Turin. Bei der ATP-WM in Turin zeigt sich: Alexander Zverev ist auf schnellen Hallenböden kaum zu besiegen. Nun geht es gegen Carlos Alcaraz.
Wenn Alexander Zverev an diesem Freitag (14 Uhr/Sky) auf den Centre Court des Turiner Pala Alpitour marschiert, steht ihm auf der anderen Seite des Netzes mit Carlos Alcaraz einer seiner großen Spielverderber gegenüber. Aber auch jemand, der seinen Ehrgeiz beflügelt. Der ihn zu härtestem Trainingspensum motiviert. „Carlos Alcaraz, aber auch Jannik Sinner, sind hier und jetzt der Maßstab im Tennis. Sie haben Grand Slams gewonnen. Ich nicht“, sagt Zverev, „deshalb muss ich mich verbessern. Jeden einzelnen Tag.“ Das spanisch-italienische Duo, das in der Saison 2024 die Grand-Slam-Titel unter sich aufteilte, werde ganz sicher noch stärker, so Zverev. „Ziehe ich nicht nach, habe ich keine Chance.“
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Turin, das Finale der Spielzeit mit den acht stärksten Tennis-Cracks, ist für den 27 Jahre alten Hamburger letztlich nur eine Durchgangsstation. In Italien will Zverev einen versöhnlichen Saisonabschluss finden, am besten mit dem dritten WM-Titel nach 2018 und 2021, aber vor allem will er dabei Selbstvertrauen tanken für das kommende Jahr – und eine große, mächtige Offensive. „Ich habe nicht ewig Zeit, um Grand Slams zu gewinnen. Die Konkurrenz schläft nicht“, sagt Zverev.
Tennis-Legende Boris Becker glaubt an Alexander Zverev
Das gilt genauso für seinen Wunsch und Anspruch, endlich auch einmal ganz hoch hinaus auf den Gipfel der Weltrangliste zu klettern, die Nummer eins zu sein. Der einzige Deutsche, der das bisher schaffte, war Zverevs gelegentlicher Mentor Boris Becker – für ein paar Wochen nach seinem Australian-Open-Sieg 1991. Becker hatte vorher allerdings schon dreimal Wimbledon und einmal die US Open gewonnen, noch dazu zweimal mit dem deutschen Team den Davis Cup. Zverev habe durchaus Chancen, sich 2025 mit Major-Titeln zu belohnen, sagt Becker, „wenn er gesund bleibt und bei den Topwettbewerben effizienter spielt.“
Bei den ATP-Finals zeigt Zverev dieser Tage in jedem Fall, dass er auf schnellen Böden und Indoor selbst der Maßstab für erfolgreiches Tennis ist. In seinen beiden Auftaktpartien gegen den Russen Andrej Rublew (6:4, 6:4) und den Norweger Casper Ruud (7:6, 6:3) ließ der Schlaks noch keinen einzigen Breakball zu, mit seinem Service dominierte er das Geschehen fast immer nach Belieben. Ohnehin hat der Aufschlag, der einzige nicht vom Gegner beeinflussbare Schlag, durchaus das größte Drohpotenzial für Zverevs Kollegen. Gegenwärtig führt ihn die ATP-Statistik als zweitbesten Aufschläger der Saison.
Alexander Zverev hat seine Aufschlag-Schwäche beseitigt
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Vor fünf Jahren stand er in dieser Wertung noch auf Platz 41. Fast vergessen sind die Tage, als der deutsche Spitzenmann an rätselhafter Service-Schwäche litt und teilweise bis zu 20 Doppelfehler in einer Grand-Slam-Partie produzierte. „Ich habe an keinem Schlag mehr gearbeitet als am Aufschlag“, sagt Zverev selbst. Auch die oft zu abwartende, vorsichtige Spielhaltung, das Verharren tief hinter der Grundlinie, will sich der Weltranglisten-Zweite beim Angriff auf Grand Slam-Titel und Platz eins der Hackordnung weiter abgewöhnen. Mehr Offensive, schnellere Punktgewinne: Das würde ihm auch helfen, nicht in frühen Turnierrunden zu lange auf dem Platz zu stehen, Energien zu vergeuden.
In Turin wird für die Szene offensichtlich, wie sehr Zverev seine hohen Ziele umtreiben. Nach den Matches kehrte der Deutsche immer noch einmal für ein Trainingsprogramm auf die Courts zurück – auch um stets noch mehr Erfahrungen mit seinem modifizierten Racket zu sammeln, das ihm mehr Speed in den Schlägen garantieren soll. Und im Hinterkopf geht es immer um die Aufgabe, die Stars der nächsten Generation zu übertrumpfen, Sinner und den heutigen WM-Gegner Alcaraz. Der junge Spanier hatte am 9. Juni bisher für den bittersten Moment des Zverev-Jahres gesorgt, mit der Aufholjagd im French-Open-Finale zum Titelgewinn. Nun will Zverev der Partyschreck für Alcaraz sein.