Frankfurt. Bundestrainer Julian Nagelsmann setzt bei den März-Länderspielen das Leistungsprinzip durch. Sechs Debütanten sind dabei.
Julian Nagelsmann hatte dieses eine Wort, das er bei jeder Gelegenheit in seine langen Ausführungen einstreute. Vom „Momentum“ sprach der Bundestrainer am Donnerstag im DFB-Campus in Frankfurt und meinte damit vor allem, dass das vielbeschworene Leistungsprinzip nun endlich auch in die Tat umgesetzt werden sollte. Mit frischem Wind, neuen Gesichtern, die nicht ganz so prominent sind und klangvolle Namen tragen, für die aber eine Sache spricht, genau: das Momentum.
„Nach den letzten Spielen haben wir gesagt, dass wir definitiv Dinge ändern werden und müssen“, sagte Nagelsmann. „Der Reiz des Neuen muss da sein. Der Reiz muss in den Augen funkeln.“ Auch wenn der 36-Jährige betonte, dass für niemanden die Tür zu sei, ist Nagelsmanns Zusammenstellung für die beiden Test-Länderspiele in Lyon gegen Frankreich (23. März, 21 Uhr/ZDF) und drei Tage später in Frankfurt gegen die Niederlande (20.45 Uhr/RTL) doch ein Fingerzeig auf das Turnier im Sommer. Eine weitere Chance, bei Nagelsmann vorzuspielen, gibt es bis zum EM-Trainingslager Ende Mai nicht. Es ist davon auszugehen, dass das jetzige Aufgebot vor dem Eröffnungsspiel am 14. Juni gegen Schottland nur noch marginal verändert wird.
Nagelsmann: „Jeder muss seine Rolle im Kader kennen“
Elf Profis aus dem November-Kader, der bei den Tests gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) statt EM-Euphorie eine Krisenstimmung schuf, fehlen nun. Sechs neue Spieler hat Nagelsmann berufen. In Person von Abwehrspieler Waldemar Anton (27), Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt (26) und Angreifer Deniz Undav (27) gesellt sich ein Trio zu Flügelstürmer Chris Führich (26). Das Quartett vom VfB Stuttgart hat großen Anteil daran, dass die Schwaben berechtigte Hoffnungen auf die Champions-League-Qualifikation hegen. Zudem sind der Heidenheimer Linksverteidiger Jan-Niklas Beste (25), Mittelfeld-Abräumer Aleksander Pavlovic (19) von Bayern München sowie Maximilian Beier (21) aus Hoffenheim erstmals berufen worden. Es gehe laut Nagelsmann „nicht darum, die 20 Talentiertesten von den bekanntesten Klubs zu haben, sondern die 20, die am besten zusammenpassen“, ergänzte der Chefcoach: „Jeder muss ein gutes Verständnis für seine Rolle im Kader haben.“ Eintracht Frankfurts Innenverteidiger Robin Koch etwa sei auch dabei, weil Nagelsmann mehr „Verteidigungsmonster“ und „Arbeiter“ sehen möchte.
Lange Zeit gesetzte Spieler wie Leon Goretzka (29) und Serge Gnabry (28) von Rekordmeister Bayern München fehlen, Leroy Sané (28) ist gesperrt. Besonders der noch im September als „Borussia Deutschland“ gelobte BVB-Block ist arg dezimiert, nur Angreifer Niclas Füllkrug (31) ist geblieben. Mats Hummels (35) passt nicht mehr ins taktische Konzept und ist in den Augen von Nagelsmann kein Bankspieler. Niklas Süle (28) konnte sich nicht entscheidend steigern. Nico Schlotterbeck (24) wartet weiter auf sein Debüt unter dem noch immer recht neuen Bundestrainer. Julian Brandt (27) hat das Pech großer Konkurrenz auf seiner Position. Karim Adeyemi (22) und Felix Nmecha (23) waren lange verletzt. Emre Can (30) ist seit Monaten eine Schwachstelle im Dortmunder Spiel. Youssoufa Moukoko (19) und Marius Wolf (28) spielen derzeit keine Rolle.
DFB-Team: Nagelsmann legt sich auf Innenverteidigung fest
Nagelsmanns Kader trieft vor Neustart, doch es gibt dabei einen Haken: die Zeit. Schon in drei Monaten beginnt die Euro, große Umbrüche kommen nun eigentlich schon zu spät. Dem Deutschen Fußball-Bund fällt die viel zu späte Trennung von Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick auf die Füße. Dem aktuellen Coach derweil, dass er nicht schon im Herbst vergangenen Jahres mutigere Entscheidung getroffen hat.
Und weil die Zeit drängt, muss Nagelsmann, dessen berufliche Zukunft über den Sommer hinaus offen ist und der laut eigener Aussage noch kein Angebot vorliegen hat, zwingend auch auf Arriviierte setzen. Ikay Gündogan (33) bleibt trotz der Rückkehr von Torwart Manuel Neuer (37) Kapitän. In der Innenverteidigung legte sich Nagelsmann auf das Duo Antonio Rüdiger (31) und Jonathan Tah (28) fest, denn im Abwehrzentrum sei ihm „ein gutes Mauerwerk lieber als frischer Wind“. Und im Mittelfeld gibt der 34-jährige Toni Kroos (34) sein Comeback. „Er ist nicht der alleinige Heilsbringer. Aber man weiß, was er der Mannschaft geben kann. Er hat ein gutes Gespür, viel Ruhe und Erfahrung“, sagte Nagelsmann. „Wer noch von Querpass-Toni schreibt, hat keine Ahnung vom Fußball!“ Nur mit Momentum gehts eben nicht.