Dortmund. Handballtrainer André Fuhr wird psychische Gewalt gegenüber Spielerinnen vorgeworfen – Aufarbeitung steht nach Gerichtsurteil vor dem Aus.
- Handballtrainer André Fuhr wird pyschische Gewalt gegenüber Spielerinnen vorgeworfen
- Der Deutsche Handballbund hatte eine Kommission zur Aufarbeitung eingesetzt
- Nun hat ein Gericht diese Aufarbeitung gestoppt – Spielerinnen leiden darunter
Es war einer der größten Skandale in der Geschichte des deutschen Handballs. Als im Oktober 2022 sechs Spielerinnen dem Trainer André Fuhr im Magazin Spiegel psychische Gewalt vorwarfen, erschütterte das die Sportart in ihren Grundfesten. Über 40 Betroffene meldeten sich daraufhin bei der „Anlaufstelle gegen Gewalt“.
Und der Deutsche Handballbund (DHB) geriet schwer unter Druck, weshalb er eine Kommission einsetzte, um die Sache aufzuklären – während Fuhr, der bis September 2022 die Handballerinnen des Bundesligisten Borussia Dortmund gecoacht und auch die Juniorinnen des DHB verantwortet hatte, alle Vorwürfe von sich wies.
Landgericht Dortmund urteilt: DHB muss Kommissions-Arbeit beendet
Nun, über zwei Jahre später, steht der Dachverband vor den Trümmern in dieser imageschädigenden Causa: Am Freitagvormittag verurteilte das Landgericht Dortmund den Dachverband zur Einstellung der Kommission. Der Bericht, der für Ende 2024 angekündigt worden war, wird vermutlich nie veröffentlicht werden – alle Interviews der Betroffenen wären dann umsonst. Zugleich verpflichtete Richterin Dagmar Wohlthat den Verband, die Vorwürfe gemäß seiner Trainerordnung in einem Disziplinarverfahren aufzuklären.
Wie André Fuhr eine neue Trainerstelle fand – und rausflog
Nicht um die generelle Aufarbeitung der Vorwürfe gegen den Trainer sei es im Verfahren gegangen, betonte die Richterin im Saal 247 des Landgerichts. Vielmehr handele es sich um eine Einzelfallentscheidung. Die Satzung des Dachverbandes gebe die Installierung einer solchen Kommission grundsätzlich auch her. Aber die Kommission habe die Persönlichkeitsrechte des Klägers Fuhr gravierend missachtet.
Die Kommission hatte den Trainer in einem Schreiben als „Tatperson“ bezeichnet und damit die Unschuldsvermutung nicht gelten lassen. Das müsse sich der Kläger nicht gefallen lassen. Insofern habe das Gericht zwingend in die Verbandsautonomie eingreifen müssen, hatte das Oberlandesgericht Hamm bereits im Juli in einer einstweiligen Verfügung begründet und damit die Kommission gestoppt. Dieser Ansicht folge die Kammer, so die Richterin.
Fall Fuhr: DHB prüft Rechtsmittel
Ins Rollen gebracht hatten den Fall die beiden Nationalspielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger. Sie hatten ihren Vertrag beim BVB fristlos gekündigt. Beide haben in der vergangenen Woche im Spiegel ihren Frust darüber, dass die Aufklärung nun womöglich nie stattfinden wird, zum Ausdruck gebracht. „Ich dachte bis zum Sommer, okay, jetzt hast du alles erzählt, das Kapitel Fuhr kannst du erst mal abhaken”, sagte Berger. „Aber nach dem ersten Gerichtsurteil kam natürlich viel wieder hoch. Die Bilder von den Ausrastern, den Schimpftiraden, den Strafen und den Psychospielchen.”
DHB-Präsident Andreas Michelmann erklärte, der Verband habe mit der Einsetzung der Kommission „bewusst Neuland betreten, um seiner Verantwortung für den Handballsport in Gänze und seinem Schutzauftrag gegenüber den Betroffenen gerecht zu werden“. Der Dachverband werde auch weiterhin an der Prävention von Gewalt arbeiten, dies sei „eines der großen gesellschaftlichen Themen der Zeit“.
Beide Parteien, der Kläger Fuhr und der Beklagte DHB, haben einen Monat Zeit, um Rechtsmittel einzulegen. Geschieht das, muss das OLG Hamm entscheiden. Michelmann hatte zuvor schon angedeutet, der Verband werde diesen Fall, falls nötig, bis in die letzte Instanz durchprozessieren.
André Fuhr war zwischenzeitlich Trainer in Essen
Fuhr hatte im vergangenen Jahr kurzzeitig eine Trainerstelle beim Essener Verbandsligisten MTG Horst angetreten und dort das Herrenteam übernommen. Nach nur wenigen Wochen war der Druck auf die Essener aber so groß geworden, dass sie sich von Fuhr getrennt hatten.