Budapest. Nach dem 1:1-Unentschieden in der Nations League ist Bundestrainer Julian Nagelsmann optimistisch, entschuldigt sich aber auch.
Julian Nagelsmann hatte noch auf dem Rasen großen Redebedarf. Schiedsrichter Duje Stekan eher nicht. Der Kroate lief schon in Richtung der Kabine in der Budapester Puskas-Arena, da pöbelte ihm der Bundestrainer hinterher. Stekan ging nicht weiter drauf ein. Was hätte er auch sagen sollen? Er war ja nur Überbringer schlechter Nachrichten seines Video-Assistenten, und mit der jüngsten Dolchstoßlegende des deutschen Fußballs im Sommer hatte er gar nichts am Hut.
Nagelsmann erzählte am ZDF-Mikrofon, dass er Stekan gefragt habe, ob er das Viertelfinalspiel bei der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Spanien gesehen habe, genauer: Marc Cucurellas Handspiel, das nicht als solches gewertet worden war. Fälschlicherweise, was die Europäische Fußball-Union (Uefa) Monate später als letzte Instanz auch endlich zugegeben hatte. Nagelsmann kam diese Szene wieder in den Kopf, weil er vier Monate später eine ungleiche Behandlung witterte.
Bundestrainer Nagelsmann entschuldigt sich: „Habe den Schiedsrichter ein bisschen attackiert“
Dem Frankfurter Innenverteidiger Robin Koch wurde nämlich in der Nachspielzeit aus kurzer Distanz an den Arm geschossen, der Frankfurter drehte sich zwar weg, doch leicht abgespreizt war dieser schon. Liverpools Starspieler Dominik Szoboszlai verwandelte den folgenden Handelfmeter zum 1:1 (0:0)-Endstand im letzten Nations-League-Gruppenspiel zwischen Deutschland und Ungarn. Felix Nmecha (76.) von Borussia Dortmund besorgte zuvor mit seinem ersten Länderspiel-Tor die Führung der DFB-Elf.
Als dann auch Nagelsmann endlich in den Katakomben angekommen war und auf der Pressekonferenz seinen Platz einnahm, zeigte der 37-jährige Bundestrainer Reue. „Ich habe den Schiedsrichter ein bisschen attackiert, das tut mir leid. Er wird rausgeschickt für eine Situation, die er eigentlich richtig bewertet hatte“, sagte Nagelsmann. Stekans Pfeife war zunächst stummgeblieben, dann meldete sich sein Kollege mit den TV-Bildern. „Dadurch schadet man dem Schiedsrichter“, meinte Nagelsmann, dessen Ärger vor allem darauf beruhte, dass er das erfolgreiche Länderspiel-Jahr mit seiner Mannschaft nicht veredeln konnte, weil sie den 1:0-Vorsprung nicht über die Zeit brachte. Aber: „Ich kann ein Auge zudrücken und es einordnen.“ Viele Wechsel, eine hohe Belastung, die Viertelfinal-Qualifikation schon in der Tasche – unter diesen Rahmenbedingungen geht ein 1:1 in Ungarn völlig in Ordnung.
Wiederauferstehung und Optimismus bei der DFB-Elf
Der Optimismus für 2025 ist groß. Wer hätte das gedacht vor exakt einem Jahr, als der damals noch frisch im Amt gewesene Nagelsmann mit seinem Team eine Schmach in Wien erlebte? Es folgte die Wiederauferstehung der deutschen Nationalelf, Rückkehr und Abschied von Toni Kroos, der letzte Tanz Thomas Müllers und Manuel Neuers, das dramatische EM-Aus gegen Spanien und ein neues Selbstverständnis, das die DFB-Auswahl durch die Nations League schweben ließ. „Das Wir-Gefühl, das ich spüre, hatte ich noch nie. Das hat mir persönlich viel gegeben“, meinte Nagelsmann. „Wir lagen Boden und standen unter Druck wegen der Heim-EM. Wenn wir 2025 genau so angehen, wie wir 2024 bestritten haben, werden wir 2025 deutlich präparierter sein, als wir es 2024 waren. Ich denke, dass da viel entstehen kann.“ Kapitän Joshua Kimmich verwies zwar darauf, dass man sich von den Eindrücken aus 2024 „im ersten Moment nichts kaufen kann, weil wir keinen Titel gewonnen haben“, die Richtung aber stimme, da gebe es keinen Zweifel innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes.
„Die Turniere beginnen jetzt“, kündigte Kimmich an. Schon 2025 soll ein Titel her. Im März duellieren sich die Deutschen mit Kroatien, Italien oder Dänemark im Viertelfinale der Nations League, am Freitag wird die Runde der letzten Acht ausgelost. „Es sind unterschiedliche Mannschaften, die sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden. Alle haben ihren Reiz“, so Nagelsmann, der dann auf die gelbgesperrten Leverkusener Florian Wirtz verzichten muss. „Das ärgert mich. Es ist so, wie es ist.“
Nations League als wichtige Standortbestimmung für den DFB
Den Stellenwert der Nations League, die Deutschland noch nie gewonnen hat, wollte Kapitän Kimmich im Vergleich mit EM oder Weltmeisterschaft nicht schmälern. Im Gegenteil: Sie sei eine wichtige Standortbestimmung. „Den Wettbewerb gibt es noch nicht so lang, trotzdem nehmen die besten Mannschafen Europas teil. Wir haben es in der Vergangenheit gesehen, dass die Spanier das Ding gewonnen haben und dann die Euro“, sagte Kimmich. „Es kann auf jeden Fall nicht schaden.“ Dann verabschiedete sich der Rechtsverteidiger in eine besinnliche Nationalmannschafts-Winterpause. Kein Vergleich zur Endzeit-Stimmung, in der die DFB-Elf den Jahreswechsel 2023/24 ertragen musste.