegen Bayern angelehnt an Real Madrid gegen FC Barcelona
Eine Geschichte, die sich von der Liga super verkaufen ließ. In Anlehnung an den „Clasico“ zwischen Real Madrid und FC Barcelona in Spanien wurde der Begriff „Klassiker“ erschaffen. Er war weniger auf die historisch gewachsene Rivalität zurückzuführen, sondern vor allem darauf, dass sich nun zwei Klubs mit großer Strahlkraft zumindest für einen absehbaren Zeitraum sportlich auf Augenhöhe begegnen sollten.
Auch interessant
Nur ging diese Schere viel schneller auseinander, als es sich die Protagonisten gewünscht hatten. Denn Dortmund – das ist ja auch Teil der Wahrheit – konnte nur zum FC Bayern aufschließen, weil alles, was man anpackte, zu Gold zu werden schien. Und in München, da wurden eben Fehler begangenen.
Die Bayern reagierten auf die Schmach mit einer Einkaufsoffensive. Sie lockten Mario Götze, Robert Lewandowski und später auch noch Mats Hummels in den Süden. Anders als der BVB verloren sie nicht Jahr für Jahr ihre Leistungsträger. Ein-, zweimal schafften es die Dortmunder noch, ihren Konkurrenten herauszufordern, zuletzt in der vergangenen Saison. Das aber blieben Ausnahmen. Dass es für den BVB in der Allianz-Arena in dieser Zeit verlässlich hohe Pleiten setzte, sorgte dafür, dass man den Begriff „Klassiker“ eher für Spott nutzte. Seit zehn Jahren schon hat die Borussia in der Bundesliga in München nicht mehr gewonnen. „Es wird Zeit“, sagt Trainer Terzic.
Nicht Bayern: BVB hat andere Konkurrenten im Kampf um die Champions League
Und künftig? Intern befürchtet man, dass der BVB nicht mehr viel wachsen kann, eine natürliche Grenze erreicht sei. Im Umkehrschluss also dürften die großen Duelle um Titel gegen Bayern München in der Vergangenheit liegen. Der BVB ist zwar kräftig gewachsen, peilt einen Umsatz von einer halben Milliarde Euro an – die Münchener aber eben auch, weshalb der wirtschaftliche Abstand nicht geschrumpft ist. 100 Millionen Euro für Harry Kane? Kein Problem.
Die realen Konkurrenten der Dortmunder sind Leverkusen und Leipzig, die beiden Klubs mit potentem Geldgeber im Rücken, die jederzeit ihre Konten plündern könnten. Und auch mit dem VfB Stuttgart wird gerechnet, weil er aus einer finanzstarken Region im Süden der Republik kommt und daher sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft habe.
BVB: Wichtige Duelle im Endspurt der Bundesliga-Saison
Paradoxerweise ist für beide Klubs, den BVB und die Bayern, das Duell in dieser Rückrunde trotzdem relevant. Der FC Bayern muss höchstwahrscheinlich jedes Spiel gewinnen, um noch eine Meister-Chance zu haben. Und Dortmund ebenso, wenn man die Königsklasse erreichen will. Die Qualifikation hat höchste Priorität, um dem beschriebenen Trend entgegenzuwirken.
„Wir wissen, dass wir jetzt in eine Phase kommen, in der wir uns relativ wenige Ausrutscher leisten dürfen. Unabhängig von der Stärke des Gegners“, sagt Trainer Edin Terzic. Im April warten ja noch die Duelle mit Leverkusen, Leipzig und Stuttgart. Weiß Gott keine Klassiker, aber genauso wichtig.