Melbourne . Deutsche Tennis-Spielerin erlebte in ihrer Karriere viele Höhen und Tiefen. Bei den Australian Open schlug sie nun die Olympiasiegerin.

Es ist schon knapp ein Vierteljahrhundert her, dass Laura Siegemund einen ebenso großartigen wie verhängnisvollen Triumph feierte. Ende 2000 gewann die Metzingerin als Teenagerin den Orange Bowl, die Nachwuchs-Weltmeisterschaft der Tenniskids in Florida. Sie war damals die erste deutsche Siegerin seit einer gewissen Steffi Graf, und weil damals Dürre im deutschen Tennisbiotop herrschte, waren die Schlagzeilen über eine „neue Steffi“ nicht fern. 

Eine abenteuerliche Reise durch die Tenniswelt erlebte Siegemund danach, mit einer Achterbahnfahrt durch alle Höhen und Tiefen. Sie hörte, frustriert von ersten Enttäuschungen auf den Centre Courts, sogar mit ihrem Sport auf. Kam nach langer, langer Pause wieder zurück, feierte erst im gesetzten Alter von 26 Jahren ihr Grand Slam-Debüt. Wurde dann zu einer tragenden Kraft im deutschen Nationalteam, gewann Grand Slam-Titel im Doppel und Mixed. Und ist nun tatsächlich mit 36 Jahren auf der Höhe ihrer Kraft, geladen voller Energie und Tatendrang. „Ich bin unheimlich stolz auf mich“, sagte die unermüdliche Veteranin am Mittwoch, als ihr bei den Australian Open am anderen Ende der Welt der bisher größte Turniercoup gelungen war. 

Auch interessant

Laura Siegemund entzaubert Olympiasiegerin Zheng

Für nicht weniger als die Entzauberung der chinesischen Olympiasiegerin Qinwen Zheng war das zupackende „Südlicht“ verantwortlich, ein 7:6 (7:3), 6:3-Major-Hammer gegen die Weltzranglisten-Fünfte, der auch ein Achtungs- und Lebenszeichen des nicht gerade erfolgsverwöhnten deutschen Frauentennis war. „Ein Sahnetag für Laura“, sagte dazu Barbara Rittner, die langjährige Chefin des DTB für die weibliche Tennisabteilung. Wieder einmal und zurecht war Siegemund die „Frau der Stunde“, nun aber nicht allein für Tennis-Deutschland, sondern überhaupt am Grand Slam-Standort Melbourne.

Siegemund ist seit jeher eine Ausnahmeerscheinung im Tennis hierzulande. Sie müsste eigentlich wie selbstverständlich zur Goldenen Generation mit Kerber und Co. gehören, aber in Wahrheit gehörte sie nie so recht zu dieser besonderen Gruppe von Spielerinnen. Siegemund ging stets eigene Wege, fand erst Mitte des vergangenen Jahrzehnts ins professionelle Tennis. Zwischenzeitlich, noch in der Tennis-Auszeit, hatte sie ein Psychologiestudium begonnen, schrieb später ihre Bachelorarbeit zum Thema „Versagen unter Druck.“ Als starke Allrounderin machte sie sich bald wettbewerbsübergreifend einen Namen, im Einzel, Doppel und Mixed. Im ganz grellen Scheinwerferlicht stand sie allerdings nie so ganz.

Laura Siegemund spielt einen Rückhand-Return.
Laura Siegemund spielt einen Rückhand-Return. © dpa | Asanka Brendon Ratnayake

Vorwürfe aus den sozialen Medien über Laura Siegemund

Siegemund gehört ja zu den eigenwilligsten und unkonventionellsten Spielerinnen eines Wanderzirkus, in dem jedenfalls nach offizieller Lesart eine immerwährende paradiesische Harmonie herrscht – trotz härtesten Konkurrenzdrucks. Aber die deutsche Altmeisterin ist nun nicht gerade eine Figur für übergroße Verbindlichkeit und für Friedlichkeit auf dem Spiel-Platz. Die 36-jährige ist Profi durch und durch, für Nettigkeiten ist bei ihr auf dem Centre Court kein Raum. Sie müsse „nicht von jedem geliebt werden“, sagt die Schwäbin, die nur zu gern mit allerlei Tricks, Kniffen und Mätzchen operiert. Auch in den Sozialen Medien wird das immer wieder heftig betont, da ist Siegemund aus dunklen, anonymen Ecken auch mal „die Hexe“ oder „die Täuscherin.“ Sie stehe „da drüber“, so Siegemund, „damit kann ich mich nicht ernsthaft beschäftigen.“

„Laura Überall“ hatte Tenniskanzler Boris Becker einmal Siegemund genannt. Nicht nur, weil sie sich bei Grand Slam-Turnieren eine Mehrfachbelastung in allen denkbaren Konkurrenzen abverlangt. Sondern auch, weil sie immer und überall eine Intensität und Präsenz zeigt, die modellhaft für jüngere Generationen ist. „Sie bringt alles auf den Court, absolut alles. Sie gibt niemals auf, sieht immer ihre Chance“, sagt Becker, „sie weiß, dass sie nur so erfolgreich sein kann.“ Sie sei „noch lange nicht am Ende“ ihrer Möglichkeiten“, sagt Siegemund selbst, „ich gebe mir noch eine richtig gute Zeit im Tennis.“ Jetzt in Melbourne. Und anderswo.