Dortmund. Der BVB hat gegen St. Pauli gewonnen. Die Analysen der Leistung fallen allerdings unterschiedlich aus. Vor allem Waldemar Anton verwunderte.
Es gehört zum Fußball dazu, dass Beobachtungen unterschiedlich ausfallen können, das sich das Erlebte auf dem Platz ganz anders anfühlen kann als das Gesehene auf der Tribüne; und doch verwunderte Waldemar Antons Analyse. Breitbeinig stand Borussia Dortmunds Verteidiger unter der Osttribüne, die Hände hatte er in den Taschen seines Pullovers vergraben, kurz zuvor hatte sich der BVB zu einem 2:1-Erfolg über den Aufsteiger FC St. Pauli gezittert. Ein Glückssieg?
„Ihr seid immer negativ“, raunte Anton in Richtung der Medien, als er gefragt wurde, warum die Schwarz-Gelben so schwerfällig gewirkt hätten. „Das ist ja Wahnsinn. Also schwerfällig fand ich unseren Auftritt nicht. Es ist nicht einfach, gegen einen so tief stehenden Gegner die Chancen herauszuspielen. Wichtig war es, sehr konzentriert zu bleiben, viele zweite Bälle zu gewinnen, im Gegenpressing da zu sein. Das war heute sehr, sehr, sehr, sehr gut.“
Erst der Schlusspfiff erlöste den BVB gegen den kleinen Aufsteiger
Hmm. Viermal „sehr“ erschien dann doch etwas hochgegriffen. Eigentlich waren sich die meisten Beobachter darin einig, dass dieser Auftritt der Dortmunder nicht der Anspruch dieses Großklubs sein kann. Die Mannschaft von Trainer Nuri Sahin hatte zwar mehr Ballbesitz, sie ließ wenig Chancen zu. Trotzdem wäre der Außenseiter aus Hamburg fast in der ersten Halbzeit in Führung gegangen. Stürmer Morgan Guilavogui hatte getroffen, der Videoassistent nahm den Treffer jedoch zurück. Der Grund: Abseits. Wobei Pauli-Trainer Alexander Blessin schimpfte: „Für mich ist es nicht klar zu erkennen, wo Emre Can steht. Man kann also keine Linie ziehen. Und wenn es so unklar ist, darf man das Tor auch nicht aberkennen und dann darf der VAR nicht einschreiten.“
So aber köpfte anschließend Ramy Bensebaini die Führung, sein erstes schwarz-gelbes Tor. Eric Smith glich in der 78. Minute durch einen Gewaltschuss aus (hier beklagten sich die Borussen über einen ausbleibenden Abseitspfiff), fünf Minuten später stieg Serhou Guirassy in die Luft und nutzte seinen Kopf nach einer gefühlvollen Flanke von Jamie Gittens für den zweiten BVB-Treffer. Endlich Ruhe? Nein. Denn St. Paulis Adam Dzwigala kratzte in der Nachspielzeit am erneuten Ausgleich. Erst dann erlöste der Schlusspfiff alle Dortmunder.
Trainer Nuri Sahin sprach von einem verdienten Sieg. „Es war ein zähes Spiel gegen einen Gegner, der sehr tief stand. In der ersten Halbzeit haben wir das gut gemacht, wir sind ruhig geblieben.“ Und: „Wir gewinnen das Ding. Es war wichtig, dass wir da oben dranbleiben.“
Die nächsten BVB-Aufgaben haben es in sich
Doch: Wo steht dieser BVB, der schon gegen einen limitierten Aufsteiger wie den FC St. Pauli um die drei Punkte bangen muss? Das werden die kommenden Wochen zeigen, die nächsten Aufgaben haben es sich in sich. Dreimal muss Sahins Elf auswärts antreten: bei Real Madrid in der Champions League (22. Oktober, 21 Uhr), beim FC Augsburg in der Bundesliga (26. Oktober, 15.30 Uhr) und beim VfL Wolfsburg im Pokal (29. Oktober, 20.45 Uhr). Anschließend kommt RB Leipzig ins Dortmunder Stadion (2. November, 18.30 Uhr).
Es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass die Dortmunder, wenn sie sich nicht steigern, unfallfrei durch die vier Begegnungen marschieren werden. Die Schwarz-Gelben vergeben zu viele Chancen, lassen zudem zu viele Gelegenheiten des Gegners zu. Es fehlen die Farbtupfer, es mangelt an einer erkennbaren Entwicklung im Ballbesitz. Der Auftritt gegen Pauli wirkte so ideenlos wie so oft. Und was passiert, wenn Serhou Guirassy mal einen schlechten Tag hat oder sich sogar verletzt?
Dass der BVB weiterhin vor allem auf Einzelaktionen des neuen Stürmers angewiesen ist, zeigt, dass es an klar erkennbaren Abläufen mangelt, dass andere vermeintliche Leistungsträger schwächeln. Kapitän Emre Can erlebte im Mittelfeldzentrum erneut einen schwachen Abend. Donyell Malen sucht nach seiner Form. Sahin spricht immer von einem Prozess und muss aufpassen, dass ihm dieser Begriff nicht bald vor die Füße fällt, wenn in diesem Prozess keine Fortschritte zu erkennen sind.
BVB-Verteidiger Waldemar Anton: „Es war besser“
Oder war doch alles ganz anders?
„Pauli hatte kaum Chancen. Das sagt schon alles“, sagte Waldemar Anton. „Ich sage nicht, dass alles top war. Aber wichtig war, dass die Intensität stimmt, das haben wir heute sehr gut gemacht. Wir sind in einem Prozess.“ Da erklang es wieder: das Wort „Prozess“. Wie beurteile er denn die Entwicklung, wurde der Nationalspieler noch mal gefragt. „Mit dem Ball ist die Struktur deutlich besser, wenn man es mit den ersten Spielen vergleicht. Die Positionierung war heute viel besser, das kommt mit der Zeit. Deswegen sage ich: Es war besser.“
Hmm. Alle haben das nicht so gesehen.
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