Frankfurt. Der Bundestrainer will das Länderspieljahr 2024 mit den Siegen zehn und elf veredeln. Doch die Aufgabe wird zur „Gratwanderung“.

Plötzlich wurde es dunkel. Julian Nagelsmann hatte am Montagnachmittag gerade das Pressepodium auf dem DFB-Campus in Frankfurt betreten, als das Licht ausging. „Kriegen wir es wieder an?“, fragte Pressesprecherin Franziska Wülle, ehe es wieder hell wurde. Es wirkte fast wie ein choreographiertes Missgeschick zum Ende eines Länderspieljahres, in dem bei der Nationalmannschaft einfach nichts schiefgehen wollte.

Neun Siege hat die DFB-Auswahl 2024 bislang in 13 Spielen eingefahren. Zum Vergleich: In den Jahren 2022 und 2023 gab es zusammengerechnet nur sieben Siege. Verloren hat Nagelsmanns Mannschaft in diesem Jahr nur in der Verlängerung des EM-Viertelfinals gegen den späteren Europameister Spanien. Und wer weiß, wie die Heim-EM ausgegangen wäre, wenn Schiedsrichter Anthony Taylor beim Stand von 1:1 nach dem Handspiel von Marc Cucurella auf Elfmeter entschieden hätte. Die Uefa sprach später von einer Fehlentscheidung und selbst Cucurella gab zu, sich im Moment des Handspiels „in die Hose gemacht“ zu haben.

DFB-Team: Bundestrainer Nagelsmann gibt sich gelöst

„Mir ging es offenbar besser als der Hose von Cucurella“, sagte ein gut aufgelegter und innerlich aufgeräumter Nagelsmann vier Monate später, als das Licht in Frankfurt wieder brannte. Sein nicht ganz ernst gemeinter Lerneffekt aus diesem Spiel: „Am Ende dürfen wir keinem mehr an die Hand schießen, sondern einfach direkt ins Tor“, sagte Nagelsmann und grinste.

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Dass der Bundestrainer am Ende des Länderspieljahres gut drauf war, hat vor allem damit zu tun, dass seine Spieler in den vergangenen Wochen nach der EM den Ball fast immer ins gegnerische Tor und nicht an gegnerische Hände geschossen haben. Und da war es auch egal, ob die Schützen wie gegen Spanien Jamal Musiala oder wie zuletzt beim 1:0 gegen die Niederlande Jamie Leweling hießen.

Letztgenannter Name ist ein Beispiel für das gute Händchen, das Nagelsmann in diesem Jahr mehrfach bewiesen hat. Der Stuttgarter kam vor vier Wochen völlig unerwartet zum Einsatz und traf prompt gegen den großen Rivalen Holland zum Siegtor.

DFB-Trainer Nagelsmann muss auf vielversprechendes Duo verzichten

Gegen Bosnien am Sonnabend in Freiburg (20.45 Uhr/RTL) und drei Tage später in Budapest gegen Ungarn (20.45 Uhr/ZDF) wird Leweling nun wieder fehlen. Der Newcomer fällt ebenso aus wie Deniz Undav, der zuvor im Hinspiel gegen die Niederlande eine ähnliche Geschichte geschrieben hatte wie Leweling. Die beiden Stuttgarter Offensivkollegen sind zwei von elf Debütanten im Jahr 2024, die für einen erfolgreichen Umbruch der DFB-Auswahl stehen.

Lediglich bei Paul Wanner vom FC Heidenheim holte sich Nagelsmann zuletzt eine Absage ein. Der 18-Jährige, der auch von Österreich umworben wird, hätte der zwölfte Debütant werden können, will aber lieber bei der deutschen U21 bleiben, mit der er die Europameisterschaft 2025 spielen möchte. „Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn er hier wäre. Wir haben die Fantasie, dass er für unseren WM-Kader eine Rolle spielen kann. Aber es ist okay für mich“, sagte Nagelsmann am Montag.

DFB-Team: Nagelsmann hat das Siegergen zurückgebracht

Der 37-Jährige hat es geschafft, in der Nationalmannschaft wieder eine Mentalität des Siegens zu entwickeln. Das gilt insbesondere für die einst ungeliebte Nations League, in der Nagelsmann am Sonnabend mit dem nächsten Sieg gegen Bosnien bereits den vorzeitigen Gruppensieg sichern will. Das Ziel des Bundestrainers ist klar: Das Final Four im nächsten Sommer (4. bis 8. Juni) zu erreichen und die Nations League zu gewinnen – womöglich sogar im eigenen Land, sollte Deutschland bei der Auslosung für die Ausrichtung unter den vier Halbfinalisten mehr Glück haben als bei Cucurellas Handspiel.

Für Nagelsmann wird die Aufgabe, in der kommenden Woche die Länderspielsiege zehn und elf des Jahres einzufahren, eine „Gratwanderung“ zwischen der Ambition auf Siege und der Rücksicht auf die Vereine. Sechs Spieler fehlen verletzt, neun Spieler sind am Montag angeschlagen im Teamhotel Innside Melía Ostend angereist. „Ich bin bereit, Kompromisse einzugehen und habe mit vielen Trainern gesprochen. Es fällt mir aber nicht so leicht, auf jeden Wunsch einzugehen“, sagte Nagelsmann.

Auffällig ist, dass 15 der 23 Spieler im Kader für die letzten zwei Spiele des Jahres auch vor einem Jahr dabei waren, als Deutschland gegen die Türkei und Österreich verlor. „Der November-Lehrgang war letztes Jahr der schlechteste. Das soll diesmal anders sein“, sagte Nagelsmann, der erstmals seit besagtem Lehrgang auch wieder Julian Brandt von Borussia Dortmund nominierte. Gleichzeitig gab der Bundestrainer auch zu, dass der 28-Jährige nicht dabei wäre, wenn die personelle Lage besser aussähe. „Es liegt an ihm wieder einen nachhaltigeren Eindruck zu machen“, sagte Nagelsmann. Es würde zum Jahr des Bundestrainers passen, wenn Brandt nun am Sonnabend gegen Bosnien das Siegtor schießt.