Frankfurt/Main. Alexander Nübels Weg in die DFB-Elf war wie bei einigen anderen Spielern nicht gradlinig. Das ist nun eine der Stärken der Mannschaft.
Die weißen Tennis-Socken sind gezeichnet vom Rasen, an den Knöcheln sind sie grün gefärbt. Das ist aber auch der einzige Hinweis darauf, dass hinter Alexander Nübel ein Fußball-Training liegt. Der 28-Jährige lehnt sich in einem Besprechungsraum des DFB-Campus in Frankfurt/Main entspannt in seinen Stuhl zurück. „Ich bin gelassener geworden“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion.
Nübel, Torwart des VfB Stuttgart, ist noch nicht lange Mitglied der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Er ist daher auch nicht der unumstrittene Stammkeeper der DFB-Elf. Viel deutet darauf hin, dass er sich auch in den bevorstehenden Nations-League-Spielen am Samstag in Freiburg gegen Bosnien (20.45 Uhr/RTL) und drei Tage später in Budapest gegen Ungarn den Job zwischen den Pfosten mit dem Hoffenheimer Oliver Baumann, 34, teilen wird. Nübel aber ist ein Beleg dafür, wie sehr sich das Wesen der DFB-Elf in diesem Jahr verändert hat. Dem Team gelingt es inzwischen besser, Widerstände zu überwinden.
DFB-Team: Spieler haben unterschiedliche Karrierewege
Aus Jamal Musiala, immer noch erst 21 Jahre jung, sprudelte schon das Talent, als der Münchner noch ein Teenager war. Da wusste man, er würde schon bald der Unterschiedsspieler in Deutschland werden. Joshua Kimmich, 29, galt vom Beginn seiner Karriere als Ehrgeizling, der irgendwann auch die Kapitänsbinde der deutschen Elf tragen würde. Es gibt in diesem Kader allerdings auch Profis, deren Karriereverläufe nicht gradlinig waren, sondern kurvenreicher als der Große Preis von Monaco.
Robert Andrich musste 30 Jahre alt werden, bis man feststellte, dass er der ideale Nebenmann von Toni Kroos sein könnte. Deniz Undav (28) ist verletzt, aber seine Geschichte, die über Meppen bis in die Champions League führte, ist in den vergangenen Monaten häufig erzählt worden. Tim Kleindienst ist erst im Alter von 29 Jahren eine Sturmhoffnung der DFB-Elf, sein Weg ähnelt damit dem von Niclas Füllkrug (31). Chris Führich (26) tingelte durch verschiedene Nachwuchsleistungszentren, viele Leute sagten ihm, dass er es nicht packen würde. Robin Gosens (30) war nie in einer Akademie, wurde aber trotzdem Nationalspieler. Und Torwart Nübel stand schon mit einem Bein im Bayern-Tor, bis er einsehen musste, dass es vielleicht doch besser wäre, einen Gang zurückzuschalten wie die Formel-1-Fahrer im Fürstentum.
DFB-Team: Alexander Nübels Karriere mit Umwegen
„Vor allem als Torwart ist es nicht brutal wichtig, mit 18 oder 19 Jahren durchzustarten“, sagt Nübel. Es gebe natürlich andere Beispiele, denen gelungen sei, bis 35 durchzuspielen. „Wichtig ist, dass man sich wohlfühlt, da kommen so viele Dinge zusammen“, meint Nübel. „Selbstbewusstsein und Kopfsache machen auf diesem Niveau 90 Prozent aus.“ Das Selbstverständnis, zu den Besten im Land zu gehören, ist eine Anforderung von Torwart-Trainer Andreas Kronenberg. Nübel musste sich diesen Status erarbeiten.
Er war vor vier Jahren von Schalke 04 zum FC Bayern gewechselt, konnte aber Manuel Neuer nicht verdrängen. Der Ostwestfale ließ sich erst zur AS Monaco ausleihen, dann nach Stuttgart. „Ich bin froh, dass ich die Schritte so gegangen bin, weil ich jetzt schon relativ viel erlebt habe“, sagt Nübel, der der erste Anwärter darauf ist, die derzeit verletzten Nummer eins Marc-André ter Stegen, 32, irgendwann zu beerben. Hindernisse zu überwinden, wie es Nübel und einige andere Nationalelf-Mitglieder getan haben, sei wichtig in einer Laufbahn.
DFB-Team ist im Jahr 2024 stabiler geworden
Ein Beispiel: „Es ist schwierig, wenn du als Jugendspieler beim Sprung in den Herrenfußball den Verein wechselt. Da, wo man herkommt, wird man meist ein wenig gepudert. Dann wechselt du und da sind plötzlich andere, die genauso gut sind. Da musst du dich erstmal durchsetzen. Widerstandsfähigkeit, dranzubleiben, alles realistisch zu sehen – das sind Eigenschaften, die dir auch im Alter helfen. Man kann dann alles besser einschätzen. In meinem Fall wird man stabiler als Torwart.“
Stabilität war im Jahr 2024 einer der Kernpunkte, an dem Julian Nagelsmann gebastelt hat. Vor zwölf Monaten ging seine Mannschaft gegen die Türkei und in Österreich unter, Gegentore sorgten für zittrige Füße, ein Rückschlag und ein Spiel war praktisch verloren. Der Bundestrainer hat nun allerdings ein Fundament gegossen. Seine Mannschaft tritt deutlich reifer auf, was am harmonischen Gebilde liegt, aber auch daran, dass in diesem Führungsspieler wie Kimmich oder Antonio Rüdiger eine klare Leistungssteigerung geschafft haben. Das alles führte dazu, dass die DFB-Elf am Samstag den Nations-League-Gruppensieg klarmachen kann. Und sich nicht wie vor einem Jahr der Charakterfrage stellen muss.