Sinsheim. Julian Ryerson erzielt ein bemerkenswertes Tor bei der TSG Hoffenheim. Dortmund findet beim vierten Saisonsieg eine neue Qualität.
Die schönste Beschreibung von dem, was da in der fünften Minute der Nachspielzeit am Freitagabend in der Sinsheimer PreZero-Arena geschehen war, lieferte Niclas Füllkrug. „Wir haben uns alle totgelacht. Wir haben uns die Augen gerieben und gesagt: War das wirklich der Ryerson?“, meinte Borussia Dortmunds Stürmer, grinste breit und sorgte in der Interviewzone des Stadions dafür, dass auch andere noch Freude an dieser Szene hatten.
Erst mal die drängendste Antwort: Ja, es war wirklich der unscheinbare Außenverteidiger Julian Ryerson, der sich tief in der eigenen Hälfte den Ball schnappte, 90 Meter den linken Flügel entlang sprintete, und den Ball zum krönenden Abschluss auch noch an Hoffenheims Torwart Oliver Baumann so kaltschnäuzig vorbeilegte, wie es sonst Füllkrug macht. „Es war eine Top-Leistung“, lobte Füllkrug, der sich Ryersons Solo-Lauf, der es in den einen oder anderen Saisonrückblick schaffen dürfte, nach seiner Auswechslung mit bestem Blick von der Bank anschauen konnte.
BVB jubelt: 3:1-Sieg in Hoffenheim bringt die Tabellenführung
Es war der Schlusspunkt dieses doch nervenaufreibenden Bundesliga-Spiels, das der BVB mit 3:1 (2:1) gegen die TSG Hoffenheim gewann. Mit nun 14 Punkten aus sechs Spielen krallt sich der noch ungeschlagenen Vize-Meister an der Tabellenspitze fest. Füllkrug hatte Dortmund in Führung gebracht (18.), Andrej Kramaric glich relativ schnell für Hoffenheim mit einem Foulelfmeter aus (25.). Marco Reus sorgte noch für den 2:1-Halbzeitstand (45.+3).
Szene des Spiels aber wurde Ryersons „Willensleistung“, wie es Sportdirektor Sebastian Kehl später nannte. „Er ist ein absoluter Kämpfer“, sagte Kehl. Sie stünde „symbolisch dafür, was wir in der zweiten Halbzeit machen mussten: Wir mussten leiden“. Die letzten 20 Minuten verbrachte der BVB ja sogar in Unterzahl. Ramy Bensebaini sah nach einem unnötigen Ballwegstochern, um das Spiel zu verzögern, Gelb-Rot (71.). Aber die Dortmunder brachten die Führung über die Zeit, sie blieben diszipliniert, standen hinten kompakt. Mats Hummels, der das 1:1 verursachte, indem er einen schlimmen Fehlpass spielte und dann Anton Stach im Sechzehner weggrätschte, organisierte wieder die Abwehr. Innenverteidiger-Partner Nico Schlotterbeck rettete mit einem risikoreichen Tackling kurz vor Ryersons Tor in höchster Not gegen Mergim Berisha (90.+4).
BVB-Sieg gegen Hoffenheim: Die wichtigsten News
Zum Mann des Spiels aber avancierte der Norweger Ryerson, der in der zweiten Halbzeit böse mit Robert Skov zusammenrasselte und einige Minuten behandelt werden musste (52.) – was der Heldengeschichte noch einen zusätzlichen Schwenk gab. „Ihre Worte, nicht meine. Das sollt ihr entscheiden“, antwortete Ryerson, 25, nordisch-wortkarg auf die Frage, ob er der Matchwinner gewesen sei. „Für mich war es eine Teamleistung, zu der jeder seinen Teil beitragen musste.“ Sein Tor sah er so: „Ich habe den Ball in der eigenen Hälfte erobert und dann nur nach vorne gespielt, Kopf runter und plötzlich war ich allein vor dem Torwart. Am Ende war ich ziemlich müde, aber glücklich, dass wir gewonnen haben.“ Alles sehr unkonventionell eben.
Auch wenn Dortmunds vielseitiger Außenverteidiger, der links wie rechts spielen kann, am Ende nichts von einer besonderen Rolle wissen wollte, steht er doch sinnbildlich für die gesamte Mannschaft dieser Tage. Ryerson erledigt die Dinge, die von ihm erwartet werden. Er hält sich an taktische Vorgaben, arbeitet unermüdlich. Diesen Job erfüllt er gut und zuverlässig, aber um mit feinen fußballerischen Darbietungen zu glänzen? Dafür ist er nicht der Typ.
BVB übersteht einige Stolpersteine
Von solchen gibt es beim BVB dennoch eine Menge. Nur selten aber haben sie das bisher auf den Rasen gebracht. Der Saison geriet mit Strauchlern gegen den 1. FC Heidenheim (2:2) und beim VfL Bochum (1:1) spielerisch durchwachsen. Die Bilanz aber ist mit 14 Punkten aus sechs Spielen trotzdem höchst erfreulich, weil sich das Team im Gesamten auf Tugenden konzentriert, für die Ryerson steht.
Es ist stabiler geworden, das Passspiel wird sauberer ausgeführt, die Räume werden besser besetzt. Wie schon beim 1:0 über den VfL Wolfsburg machte der BVB einen Schritt in die richtige Richtung, wenngleich er noch keinen Glanz versprüht und auch nach dem Ausgleich die Kontrolle über das Spiel abgab. Vielmehr ist Dortmund derzeit eine Ergebnismaschine, die unangenehme Gegner wie den SC Freiburg (4:2), Wolfsburg und eben Hoffenheim, „gemachte Stolpersteine“ (Füllkrug), niederringt.
BVB nun in der Champions League gegen AC Mailand
„Manchmal isst du Dinge, die nicht so lecker sind, dich aber trotzdem satt machen. Heute fahren wir gesättigt nach Hause“, sagte Trainer Edin Terzic und zeichnete so ein treffendes Bild. Füllkrug, dem sein Premierentor im schwarz-gelben Trikot gelang, meinte: „Man kann auch positiv sehen, dass du oben stehst und trotzdem noch Luft nach oben hast.“ Und auch Ryerson befand: „Es war nicht perfekt, aber wir hatten jetzt ein paar gute Siege. Es hat das Selbstvertrauen gestärkt. Darauf lässt sich aufbauen.“ Am besten schon am Mittwoch im zweiten Champions-League-Gruppenspiel gegen die AC Mailand (21 Uhr/DAZN).